Das Bundesgericht hat diesbezüglich seine Praxis angepasst und klargestellt. Nach wie vor ist es nur ausnahmsweise zulässig, den Ferienlohn nicht im Zeitpunkt des effektiven Ferienbezugs auszuzahlen, sondern mit dem laufenden Lohn. Zulässig ist dies nur, wenn es sich um eine unregelmässige Tätigkeit handelt. Im aktuellen Urteil 4A_357/2022 hat das Bundesgericht nun festgehalten, dass es bei Vollzeitbeschäftigungen keine Ausnahme mehr gibt und es immer unzulässig ist, den Ferienlohn mit dem laufenden Lohn auszuzahlen.
Ferienlohn im Zeitpunkt des Ferienbezugs
Der Arbeitgeber hat dem Arbeitnehmer für die Ferien den gesamten darauf entfallenden Lohn zu entrichten (OR 329d). Diese zwingende Bestimmung will sicherstellen, dass der Arbeitnehmer im Zeitpunkt, in dem er die Ferien tatsächlich bezieht, auch über das notwendige Geld verfügt, um diese sorgenfrei verbringen zu können. Es soll ihm ermöglicht werden, sich zu erholen, ohne durch den Lohnausfall davon abgehalten zu werden. Darum ist der Ferienlohn grundsätzlich dann auszuzahlen, wenn die Ferien tatsächlich bezogen werden. Oder mit anderen Worten ist es an sich nicht statthaft, den Ferienlohn in die regulären Lohnzahlungen einzurechnen bzw. diesen zuzuschlagen.
Ferienlohn mit dem laufenden Lohn
Zu der genannten Regel, wonach es grundsätzlich nicht statthaft ist, den Ferienlohn in die regulären Lohnzahlungen einzurechnen bzw. diesen zuzuschlagen, lässt das Bundesgericht eine Ausnahme zu. Demnach können Ferienansprüche ausnahmsweise mit dem laufenden Lohn abgegolten werden, wenn es sich:
Bei diesen Voraussetzungen ist die Rechtsprechung streng: Sind nicht alle drei erfüllt, riskiert der Arbeitgeber, dass er den Ferienlohn nachzahlen und somit doppelt bezahlen muss.
Unregelmässige Tätigkeit
In der Praxis hat folgende Rechtsfrage zentrale Bedeutung: Wann ist eine Tätigkeit als unregelmässig zu qualifizieren? Diese Frage lässt sich nicht einfach beantworten. Es gibt weder in der Lehre noch in der Rechtsprechung klare Kriterien, wann eine konkrete Tätigkeit als unregelmässig zu qualifizieren ist und wann nicht. Im Urteil 4A_31/2021 hat das Bundesgericht, soweit ersichtlich erstmals, konkrete Zahlenangaben gemacht. Es hielt nämlich fest, dass bei 35 von 56 analysierten Lohnabrechnungen eine Differenz von 10% oder mehr (bis 25%) zum Vormonat bestanden hatte und dass unter diesen Umständen von einer unregelmässigen Tätigkeit auszugehen ist. Dies gibt für den Praxisalltag einen gewissen Anhaltspunkt. Doch jeder Einzelfall ist wieder neu zu beurteilen mit der entsprechenden Rechtsunsicherheit für den Arbeitgeber. Insbesondere wenn die monatlichen Differenzen kleiner sind als im genannten Urteil, wird eine Einschätzung oder ein Ratschlag schwierig und allenfalls mit einem gewissen Risiko verbunden sein. Sind hingegen die monatlichen Differenzen in der gleichen Grössenordnung wie im genannten Urteil oder liegen sie sogar darüber, kann von einer unregelmässigen Tätigkeit ausgegangen werden. Unbedeutend für die Qualifizierung als unregelmässige Tätigkeit ist, ob ein Monats- oder ein Stundenlohn vereinbart wurde.
So weit so gut, doch damit ist zu diesem Thema noch nicht alles gesagt. Die Rechtsprechung hatte sich nämlich auch noch mit der Frage zu befassen, ob auch bei Vollzeitbeschäftigungen eine unregelmässige Tätigkeit vorliegen kann. Dies wurde vor zwanzig Jahren vom Bundesgericht in einem sehr speziellen Einzelfall bei einer zu 100% angestellten Nachtwache bejaht (Urteil 4C.90/2003): Es könne vom Arbeitgeber im konkreten Fall aufgrund der unterschiedlichen, monatlich zu planenden Einsatzzeiten der Arbeitnehmerin als Nachtwächterin nicht erwartet werden, den auf die Ferien entfallenden Lohnanteil während des ganzen Jahres fortlaufend zu berechnen oder eine komplizierte jährliche Abrechnung vorzunehmen. Daher sei die Vergütung der Ferienansprüche mit dem laufenden Lohn ausnahmsweise zulässig.
Kürzlich hat nun aber das Bundesgericht mit dem Urteil 4A_357/2022 seine Praxis angepasst und Folgendes klargestellt: Im Hinblick auf die heute zur Verfügung stehenden Softwareangebote und Zeiterfassungssysteme erscheine eine dem Gesetz entsprechende Berechnung des Ferienlohns auch bei monatlichen Schwankungen des Lohns nicht mehr unzumutbar. Das Bundesgericht hat somit für 100%-Beschäftigungen bei derselben Arbeitgeberin festgehalten, dass die bisher in der Rechtsprechung angeführten praktischen Schwierigkeiten infolge unregelmässiger Arbeitszeiten als Rechtfertigungsgrund entfallen. In solchen Fällen ist eine Ausnahme vom klaren Gesetzestext und somit auch die Auszahlung des Ferienlohns mit dem laufenden Lohn unzulässig.
Auswirkungen für die Praxis
Bei Teilzeitbeschäftigungen ist es sehr ratsam, genau abzuklären, ob es sich um eine unregelmässige Beschäftigung handelt. Kann dies im konkreten Einzelfall gestützt auf die Rechtsprechung klar bejaht werden, ist eine Ausrichtung mit dem laufenden Lohn zulässig. Dabei ist es aber wichtig, dass auch die beiden genannten formellen Voraussetzungen erfüllt sind, um nicht eine Nachzahlung zu riskieren. Ist eine unregelmässige Beschäftigung eher zu verneinen, kann eine Zwischenlösung sinnvoll sein, bei welcher der Ferienlohnanteil monatlich berechnet, auf einem buchhalterischen Konto gutgeschrieben und dann im Zeitpunkt des effektiven Ferienbezugs ausbezahlt wird. Diese Vorgehensweise entspricht in jedem Fall einer gesetzeskonformen Auszahlung des Ferienlohns.
Bei Vollzeitbeschäftigungen bei derselben Arbeitgeberin ist eine Auszahlung des Ferienlohns mit dem laufenden Lohn immer unzulässig. Auch hier kann in der Praxis die oben genannte Zwischenlösung sinnvoll und zielführend sein.
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