Damit ein Bonus als (freiwillige) Gratifikation zu qualifizieren ist und nicht als Lohnbestandteil, muss die Gewährung im Ermessen des Arbeitgebers liegen und der Bonus muss im Verhältnis zum Lohn akzessorisch sein. Im Entscheid 4A_520/2012 vom 26. Februar 2013 hat das Bundesgericht nun seine bisherige Rechtsprechung wie folgt präzisiert: Bei Einkommensverhältnissen, in denen der Fixlohn nicht nur bei Weitem die Kosten für einen angemessenen Lebensunterhalt des Arbeitnehmers, sondern auch den Durchschnittslohn um ein Vielfaches übersteigt, ist das Verhältnis der Höhe einer Sondervergütung zum Fixlohn ohne Bedeutung, d.h. das Kriterium der Akzessorietät spielt in diesen Fällen keine Rolle.
Sachverhalt
Dem eingangs erwähnten Entscheid lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Der Vertrag eines Wertschriftenhändlers der Credit Suisse sah einen Fixlohn von Fr. 207‘550.– und einen Performance Incentive Bonus von Fr. 3‘100‘000.– vor. Letzterer teilte sich in einen Cash-Anteil von Fr. 1‘807‘744.– und einen Performance Incentive Plan (PIP) von Fr. 1‘292‘256.– auf. Zusätzlich wurde dem Arbeitnehmer ein Longevity Premium Award (LPA) in der Höhe von Fr. 323‘064.– in Aussicht gestellt. Beim PIP handelt es sich um ein aktienbasiertes Vergütungsprogramm. Es war vorgesehen, dass die PIP-Anteile über einen Zeitraum von fünf Jahren (so genannte Vesting-Periode) gesperrt bleiben, wobei der Arbeitnehmer erst nach Ablauf der Laufzeit über den gesperrten Aktienbonus verfügen kann (Aufschubklausel). Während dieser Dauer können die Anteile linear zu 20% pro Jahr „gevestet“ werden, d.h. der Anteil wird für den Arbeitnehmer unentziehbar. Bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Ablauf der Sperrfrist, verliert der Arbeitnehmer die nicht „gevesteten“ PIP-Anteile (Verfallklausel). Da der Arbeitnehmer mit diesem neuen Vergütungssystem nicht einverstanden war, kündigte er das Arbeitsverhältnis. In der Folge wurde dem Arbeitnehmer zum Fixlohn lediglich der Cash-Anteil des Bonus ausbezahlt, nicht jedoch die PIP- und LPA-Anteile.
Ermessen des Arbeitgebers
Da der Begriff des Bonus im Obligationenrecht nicht definiert ist, ist im Einzelfall zu prüfen, ob ein vereinbarter Bonus als Gratifikation im Sinn von OR 322d oder als Lohnbestandteil zu qualifizieren ist. Die Gratifikation zeichnet sich gegenüber dem Lohn dadurch aus, dass sie zum Lohn hinzutritt und immer in einem gewissen Mass vom Willen des Arbeitgebers abhängt. Die Gratifikation wird damit ganz oder zumindest teilweise freiwillig ausgerichtet. Dies ist anzunehmen, wenn dem Arbeitgeber zumindest bei der Festsetzung der Höhe ein Ermessen zusteht. Ein solches Ermessen ist zu bejahen, wenn die Höhe des Bonus nicht nur vom Erreichen eines bestimmten Geschäftsergebnisses, sondern zudem auch von der subjektiven Einschätzung der persönlichen Arbeitsleistung durch den Arbeitgeber abhängig gemacht wird.
