2. August 2004
Nicht selten wird eine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses mit einer gleichzeitigen Freistellung des Arbeitnehmers von der Arbeit verbunden. Das Arbeitsverhältnis wird dadurch nicht sofort beendet. Die Freistellung eines Arbeitnehmers bewirkt lediglich, dass dieser von seiner Arbeitsleistung befreit ist. Die übrigen Rechte und Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis sind hingegen von der Freistellung nicht betroffen und bleiben bis zur rechtlichen Beendigung des Vertrages bestehen, so insbesondere auch das Recht des Arbeitnehmers auf den zeitlichen Kündigungsschutz. Wann hat ein Arbeitnehmer seinen Arbeitgeber über das Vorliegen eines Grundes, welcher eine Sperrfrist auslöst, zu informieren? Hat der Arbeitnehmer, insbesondere bei einem längeren Aufschub, seine Arbeitsleistung wieder anzubieten? Wie sieht es mit der Lohnzahlung aus? Mit diesen Fragen hatte sich das Bundesgericht im Entscheid Nr. 4C.259/2003 vom 2. April 2004 zu befassen.
Sachverhalt
Ein Arbeitgeber hat einer Sekretärin rechtsgültig am 6. März auf den 31. Mai 2001 wegen einer „incompatibilité d’humeur évidente“ gekündigt. Die Arbeitnehmerin wurde gleichzeitig von der Arbeit freigestellt. Vom 20. Mai bis 23. Juni 2001 war die Arbeitnehmerin arbeitsunfähig, was einen Aufschub der Kündigungsfrist bewirkte. Am 13. September – das Arbeitsverhältnis wäre auf Grund des Aufschubs im überjährigen Arbeitsverhältnis eigentlich am 31. Juli beendet gewesen – teilte die Arbeitnehmerin dem Arbeitgeber mit, dass sie schwanger war und verlangte ihre Weiterbeschäftigung. Tatsächlich hatte die Arbeitnehmerin bereits seit mehr als drei Monaten Kenntnis von ihrer Schwangerschaft. Mit Blick auf den Kündigungsgrund kam der Arbeitgeber ihrer Forderung nach Weiterbeschäftigung nicht nach.
Zeitlicher Kündigungsschutz, Anbieten der Arbeitsleistung
Das Bundesgericht hält vorerst fest, dass kein Zweifel besteht, dass das Arbeitsverhältnis, welches vom Arbeitgeber auf den 31. Mai 2001 gekündigt worden ist, auf Grund der in die Kündigungsfrist fallenden Krankheit bzw. Schwangerschaft verlängert worden ist. Dies ungeachtet der Tatsache, dass die Arbeitnehmerin den Arbeitgeber erst mehr als drei Monate nach Kenntnis ihrer Schwangerschaft darüber informiert hat. Dieser Aufschub des Arbeitsverhältnisses gemäss OR 336c/2 und 3 ändert nichts an den Rechten und Pflichten der Vertragsparteien. Der Arbeitnehmer hat also, sobald er wieder arbeitsfähig ist, seine Arbeitsleistung anzubieten. Tut er dies nicht, befindet er sich im Verzug und der Arbeitgeber ist gestützt auf OR 82 berechtigt, die Lohnzahlung zu verweigern.
Andererseits gerät der Arbeitgeber gemäss OR 324/1 wie folgt in Verzug: „Kann die Arbeit infolge Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeit in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist.“ Der Verzug setzt in der Regel voraus, dass der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung angeboten hat. Ist der Arbeitnehmer jedoch vom Arbeitgeber freigestellt worden, hat er seine Arbeitsleistung in der Regel nicht mehr anzubieten. Dies wäre ohne Zweifel dann der Fall gewesen, wenn das Arbeitsverhältnis auf Grund der Krankheit der Arbeitnehmerin nur bis am 31. Juli 2001 verlängert worden wäre. Gemäss Bundesgericht ist es allerdings zweifelhaft, dass sich die Arbeitnehmerin bei einer beträchtlichen Verlängerung wie durch eine Schwangerschaft immer dem Anbieten ihrer Arbeitsleistung entziehen kann. In einem solchen Fall ist es tatsächlich vorstellbar, dass der Arbeitgeber seine Meinung ändert und die Arbeitnehmerin wieder beschäftigen möchte. Im vorliegenden Fall hat der Arbeitgeber aber auf die Weiterbeschäftigung der Arbeitnehmerin als Sekretärin verzichtet. Auch lässt nichts darauf schliessen, dass ein Arbeitsangebot bereits Ende Juni 2001 eine andere Antwort des Arbeitgebers gebracht hätte. Obschon in OR 91 nicht explizit erwähnt, setzt der Verzug des Schuldners tatsächlich voraus, dass der Gläubiger in der Lage und bereit ist, die Leistung zu erbringen. Da die Arbeitnehmerin im Sommer 2001 bzw. während der strittigen Zeit zu 100% arbeitsunfähig war, ist ein Verzug des Arbeitgebers ausgeschlossen. Somit hatte die Arbeitnehmerin erst ab dem 13. September 2001, an dem sie ihre Arbeitsleistung angeboten hat, Anspruch auf Lohnfortzahlung nach OR 324/1.
Zeitpunkt der Mitteilung
Der Gesetzgeber hat keine Frist vorgesehen, innert welcher der Arbeitnehmer den Arbeitgeber über das Vorliegen eines Grundes, welcher eine Sperrfrist auslöst, zu informieren hat. Obschon im vorliegenden Fall die Arbeitnehmerin mit der Mitteilung ihrer Schwangerschaft an den Arbeitgeber mehr als drei Monate zugewartet hat, bewirkte die Schwangerschaft den Aufschub der Kündigungsfrist und entsprechend die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses.
Kommentar
Die Tatsache, dass das Bundesgericht die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses auf Grund der Krankheit bzw. Schwangerschaft der Arbeitnehmerin als unbestreitbar angesehen hat, ist bedauerlich, denn diese Frage war gar nicht strittig. Dass die Arbeitnehmerin mehrere Monate warten kann, bevor sie den Arbeitgeber über einen Grund informiert, welcher die Kündigungsfrist aufschiebt, ist zudem sowohl hinsichtlich der Rechtssicherheit als auch in Bezug auf das Verbot des Rechtsmissbrauchs unbefriedigend.
Obschon die Fälle selten sind, in denen die Kündigungsfrist so lange aufgeschoben wird wie durch Schwangerschaft und Mutterschaft, gilt es bei der Formulierung der Freistellung vorsichtig zu sein und allenfalls einen expliziten Vorbehalt in einer Freistellungsvereinbarung oder –bestätigung vorzusehen. Eine mögliche Klausel könnte z.B. wie folgt lauten: „Sie sind per sofort absolut von der Arbeit freigestellt. Wir behalten uns aber vor, Sie wieder zur Arbeit aufzubieten, falls eine in die Kündigungsfrist fallende Sperrfrist das Arbeitsverhältnis beträchtlich verlängert, selbstverständlich unter Berücksichtigung einer allfälligen bereits begonnen neuen Beschäftigung.“
Weitere Informationen zur Freistellung finden Sie im „Handbuch des Arbeitgebers“ im Kapitel IV-4 sowie in der Publikation „Arbeitsrecht“ Nr. 44.
Eine Kategorie wählen: