Nicht selten werden Arbeitnehmer, insbesondere Kaderangestellte, gleichzeitig mit der Kündigung von der Arbeit freigestellt und somit von der Zurverfügungstellung ihrer Arbeitskraft entbunden, da eine Weiterbeschäftigung möglicherweise mehr Probleme mit sich bringen würde als eine sofortige Freistellung. Gemäss Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine solche Freistellung in der Regel zulässig, da grundsätzlich kein Recht auf Beschäftigung besteht.
Die Freistellung ist nicht gesetzlich geregelt und gibt somit immer wieder Probleme auf. Insbesondere ist oft unklar, ob bestehende Ferienguthaben mit der Freistellung abgegolten sind oder nicht. Mit dieser Frage u.a. hatte sich das Bundesgericht im Entscheid Nr. 4C.57/2001 vom 12. Februar 2002 zu befassen.
Beweislast
Es gilt folgende beweisrechtliche Grundregel: Wer einen Anspruch geltend macht, hat die rechtsbegründenden Tatsachen zu beweisen. Demgegenüber liegt die Beweislast für die rechtsvernichtenden oder rechtshindernden Tatsachen bei der Partei, welche den Untergang des Anspruchs behauptet oder dessen Entstehung oder Durchsetzbarkeit bestreitet. Das heisst für den vorliegenden Fall, dass der Arbeitnehmer sowohl die vertragliche Verpflichtung der Arbeitgeberin zur Gewährung von Ferien als auch ihr Entstehen durch die Dauer des Arbeitsverhältnisses zu beweisen hatte. Demgegenüber trug die Arbeitgeberin die Beweislast dafür, dass und wie viele Ferientage während der massgebenden Zeit vom Arbeitnehmer bezogen worden sind.
Ferienanspruch, Ferienlohn, Ferienbezug
Der Arbeitnehmer X. forderte von der Arbeitgeberin eine Entschädigung für nicht bezogene Ferien im Umfang von rund drei Monaten. Unbestritten ist, dass dem Arbeitnehmer für die gesamte Anstellungsdauer 145,41 Ferientage zustanden. Zudem besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, dass X. die ihm zustehenden Ferien nicht lückenlos bezogen hat. Die Arbeitgeberin hat eingeräumt, dass X. für die Jahre 1997 und 1998 einen Restferienanspruch von 14 Tagen hat. Indessen besteht eine erhebliche Wahrscheinlichkeit, dass X. auch in den früheren Jahren nicht alle Ferien bezogen hat. Da der genaue Umfang der nicht in natura bezogenen Ferien aus Beweisgründen nicht zuverlässig festgestellt werden kann, ist der dem Arbeitnehmer zu vergütende Entschädigungsanspruch in analoger Anwendung von OR 42/2 zu schätzen. Die richterliche Schätzung führte zum Ergebnis, dass X. insgesamt 40 Ferientage nicht bezogen hat.
Das Bundesgericht hält fest, dass der Anspruch auf Ferienlohn nur auf den „darauf entfallenden Lohn“ (OR 329d/1) geht, ohne dass ein Zuschlag von 25% nach OR 321c/3 geschuldet ist. Der Arbeitgeber legt zwar den Zeitpunkt fest, doch steht dem Arbeitnehmer ein Mitspracherecht zu. Die Mehrleistung ist insofern nicht als notwendige Überstundenleistung im Sinne des Gesetzes zu betrachten. Anders könnte es sich allenfalls verhalten, wenn bereits vereinbarte Ferien wegen auftretender Zusatzarbeiten verschoben werden müssen oder wenn der Arbeitgeber in bestimmten Zeiten aus betrieblichen Gründen die Anwesenheit des Arbeitnehmers verlangt und dadurch den Bezug der Ferien vereitelt.
X. war seit 1. März 1998 freigestellt und hat – noch vor Ablauf der Kündigungsfrist Ende Juli – am 1. Juli 1998 eine neue Arbeitsstelle angetreten. Gemäss Schätzung des Gerichts bestand noch ein Ferienguthaben von 40 Tagen. Zu prüfen galt es, ob die Ferientage mit der freien Zeit während der Freistellung zu kompensieren sind, selbst wenn keine entsprechende Anweisung des Arbeitgebers erfolgt. Gemäss Bundesgericht lässt sich aus der Treuepflicht des Arbeitnehmers ohne weiteres ein Gebot zur Kostenminderung ableiten. Zudem steht auch in der Zeit der Freistellung das Abgeltungsverbot im Vordergrund und der Arbeitnehmer hat die Interessen des Arbeitgebers insoweit zu wahren, als er die ihm zustehenden Ferientage nach Möglichkeit bezieht, ohne dass eine ausdrückliche Weisung des Arbeitgebers nötig ist, wobei die Arbeitssuche aber Vorrang hat. In zeitlicher Hinsicht lassen sich aber keine allgemeingültigen Aussagen machen. Massgebend ist das im Einzelfall gegebene Verhältnis der Freistellungsdauer zur Anzahl der offenen Ferientage. In der Lehre findet sich die Formulierung, wonach die Abgeltung ausser Betracht fällt, wenn die Freistellungsdauer den Restanspruch deutlich überschreitet. Im vorliegenden Fall hatte X. von März bis Ende Juni genügend Zeit, um neben der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle die noch offenen Ferientage zu beziehen. Ob der Monat Juli auch noch hätte mitgezählt werden dürfen ist jedoch fraglich, da X. auf den 1. Juli eine neue Arbeitsstelle angetreten hat.
Kommentar
Trotz dieses Bundesgerichtsentscheides empfiehlt es sich, den Bezug von Ferienguthaben während der Freistellungszeit mittels schriftlicher Bestätigung oder Vereinbarung zu regeln. In diesem Zusammenhang sei verwiesen auf den Musterbrief Freistellungsbestätigung im „Handbuch des Arbeitgebers“ Kapitel VI-B3.
Mit keiner Regel kann eine in jedem Fall sachgerechte Lösung erzielt werden. Die Frage der Abgeltung der Ferienansprüche durch Freistellung bedarf deshalb immer einer Beurteilung im Einzelfall.
Eine Kategorie wählen: