Es kommt relativ häufig vor, dass ein Unternehmen über Weihnachten und Neujahr den Betrieb schliesst. In diesem Fall stellt sich die Frage, was mit der ausgefallenen Arbeitszeit geschehen soll. Dabei stehen zwei Möglichkeiten im Vordergrund. Entweder werden für diese Zeit Betriebsferien angeordnet oder die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter holen die entsprechende Zeit während des Jahres vor. Die Anordnung von Betriebsferien ist unproblematisch, wenn sie rechtzeitig erfolgt. Wesentlich komplizierter und unsicherer präsentiert sich die Situation, wenn die Zeit für Feiertagsbrücken vorgeholt wird, indem die tägliche Sollarbeitszeit um einige Minuten verlängert wird. Bei dieser so genannten Vorholzeit handelt es sich nicht um Überstundenarbeit, sondern um eine vertragliche teilweise Verlegung der Arbeitszeit. Arbeitsfrei gewordene Tage sind nicht zusätzliche Ferientage, sondern zusätzliche Freizeit.
Gesetzliche Bestimmungen
Das OR kennt keine Bestimmung über das Vor- bzw. Nachholen von Arbeitszeit. Hingegen sieht das Arbeitsgesetz (ArG) im Zusammenhang mit der wöchentlichen Höchstarbeitszeit eine Regelung zum Ausgleich ausfallender Arbeitszeit – z.B. bei Schliessung des Betriebes wegen Betriebsferien, bei Brücken zwischen Feiertagen oder bei Betriebsstörungen – vor. Die Vor- bzw. Nachholzeit darf, mit Einschluss der Überzeitarbeit, zwei Stunden pro Arbeitstag nicht überschreiten (ArG 11). Der Ausgleich ist gemäss ArGV1 24 unmittelbar vor oder nach dem Arbeitsausfall innerhalb von höchstens 14 Wochen vorzunehmen, ausser die Parteien vereinbaren eine längere Frist, die maximal zwölf Monate betragen darf. Gesetzliche Ruhe- und Ausgleichsruhezeiten stellen keine ausfallende Arbeitszeit dar und dürfen weder vor- noch nachgeholt werden.
Ein- und Austritt während des Jahres
Hier stellt sich die Frage, ob ein neu Eintretender die Vorholzeit bis zum Eintrittsdatum noch nachholen muss, beziehungsweise ob einem Austretenden die geleistete Vorholzeit ausbezahlt werden muss.
Ist nichts anderes vereinbart worden und wird Vorholzeit geleistet, z.B. für die Arbeitszeit zwischen Weihnachten und Neujahr, so ist diese bei einem Austritt im Laufe des Jahres dem Arbeitnehmer zusätzlich auszubezahlen. Dabei geht es nicht um Überstunden, so dass kein Zuschlag geschuldet und eine Überstundenregelung im Personalreglement nicht anwendbar ist (AGer ZH in JAR 1985 S. 138 sowie Entscheid AN970465 vom 5. Februar 1998). Es handelt sich dabei auch nicht um zusätzliche Ferientage.
Eine Vereinbarung in der Maschinenindustrie von 1978 sah vor, dass die Vorholzeit nicht als Überstundenarbeit gilt, jedoch als solche ausbezahlt wird, „wenn das Arbeitsverhältnis vor dem Tag, der auf diese Weise vorgeholt wurde, endet; vorbehalten bleiben andere, im gesamten gleichwertige betriebliche Regelungen.“ Ein dieser Vereinbarung unterstelltes Angestelltenreglement sah folgende Regelung vor: „Tritt ein Arbeitnehmer im Laufe des Jahres aus, verzichtet er auf die Bezahlung der geleisteten Vorholzeit, währenddem ein neu eintretender Arbeitnehmer die Vorholzeit nicht nachholen muss.“ Mit Entscheid des Arbeitsgerichts Zürich vom 13. Juli 1982, vom Obergericht bestätigt am 8. Dezember 1982, wurde dieses Vorholzeitsystem als nicht gegen die Vereinbarung in der Maschinenindustrie verstossend beurteilt. Ein gesamtarbeitsvertraglicher Vorholzeitplan für Festtagsbrücken muss für die Gesamtheit der betreffenden Mitarbeiter und nicht für einen einzelnen Arbeitnehmer gleichwertig sein (vgl. JAR 1983 S. 191).
Denkbar und rechtlich haltbar, jedoch administrativ umständlicher, wäre unseres Erachtens auch folgende Vereinbarung: Tritt ein Arbeitnehmer im Laufe des Jahres neu in den Betrieb ein, so kann vom ihm verlangt werden, dass er die von den anderen Mitarbeitern in diesem Jahr bereits geleistete Vorholzeit nachholt. Dazu kann z.B. im Januar bzw. bei einem späteren Eintritt eines Mitarbeiters die ganze vorzuholende Zeit als Minus-Gleitzeitsaldo erfasst werden, welcher dann nach und nach abgearbeitet wird. Tritt hingegen ein Arbeitnehmer im Laufe des Jahres aus, so ist ihm die bereits vorgeholte Zeit zum normalen Stundenansatz zu vergüten, falls sie nicht durch Freizeit kompensiert wird.
Krankheit, Unfall, Niederkunft oder Militärdienst während der Vorhol- oder Kompensationszeit
Besteht eine unverschuldete Arbeitsverhinderung wegen Krankheit, Unfall, Niederkunft oder Militärdienst während der Vorhol- oder Kompensationszeit, so stellt sich die Frage, ob die entsprechende Vorholzeit trotzdem gutgeschrieben wird bzw. ob die entsprechende Kompensationszeit trotzdem als bezogen gilt. Unseres Erachtens gibt es hier grundsätzlich zwei mögliche Regelungsvarianten.
Bei der ersten Variante wird einem Arbeitnehmer, der im Laufe des Jahres wegen Krankheit, Unfall, Niederkunft oder obligatorischem Militärdienst an der Arbeitsleistung verhindert ist, während dieser Absenz die Vorholzeit gleichwohl gutgeschrieben. Kann hingegen ein Arbeitnehmer wegen einem der genannten Gründe die Kompensationszeit nicht beziehen, so besteht kein Anspruch auf Nachbezug.
Bei der zweiten administrativ umständlicheren Variante wird einem Arbeitnehmer, der im Laufe des Jahres wegen Krankheit, Unfall, Niederkunft oder obligatorischem Militärdienst an der Arbeitsleistung verhindert ist, während dieser Absenz die Vorholzeit nicht gutgeschrieben. Kann hingegen ein Arbeitnehmer wegen einem der genannten Gründe die Kompensationszeit nicht beziehen, so besteht Anspruch auf Nachbezug.
Kommentar
Um Probleme zu vermeiden, empfiehlt sich eine schriftliche Regelung der Vorholzeit beispielsweise im Personalreglement. Dabei gilt es darauf zu achten, dass das gewählte Vorholzeitsystem für die Gesamtheit der betreffenden Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ausgewogen und gleichwertig ist, und dies sowohl hinsichtlich der Regelung der Ein- und Austritte während des Jahres als auch hinsichtlich allfälliger Arbeitsverhinderungen während der Vorhol- oder Kompensationszeit.
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