Diskriminierungsfreier Lohn

3. Oktober 2016

Diskriminierungsfreier Lohn

Das Thema von tieferen Frauenlöhnen gegenüber Männerlöhnen ist ungebrochen aktuell. Hinsichtlich einer Diskriminierung relevant sind dabei jedoch nur die nicht durch objektive Faktoren wie z.B. Dienstalter, Ausbildung, Berufs- und Führungserfahrung, Hierarchiestufe etc. erklärbaren Lohndifferenzen. Anlass zu der vorliegenden Ausgabe gibt ein Fall (BGE 142 II 49), in dem die Beschwerdeführerin eine Lohnnachzahlung geltend machte, da sowohl ihrem Amtsvorgänger als auch ihrem Amtsnachfolger ein höherer Lohn ausbezahlt worden sei als ihr selber. Da die Beschwerdeführerin eine Lohndiskriminierung glaubhaft machen konnte, musste der Arbeitgeber (Kanton Basel-Landschaft) aufgrund der Beweislastumkehr den vollen Beweis für die geschlechtsdiskriminierungsfreie Einreihung der Beschwerdeführerin erbringen, was ihm auch gelang.

Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit

Gemäss Art. 8 Abs. 3 der Bundesverfassung (BV) haben Mann und Frau Anspruch auf gleichen Lohn für gleiche oder gleichwertige Arbeit. Der Begriff der gleichwertigen Arbeit umfasst nicht bloss ähnliche, das heisst gleichartige Arbeiten, sondern bezieht sich darüber hinaus in Zusammenhang mit indirekten Lohndiskriminierungen auch auf Arbeiten unterschiedlicher Natur. Nach Art. 3 Abs. 1 des Gleichstellungsgesetzes (GlG) dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden. Dieses Verbot gilt gleichermassen für öffentlichrechtliche wie für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse. Eine besoldungsmässige Diskriminierung kann sich sowohl aus der generellen Einstufung bestimmter Funktionen als auch aus der konkreten Entlöhnung einer bestimmten Person im Vergleich mit Personen des anderen Geschlechts ergeben.

Gemäss GlG 6 wird bezüglich der Entlöhnung eine Diskriminierung vermutet, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird. Das Bundesgericht erachtet bei Lohndifferenzen zwischen 15 und 25 Prozent eine Lohndiskriminierung als glaubhaft. Wurde eine Lohndiskriminierung im Sinne von GlG 6 glaubhaft gemacht, ist der Arbeitgeber zum Nachweis verpflichtet, dass die geringere Entlöhnung in Wirklichkeit nicht geschlechtsdiskriminierend, sondern durch sachliche Gründe gerechtfertigt ist.

Vergleich mit dem Lohn des Vorgängers

Bei ihrem Stellenantritt war die Beschwerdeführerin (Dienststellenleiterin des kantonalen Personalamts) 45 Jahre alt. Die Einreihung erfolgte in der Lohnklasse 6, Erfahrungsstufe 4. Der bei seinem Amtsantritt 41-jährige Vorgänger wurde in die Lohnklasse 6, Erfahrungsstufe 5 eingereiht und verdiente rund 8,6 Prozent mehr als die Beschwerdeführerin. Damit war die Lohndiskriminierung nicht glaubhaft gemacht. Gemäss Bundesgericht galt es aber auch den Schlusslohn des Vorgängers zum Vergleich beizuziehen. Es kann aber nicht verlangt werden, dass ein Amtsnachfolger bei Stellenantritt den gleichen Lohn wie sein Vorgänger erhalten soll. Doch muss sich die Differenz bezogen auf Funktion und Erfahrung im Rahmen halten. Eine vorliegende Lohndifferenz von mehr als 40 Prozent zwischen dem Schlusslohn des Vorgängers und dem Anfangslohn der Beschwerdeführerin für die gleiche Stelle scheint jedoch erheblich zu sein. Somit scheint aufgrund der gesamten Umstände gemäss Bundesgericht eine Diskriminierung glaubhaft gemacht.