Der Arbeitnehmer war der Ansicht, der aufgeschobene Aktienbonus bzw. die PIP-Anteile müssten als Gewinnanteil im Sinn vom OR 322a qualifiziert werden. Die Vorinstanz war nicht dieser Meinung und hat unter Würdigung der Zeugenaussagen festgestellt, dass es keinen Schlüssel bzw. keine Formel für die Aufteilung oder die Berechnung des Bonus gegeben habe. Es sei ein Bonuspool für die ganze Bank gebildet worden, der auf verschiedene Einheiten verteilt worden sei. Die Bonuszuteilung auf die einzelnen Divisionen, dann auf die einzelnen Abteilungen und schliesslich auf die einzelnen Mitarbeiter sei eine reine Ermessenssache und demnach vom Willen des Arbeitgebers abhängig gewesen. Gemäss Bundesgericht schliesst eine Qualifikation des Bonus als Gratifikation nicht aus, dass der Bonus in gewissem Mass auch vom Erreichen eines bestimmten Geschäftsergebnisses abhängig gemacht wird. Dass für die Berechnung des Bonus bzw. der PIP-Anteile jedoch ausschliesslich das Geschäftsergebnis massgebend gewesen wäre respektive dass vertraglich vereinbart worden wäre, dass der Bonus ausschliesslich auf einer klaren Prozentzahl am Gesamtergebnis basiere, fand in den Feststellungen der Vorinstanz keine Stütze. Somit war die Rüge der Verletzung von OR 322a unbegründet und die Vorinstanz hat den Bonus bzw. die PIP-Anteile zu Recht als Gratifikation qualifiziert.
Präzisierung der Rechtsprechung
Der Arbeitnehmer machte im Weiteren geltend, dass die Sondervergütungen im Verhältnis zum Fixlohn nicht mehr akzessorisch seien. Gemäss bisheriger Rechtsprechung des Bundesgerichts muss eine Gratifikation – um den Charakter einer Sondervergütung zu wahren – im Verhältnis zum Lohn akzessorisch sein. Sie basiert auf der Überlegung, dass es dem Arbeitgeber verwehrt sein soll, die eigentliche Vergütung des Arbeitnehmers in Form einer (freiwilligen) Gratifikation auszurichten. Der Lohn stellt einen notwendigen und wesentlichen Vertragsbestandteil eines arbeitsvertraglichen Arbeitsverhältnisses dar, womit der Arbeitgeber zur Zahlung eines Lohnes verpflichtet ist. Es ist demnach nicht zulässig und widerspricht dem Sinn der Norm, wenn die Gratifikation – als freiwillige, vom Wohlwollen und Ermessen des Arbeitgebers abhängige Sondervergütung – das ausschliessliche oder hauptsächliche Entgelt des Arbeitnehmers darstellt. Vgl. dazu die Publikation ARBEITSRECHT Nr. 65 – Mai 2004.
Diese Rechtsprechung hat das Bundesgericht nun im eingangs erwähnten Entscheid wie folgt präzisiert: Sobald der eigentliche Lohn ein Mass erreicht, das die wirtschaftliche Existenz des Arbeitnehmers bei Weitem gewährleistet bzw. seine Lebenshaltungskosten erheblich übersteigt, kann die Höhe der Gratifikation im Verhältnis zum Lohn kein tragbares Kriterium mehr sein, um über den Lohncharakter der Sondervergütung zu entscheiden. Bei derartigen Einkommensverhältnissen, die nicht nur bei Weitem die Kosten für einen angemessenen Lebensunterhalt des Arbeitnehmers, sondern auch den Durchschnittslohn um ein Vielfaches übersteigen, lässt sich ein Eingriff in die Privatautonomie der Parteien durch ein entsprechendes Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers nicht legitimieren. Es besteht kein Anlass mehr, mit Mitteln des Arbeitsrechts korrigierend zu Gunsten des Arbeitnehmers in das Verhältnis zwischen geschuldetem Lohn und der im Ermessen des Arbeitgebers stehenden zusätzlichen (freiwilligen)Entschädigung einzuschreiten. Unter diesen Voraussetzungen ist gemäss Bundesgericht das Verhältnis der Höhe dieser Sondervergütung zum Fixlohn ohne Bedeutung. Somit kann nach dem Gesagten bei einem Jahreslohn von über zwei Millionen Schweizerfranken als Entgelt für eine vollzeitige Arbeitsleistung der Schutzgedanke für die Qualifikation zusätzlicher Leistungen des Arbeitgebers keine Bedeutung mehr haben. Somit waren die PIP-Anteile in der Höhe von Fr. 1‘292‘256.– von der Vorinstanz zu Recht als Gratifikation qualifiziert worden.
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