Grundsatz der Gleichbehandlung

1. Juni 2004

Grundsatz der Gleichbehandlung

Im schweizerischen Arbeitsvertragsrecht gibt es keinen allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz. Der das Privatrecht beherrschende Grundsatz der Vertragsfreiheit lässt es grundsätzlich zu, Vertragspartner nach selber aufgestellten Kriterien ungleich zu behandeln. Es gibt jedoch Grenzen. Einerseits ist das Diskriminieren einzelner Arbeitnehmer oder einzelner Arbeitnehmerkategorien verboten. Andererseits kann sich ein Anspruch auf Gleichbehandlung daraus ergeben, dass sich ein Arbeitnehmer auf die Auslegung eines Arbeitsvertrages verlassen darf, welchen die Arbeitgeberin in ihrer betrieblichen Praxis anwendet. So wird insbesondere ein grosses Unternehmen, welches vorformulierte und entsprechend für die Arbeitnehmer gleichlautende Arbeitsverträge verwendet, kaum geltend machen können, eine Vertragsklausel habe es im konkreten Einzelfall anders verstanden als in anderen Fällen.

Es gibt aber einzelne Bereiche, in denen ein gesetzlicher Anspruch auf Gleichbehandlung besteht, so insbesondere bei der Gleichstellung von Frau und Mann gemäss Gleichstellungsgesetz und beim Paritätslohn im Heimarbeitsgesetz. Zudem besteht ein verfassungsmässiger Anspruch von Mann und Frau auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit (BV 8 III). Die Rechtsprechung zur Lohngleichbehandlung geht sehr weit und ist problematisch, wird aber in dieser Ausgabe nicht behandelt.

Allgemeiner Gleichbehandlungsanspruch?

Soweit eine vertragliche Regelung vorliegt, ist vom Grundsatz der Vertragsfreiheit als einem der tragenden Pfeiler der privatrechtlichen Grundfreiheiten auszugehen (OR 19). Mit Bezug auf den vereinbarten Vertragsinhalt sind danach beliebige Differenzierungen zwischen den einzelnen Arbeitnehmenden erlaubt. Verhandelt ein Arbeitnehmer schlechter als seine Kollegen, so hat er die sich daraus ergebenden schlechteren Arbeitsbedingungen grundsätzlich hinzunehmen. Soweit es um freiwillige Sozialleistungen und Zulagen geht, finden sich in der Lehre und teilweise auch in der Rechtsprechung Einschränkungen und Vorbehalte gegenüber einer Ungleichbehandlung von Angestellten des gleichen Arbeitgebers. Solche Einschränkungen lassen sich aber stets nur sehr punktuell rechtfertigen. Das Argument, der Arbeitgeber habe sich von angeblich „sachfremden Motiven“ leiten lassen, bedeutet nicht ohne weiteres, dass die ungleiche Behandlung als rechtswidrig erscheint. Es gehört zum Wesen der privatautonomen Vertragsfreiheit, selber zu bestimmen, welche Motive als „sachgemäss“ anzusehen sind. Diesen Grundsatz schränkt die Rechtsordnung allerdings durch gewisse besondere Regelungen ein, wie sie etwa im Gleichstellungsgesetz oder im Heimarbeitsgesetz zu finden sind.

In der Lehre wird aus der Pflicht des Arbeitgebers, die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu schützen (OR 328) und aus dem Persönlichkeitsschutz (ZGB 28) auf einen allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz geschlossen. Zu beachten ist allerdings, dass auch eine unsachliche und willkürliche Entscheidung des Arbeitgebers nur dann eine Persönlichkeitsverletzung und damit einen Verstoss gegen das individuelle Diskriminierungsverbot darstellen kann, wenn darin eine den Arbeitnehmer verletzende Geringschätzung seiner Persönlichkeit zum Ausdruck kommt. Eine solche kann von vornherein nur gegeben sein, wenn ein Arbeitnehmer gegenüber einer Vielzahl von anderen Arbeitnehmern deutlich ungünstiger gestellt wird, nicht jedoch, wenn der Arbeitgeber bloss einzelne Arbeitnehmer besser stellt. BGE 129 III 276.

Gleichstellungsgesetz

Das Gleichstellungsgesetz sieht ein umfassendes Diskriminierungsverbot vor und schränkt die Vertragsfreiheit insofern ein. Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer dürfen auf Grund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, namentlich nicht unter Berufung auf den Zivilstand, auf die familiäre Situation oder, bei Arbeitnehmerinnen, auf eine Schwangerschaft. Das Verbot gilt insbesondere für die Anstellung, Aufgabenzuteilung, Gestaltung der Arbeitsbedingungen, Entlöhnung, Aus- und Weiterbildung, Beförderung und Entlassung.

Verletzt eine Nichtanstellung das Gleichstellungsgebot, so hat die betroffene Person lediglich Anspruch auf eine Entschädigung. Ein durchsetzbarer Anspruch auf Anstellung besteht nicht.

Auch eine diskriminierende Kündigung beendet grundsätzlich das Arbeitsverhältnis, ohne dass die Möglichkeit besteht, gegen den Willen des Arbeitgebers die Kündigung rückgängig zu machen. Eine Ausnahme bildet die so genannte Rachekündigung. Ist sie während oder innert sechs Monaten nach einem Verfahren wegen einer Diskriminierung ausgesprochen worden, kann sie angefochten werden.

Die Inhaltsfreiheit ist insofern eingeschränkt, als diskriminierende Arbeitsbedingungen nichtig sind und durch einen nicht diskriminierenden Inhalt ersetzt werden.

Heimarbeitsgesetz

Der Anwendungsbereich des Heimarbeitsgesetzes ist beschränkt auf gewerbliche und industrielle Heimarbeit. Vorgeschrieben wird hier ein so genannter Paritätslohn. Dabei handelt es sich lediglich um eine Mindestlohnbestimmung. Daraus lässt sich nicht eine Pflicht ableiten, alle Heimarbeitnehmende des gleichen Betriebes gleich zu entlöhnen.

Kommentar

Zu beachten ist, dass beispielsweise ein nur einzelne Arbeitnehmer begünstigendes Verhalten des Arbeitgebers zur Folge haben kann, dass auch davon nicht erfasste Arbeitnehmer nach Treu und Glauben auf eine stillschweigende Vertragsänderung zu ihren Gunsten schliessen dürfen. Dann muss die Arbeitgeberin diese nur einzelnen Arbeitnehmern zugedachte begünstigende Behandlung auch den andern zukommen lassen, weil sie nach Treu und Glauben als vertraglich vereinbart anzusehen ist. Diese Auswirkung könnte verhindert werden, indem der Arbeitgeber im konkreten Fall schriftlich festhält, dass dieses begünstigende Verhalten nur für den betroffenen Arbeitnehmer Geltung hat.

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