Vorliegend rechtfertigte sich diese Lohnungleichheit aufgrund der unterschiedlichen Ausbildung der beiden Stelleninhaber. Während der Vorgänger über einen juristischen Studienabschluss (lic. iur.) und das Anwaltspatent verfügte, wies die Beschwerdeführerin eine Berufslehre mit Nachdiplomstudium an einer Fachhochschule aus. Eine bessere Ausbildung kann ein Kriterium für eine höhere Entlöhnung sein, sofern diese Ausbildung vom Arbeitsplatz gefordert oder für die Arbeit, die verrichtet werden muss, von Nutzen ist, was hier der Fall war. Die Unterschiede in der Ausbildung zwischen Beschwerdeführerin und Amtsvorgänger vermochten daher eine geschlechtsspezifische Lohnungleichheit zu rechtfertigen. Aufgrund der Funktionsänderung im Laufe der Anstellung wurde der Amtsvorgänger in die Lohnklasse 5 und später in die Lohnklasse 4 befördert. Die Beschwerdeführerin hingegen wurde aufgrund von gewonnener Berufserfahrung und damit einhergehender Funktionserweiterung in die Lohnklasse 5 befördert, dies zwei Jahre früher als bei ihrem Vorgänger. Die Beschwerdeführerin konnte aber nicht begründen, dass sie über eine umfassendere Berufs- und Führungserfahrung verfügt hätte als ihr Amtsvorgänger und damit dessen bessere Ausbildung zumindest teilweise kompensiert hätte. Somit war es dem Kanton als Arbeitgeber gelungen, mit Bezug auf den Amtsvorgänger den Beweis für eine nicht im Geschlecht der Beschwerdeführerin begründete Schlechterstellung der Entlöhnung zu erbringen.

Vergleich mit dem Lohn des Nachfolgers

Der Anfangslohn des Amtsnachfolgers entsprach etwa dem Schlusslohn der Beschwerdeführerin. Selbst wenn der Anfangslohn der Beschwerdeführerin teuerungsbedingt angepasst wird, resultiert eine Lohndifferenz von über 15 Prozent zu Gunsten des männlichen Nachfolgers. Somit war eine Diskriminierung glaubhaft gemacht.

Der Amtsnachfolger (Jg. 1959) wurde in die Lohnklasse 5, Erfahrungsstufe 10 eingereiht. Sein Anfangslohn war damit gleich hoch wie der Schlusslohn der Beschwerdeführerin. Der Nachfolger erhielt zudem noch eine sachlich und objektiv begründete Gewinnungszulage in der Höhe von 6,5 Prozent. Somit war der Anfangslohn des Nachfolgers 26,7 Prozent höher als derjenige der Beschwerdeführerin. Ohne Gewinnungszulage wäre die Differenz rund 15 Prozent zugunsten des Nachfolgers. Aufgrund der Neubewertung der Kaderstellen kam für den Nachfolger jedoch lediglich eine Einstufung in die Lohnklasse 5 oder 4 in Betracht. Diese Neuordnung stellte ein objektives Kriterium dar, das einen höheren Anfangslohn gegenüber demjenigen der Beschwerdeführerin rechtfertigte. Die Differenz von 6 Erfahrungsstufen entspricht in der Lohnklasse 5 rund 10,8 Prozent. Sie ist durch die Altersdifferenz (+7 Jahre) und die grössere Berufs- und Führungserfahrung begründet. Da der Amtsnachfolger die Stelle bereits nach 1,5 Jahren wieder verliess, war ein Vergleich mit der weiteren Lohnentwicklung nicht möglich. Zusammenfassend lag also auch im Vergleich mit dem Amtsnachfolger keine Lohndiskriminierung vor.

Kommentar

Je nach Studie oder Analyse werden die nicht durch objektive Faktoren erklärbaren Lohndifferenzen sehr unterschiedlich beurteilt und beziffert, nämlich zwischen etwa 15 Prozent und etwa 2 Prozent. Mit zusätzlichem Detailierungsgrad der Daten nimmt der unerklärte Teil der Lohndifferenzen zwischen den Geschlechtern ab. Hinzu kommt, dass statistische Analysen über Arbeitgeber mit 50 bis 100 Angestellten nur schon wegen der geringen Datenmenge ungenau und fragwürdig sind. Ob die nicht erklärbaren Lohndifferenzen in jedem Fall als Diskriminierung zu werten sind, wie es der Bundesrat offenbar tut, scheint fragwürdig.

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