Es ist von Gesetzes wegen zulässig, während den Ferien des Arbeitnehmers zu kündigen. Dies folgt e contrario aus Art. 336c OR, welcher den zeitlichen Kündigungsschutz regelt, die Ferien jedoch nicht als Kündigungshinderungsgrund aufführt. Kürzlich hat A. Koller, Empfangstheorie und "Ferien-Kündigung", in ZBJV, Band 135, 1999, über dieses Thema geschrieben.
Empfangstheorie
Als empfangsbedürftige Willenserklärung ist die Kündigung zugangsbedürftig, d.h, sie entfaltet ihre Wirkung erst im Zeitpunkt, in dem sie dem Gekündigten zugeht (BGE 113 || 259). Den Zugang hat der Kündigende zu beweisen. Dabei ist der entscheidende Zeitpunkt weder der Poststempel noch die Kenntnisnahme durch den Adressaten. Der Gesetzgeber wollte eine andere Risikoverteilung zwischen Absender und Empfänger, nämlich in der Weise, dass der Absender das Risiko tragen soll bis zum Zeitpunkt, ab dem der Empfänger normalerweise Kenntnis nehmen kann. Der Empfänger hingegen hat das Risiko zu tragen, dass er aus Gründen, die in seiner Person liegen (z.B. Unfall) nicht oder erst später, als dies unter normalen Umständen der Fall wäre, von der Kündigung Kenntnis nehmen kann (A. Koller, vorne zit.).
Gemäss BGE 118 Il 43 f. geht das Kündigungsschreiben im Zeitpunkt zu, in dem es in den Machtbereich des Adressaten gelangt. Ob der Adressat von der Sendung tatsächlich Kenntnis nimmt, ist dabei nicht entscheidend. Es genügt jedoch grundsätzlich nicht, dass eine Sendung in den Machtbereich des Adressaten gelangt, sondern es muss auch damit gerechnet werden können, dass der Adressat unter normalen Umständen alsbald nach Eintritt in seinen Machtbereich von der Sendung Kenntnis nimmt (A. Koller, vorne zit.). Dabei stellt sich die Frage, ob einzig auf die Verhältnisse eines Durchschnittsadressaten abzustellen ist oder ob die persönlichen Eigenschaften und Umstände des Adressaten zu berücksichtigen sind. Im Interesse der Rechtssicherheit sollte möglichst von persönlichen Elementen vollständig abstrahiert werden. Gemäss Staehelin/Vischer, Zürcher Kommentar, N 14 zu Art. 335 OR ist der Zeitpunkt entscheidend, in dem ein durchschnittlicher Arbeitnehmer Kenntnis nimmt. Insbesondere bei der "Ferien-Kündigung" kann jedoch der Grundsatz von Treu und Glauben verlangen, dass den persönlichen Umständen Rechnung getragen wird.
Kündigung an die Heimadresse
Der Arbeitgeber ist grundsätzlich nicht verpflichtet, die Kündigung an die Ferienadresse zu schicken. Selbst wenn ihm die Ferienadresse bekannt ist, darf der Arbeitgeber die Kündigung an die Heimadresse schicken. Verbringt der Arbeitnehmer die Ferien zu Hause, so gelten die normalen Zugangsmodalitäten, wie wenn er gearbeitet hätte.
Ist der Arbeitnehmer aber in die Ferien verreist, so ist zu unterscheiden, ob die Kündigungsabsicht bereits vor Ferienantritt vorhanden war oder nicht. War sie bereits vorhanden, und das wird die Regel sein, wird die an die Heimadresse gesandte Kündigung erst wirksam, «wenn der Arbeitnehmer infolge eines Nachsendeauftrages oder nach seiner Rückkehr in der Lage ist, die Kündigung zur Kenntnis zu nehmen» (Staehelin/Vischer, vorne zit.). Hat der Arbeitnehmer jedoch eigenmächtig Ferien bezogen, so wird die Kündigung bereits mit dem Zugang an der Heimadresse wirksam; bei einer Einschreibesendung mit der Bereitlegung zur Abholung bei der Post.
Hatte der Arbeitgeber vor dem Ferienantritt noch keine Kündigungsabsicht, so gilt die eingeschriebene Kündigung am letzten Tag der 7-tägigen Abholfrist bei der Post als zugestellt, falls der Arbeitnehmer nicht bereits vorher nach Hause zurückkehrt. Dabei hat der Arbeitgeber zu beweisen, was ihm nicht leichtfallen wird, dass vor dem Ferienantritt noch keine Kündigungsabsicht bestand resp. dass sie erst danach entstand. Der Arbeitnehmer hat «die nötigen Massnahmen (z.B. postalischer Nachsendeauftrag) zu treffen, um von einer allfällig an die Heimadresse geschickten Sendung Kenntnis zu erhalten» (A. Koller, vorne zit.).
Kündigung an die Ferienadresse
Es ist dem Arbeitgeber freigestellt, die Kündigung während den Ferien des Arbeitnehmers an dessen Ferienadresse zu senden. Tut er dies, dann gelten dort die normalen Zugangsmodalitäten. Vorbehalten sind Fälle des Rechtsmissbrauchs; so hat z.B. der Arbeitgeber den Wunsch des Arbeitnehmers, ihn an der Ferienadresse nicht mit einer Kündigung zu belästigen, nach Treu und Glauben zu respektieren (A. Koller, vorne zit.).
Folgerung
Aufgrund der möglichen Verzögerungen und der damit zusammenhängenden Rechtsunsicherheit betreffend des Zeitpunkts des Zugangs empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, rechtzeitig vor dem Ferienantritt zu kündigen. Ansonsten trägt er die möglichen Folgen eines allfälligen verspäteten Zugangs der Kündigung. Falls die Kündigungsabsicht erst während den Ferien entstand und der Arbeitnehmer die Ferien nicht zu Hause verbringt, könnte die Kündigung an die Ferienadresse, falls überhaupt bekannt, für den Arbeitgeber unter Umständen insoweit von Vorteil sein, als die Kündigung dem Arbeitnehmer früher zugeht und entsprechend wirksam wird.
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