Die Frage, welches Rechtsverhältnis zwischen der juristischen Person und ihren Organen besteht, wird in Lehre und Rechtsprechung unterschiedlich beantwortet. Sie wird vor allem im Zusammenhang mit den Mitgliedern des Verwaltungsrats behandelt, stellt sich aber in ähnlicher Weise auch für Direktoren und Vizedirektoren.
Die Lehre vertritt mehrheitlich die Auffassung, die Tätigkeit der obersten geschäftsführenden Organe einer juristischen Person beruhe auf einem mandatähnlichen Vertrag. Soweit allerdings die Tätigkeit hauptberuflich ausgeübt wird, zieht die Lehre auch das Vorliegen eines Arbeitsvertrages in Betracht. Ein Arbeitsvertrag wird in der Regel im Verhältnis zwischen der Gesellschaft und einem Direktor oder Vizedirektor gegeben sein.
Das Bundesgericht betrachtet tendenziell die Direktoren als Arbeitnehmer und die Verwaltungsräte als Beauftragte oder nimmt für diese das Bestehen eines mandatähnlichen Vertrages sui generis an. Bei der Qualifikation der Tätigkeit als selbständige oder unselbständige Arbeit ist Vorsicht geboten, da nicht für alle Rechtsgebiete die gleichen Kriterien massgebend sind. Besonderheiten gibt es insbesondere im Steuerrecht und in der Arbeitslosenversicherung. Es gilt deshalb die Beurteilung stets aufgrund des konkreten Einzelfalles vorzunehmen.
Entlassung eines Vizedirektors
Im BGE 128 III 129 vom 10. Dezember 2001 (Entscheid Nr. 4C.234/2001) hatte sich das Bundesgericht mit folgendem Sachverhalt zu befassen: X. war bereits Arbeitnehmer der Firma Y. bevor er die Organstellung als Vizedirektor erlangte und somit der Geschäftsleitung angehörte. Er stand auch als Mitglied der Geschäftsleitung in einem Subordinationsverhältnis und empfing Weisungen von den übergeordneten Direktoren und dem Verwaltungsrat. Im vorliegenden Fall bestand also zwischen X. und Y. ohne Zweifel neben der Organstellung auch ein Arbeitsverhältnis.
Das Arbeitsverhältnis mit X. wurde von dessen Vorgesetztem gekündigt. X. machte in erster Linie geltend, die Kündigung sei ungültig, weil ausschliesslich der Verwaltungsrat und nicht auch die Geschäftsleitung dafür zuständig gewesen sei. Zur Begründung bringt er vor, nach OR 716a/1 Ziffer 4 habe der Verwaltungsrat die unverzichtbare und unübertragbare Zuständigkeit zur Ernennung und Abberufung der mit der Geschäftsführung und der Vertretung beauftragten Personen.
Das Bundesgericht hatte also zu beurteilen, ob die gegenüber X. ausgesprochene Kündigung des Arbeitsverhältnisses gültig ist. Zur Erklärung einer Kündigung ist die Vertragspartei selbst oder ihr rechtmässiger Vertreter legitimiert. Bei einer juristischen Person kann die Kündigung sowohl durch ein zeichnungsberechtigtes Organ als auch durch eine bevollmächtigte Person erfolgen. Die Kündigung wurde im vorliegenden Fall vom Vorgesetzten des X. ausgesprochen. Diesem kam als Geschäftsleitungsmitglied umfassende Organqualität zu und seine Vertretungsbefugnis bezog sich auf alle Geschäfte, die der Zweck der Gesellschaft mit sich bringen kann (OR 718a). In diesen Kreis von Rechtshandlungen gehört ohne Zweifel die Anstellung und Entlassung von Mitarbeitern. Da weder ein Organisationsreglement noch der Verwaltungsrat diese Berechtigung beschränkt haben, war der Vorgesetzte von X. grundsätzlich ermächtigt, die Kündigung des Arbeitsverhältnisses auszusprechen. Die Zuständigkeit für die Kündigung war nicht, wie X. behauptete, auf den Verwaltungsrat beschränkt, obschon sich der schriftliche Vertrag dazu nicht ausdrücklich äusserte.
Ferner wendete X. ein, die Kündigung sei nur durch ein einziges Mitglied der Geschäftsleitung und entsprechend nicht rechtsgültig erfolgt, da die Geschäftsleitungsmitglieder ausschliesslich kollektivzeichnungsberechtigt seien. Das Bundesgericht argumentiert diesbezüglich wie folgt: Die Kündigung ist zwar bloss durch ein einzelnes kollektivzeichnungsberechtigtes Mitglied der Geschäftsleitung ausgesprochen worden, doch wurde das von X. verlangte Begründungsschreiben von zwei kollektivzeichnungsberechtigten Mitgliedern der Geschäftsleitung unterzeichnet. X. wehrte sich erst nach dessen Erhalt gegen die Kündigung und machte die fehlende Kollektivunterschrift erst später geltend. Somit bestand für ihn während der massgebenden Zeit keine durch die fehlende Zweitunterschrift begründete Unsicherheit über die Gültigkeit der Kündigung. Das Bundesgericht erachtete den Mangel als nachträglich geheilt und X. kann sich nicht auf eine davon herrührende Unwirksamkeit der Kündigung berufen.
Kommentar
Das klare Auseinanderhalten von Organstellung einerseits und Arbeitsverhältnis andererseits ist insofern von Bedeutung, als beispielsweise hinsichtlich der Anstellung und der Kündigung für das gesellschafts- und das arbeitsrechtliche Verhältnis unterschiedliche Regeln gelten. Namentlich gelten für die Beendigung des Arbeitsvertrages auch bei einem Gesellschaftsorgan die Vorschriften des Arbeitsvertragsrechts einschliesslich der Fristen und des Kündigungsschutzes. Es ist deshalb möglich, dass das Arbeitsverhältnis auch nach der Abberufung als Organ weiter besteht oder umgekehrt das Arbeitsverhältnis beendet ist und die Organstellung andauert.
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