Ist die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses missbräuchlich, hat diejenige Partei, welche die Kündigung ausgesprochen hat, der anderen Partei eine Entschädigung auszurichten (OR 336a). Wer eine solche Entschädigung geltend machen will, muss gegen die Kündigung längstens bis zum Ende der Kündigungsfrist schriftlich Einsprache erheben (OR 336b/1). Schwierigkeiten bietet diese Bestimmung dann, wenn während der Probezeit die Kündigungsfrist gegenüber der gesetzlichen Vorgabe von sieben Tagen deutlich gekürzt oder gar „entfristet“ wird. Die Frage, welche Einsprachefrist in diesen Fällen gelten soll, hat das Bundesgericht im Entscheid 4A_347/2009 vom 16. November 2009 beantwortet.
Kündigung während der Probezeit
Die für die Probezeit gesetzlich vorgesehene Kündigungsfrist von sieben Tagen kann durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag anders vereinbart (OR 335b), das heisst verlängert, verkürzt oder sogar wegbedungen werden. Beim letzten Fall, der so genannten „entfristeten“ Kündigung, endet das Arbeitsverhältnis mit dem Zugang der Kündigung.
Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung (vgl. ARBEITSRECHT Nr. 110 – Februar 2008) kann eine Kündigung grundsätzlich auch während der Probezeit missbräuchlich sein. Dabei ist allerdings zu beachten, dass die Missbrauchsbestimmungen mit Blick auf den Zweck der Probezeit gegenüber einem Arbeitsverhältnis mit ordentlicher Kündigungsfrist nur einschränkend zur Anwendung gelangen. Ist die Kündigungsfrist vertraglich kürzer als auf sieben Tage festgelegt, stellt sich die Frage, bis wann die betroffene Person gültig Einsprache gegen eine missbräuchliche Kündigung erheben kann.
Frist der Einsprache
Nach herrschender Lehre ist die form- und fristgerechte Einsprache gegen die missbräuchliche Kündigung unabdingbar. Sie entfällt auch nicht, weil Einigungsverhandlungen angesichts der Haltung der Gegenpartei keinen Sinn ergeben. Wird die Einsprache nicht gültig erhoben, stimmt die Partei, der gekündigt worden ist, der Kündigung im Sinn einer unwiderlegbaren Vermutung zu. Massgebend für die Einhaltung der Frist gemäss OR 336b/1 ist nach herrschender Lehre der Zeitpunkt des Zugangs der Einsprache. Diese hat daher als empfangsbedürftige Willenserklärung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist zu erfolgen. Da OR 336b eine absolut zwingende Bestimmung ist, darf vertraglich weder zum Nachteil des Arbeitnehmers noch zum Nachteil des Arbeitgebers etwas anderes vereinbart werden.
Wird die Kündigungsfrist während der Probezeit gekürzt oder wegbedungen, verkürzt sich die Dauer der Einsprachefrist entsprechend. Besteht keine Kündigungsfrist und wird die Kündigung umgehend wirksam, ist es in der Tat unmöglich, eine schriftliche Einsprache zu erheben, die bis zum Ablauf der Kündigungsfrist beim Kündigenden eintrifft. Gemäss Bundesgericht dürfen die für die Einsprache aufgestellten Formvorschriften den Anspruch auf Entschädigung bei missbräuchlicher Kündigung nicht vereiteln. Es spricht sich aber – entgegen der Meinung der Vorinstanz – nicht für die schematische Anwendung einer siebentägigen Einsprachefrist aus in Fällen, in welchen die gesetzlich vorgesehene Kündigungsfrist verkürzt worden ist, denn diese würde auch Fälle erfassen, in denen es dem Arbeitnehmer möglich und zumutbar ist, innert der verkürzten Kündigungsfrist Einsprache zu erheben. Dies scheint aber mit Blick auf den vom Gesetz verfolgten Zweck der Rechtssicherheit und der Förderung einer gütlichen Einigung nicht gerechtfertigt. Darf vom Arbeitnehmer nach Treu und Glauben erwartet werden, innerhalb der verkürzten Frist zu reagieren, rechtfertigt es sich gemäss Bundesgericht nicht, eine Gesetzeslücke anzunehmen und vom klaren Wortlaut des Gesetzes abzuweichen. Eine Lücke besteht somit nur, wenn die Kündigungsfrist derart verkürzt oder gar wegbedungen ist, dass es dem Arbeitnehmer nicht möglich oder nicht zumutbar ist, fristgerecht Einsprache zu erheben.
Im zu beurteilenden Fall war während der Probezeit eine Kündigungsfrist von drei Tagen vereinbart. Zu prüfen galt es, ob es der Arbeitnehmerin anhand der gesamten Umstände möglich und zumutbar war, rechtzeitig Einsprache zu erheben. Das Bundesgericht ging davon aus, dass es der Arbeitnehmerin möglich und zumutbar gewesen wäre, innert der auf drei Tage verkürzten Kündigungsfrist Einsprache zu erheben. Das Gegenteil konnte die Arbeitnehmerin nicht darlegen und war auch nicht ersichtlich. Die Einsprache der Arbeitnehmerin erfolgte nicht innerhalb dieser drei Tage. Somit war die Einsprache nicht rechtzeitig erfolgt. Entsprechend stand der Arbeitnehmerin auch keine Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung zu.
Formulierung der Einsprache
An die Formulierung der Einsprache werden keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Es genügt, wenn die betroffene Partei gegenüber der kündigenden Person schriftlich zum Ausdruck bringt, mit der Kündigung nicht einverstanden zu sein. Die Einsprache muss nicht begründet werden, und in den allfälligen nachfolgenden Einigungsverhandlungen kann nicht verlangt werden, dass die Arbeitnehmerin darlegt, warum sie die Kündigung für missbräuchlich hält. Zweck dieser Verhandlungen ist lediglich die Einigung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses.
Ist die Einsprache gültig erfolgt und einigen sich die Parteien nicht über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, hat die Partei, der gekündigt worden ist, innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klage einzureichen, ansonsten ihr Anspruch verwirkt ist (OR 336b/2).
Kommentar
Dieser Entscheid des Bundesgerichts, bei vertraglich vereinbarter verkürzter Kündigungsfrist während der Probezeit aus Gründen der Rechtssicherheit nicht schematisch eine siebentägige Einsprachefrist anzuwenden, ist grundsätzlich zu begrüssen. Jedoch bleibt im konkreten Einzelfall die Rechtsunsicherheit, abzuschätzen, innert welcher Frist es dem Arbeitnehmer unter den gesamten Umständen möglich und zumutbar ist, Einsprache zu erheben.
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