Wird einem Arbeitnehmer während der Probezeit unbezahlter Urlaub gewährt, hat dies keine Verlängerung der Probezeit zur Folge. Zu diesem Schluss kam das Bundesgericht am 14. Oktober 2010 im Entscheid BGE 136 III 562. Nicht entschieden hat das Bundesgericht jedoch die Frage, ob eine schriftliche Vereinbarung, welche die Verlängerung der Probezeit durch einen unbezahlten Urlaub vorsieht, rechtsgültig wäre.
Höchstdauer drei Monate
Bei einem unbefristeten Arbeitsverhältnis gilt von Gesetzes wegen der erste Monat als Probezeit. Durch schriftliche Abrede, Normalarbeitsvertrag oder Gesamtarbeitsvertrag kann eine abweichende Vereinbarung getroffen werden. Die Probezeit kann so verkürzt oder sogar ganz wegbedungen aber auch verlängert werden, allerdings höchstens auf insgesamt drei Monate. Eine Verlängerung hat jedoch vor Ablauf der gesetzlichen einmonatigen Probezeit zu erfolgen. Es ist unbestritten, dass es sich bei diesen drei Monaten um eine absolute Höchstdauer handelt, die auch nicht durch schriftliche Vereinbarung mit dem Arbeitnehmer verlängert werden kann. Haben die Vertragsparteien trotzdem eine längere Probezeit schriftlich vereinbart, so ist diese Vereinbarung insoweit ungültig, als sie die gesetzliche Höchstdauer von drei Monaten überschreitet. Das heisst in diesem Fall würde für eine im 4. Anstellungsmonat ausgesprochene Kündigung die minimale Kündigungsfrist von einem Monat gelten.
Verlängerung bei effektiver Verkürzung der Probezeit
Dem eingangs erwähnten Entscheid des Bundesgerichts lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Die Vertragsparteien hatten eine dreimonatige Probezeit vereinbart, welche am 9. Oktober 2008 zu laufen begann. Vom 7. Dezember 2008 bis am 12. Januar 2009 bezog die Arbeitnehmerin einen bewilligten unbezahlten Urlaub. Am 29. Januar 2009 kündigte der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis auf den 2. Februar 2009 unter Einhaltung der für die Probezeit vereinbarten Kündigungsfrist von drei Tagen. Der Arbeitgeber machte geltend, die Probezeit sei durch den unbezahlten Urlaub verlängert worden, und somit sei seine Kündigung noch während dieser verlängerten Probezeit ausgesprochen worden. Obschon die Arbeitnehmerin zu diesem Zeitpunkt schwanger war, sei die Kündigung deshalb rechtsgültig erfolgt. Die Arbeitnehmerin machte Nichtigkeit der Kündigung geltend, da nach Ablauf der Probezeit während einer Sperrfrist ausgesprochen.
Das Gesetz sieht drei Fälle vor, in denen die gesetzliche oder vertraglich abgeänderte Probezeit automatisch verlängert wird, und zwar gegebenenfalls auch über die Höchstdauer von drei Monaten hinaus. Dies ist dann der Fall, wenn die Probezeit infolge von Krankheit, Unfall oder der Erfüllung einer nicht freiwillig übernommenen gesetzlichen Pflicht wie Militär-, Zivil- oder Schutzdienst effektiv verkürzt wird. Dabei müssen Krankheit und Unfall nicht unverschuldet sein, um zu einer Verlängerung zu führen. Die Verlängerung der Probezeit erfolgt um die Anzahl (ganzer) Arbeitstage, die wegen dem effektiven Arbeitsausfall weggefallen sind. Bei der Berechnung der Probezeit ist gemäss Bundesgericht die Dauer des Arbeitsverhältnisses (der Zeitraum) entscheidend und nicht die geleistete Arbeit. So verlängert eine Teilzeitbeschäftigung die Probezeit nicht. Das Bundesgericht ist zudem wie die verbreitete Lehre der Ansicht, dass auch Ferien nicht von der Probezeit abgezogen werden können und somit keine Verlängerung zur Folge haben. Betreffend unbezahltem Urlaub führt das Bundesgericht aus, dass dieser zwar bewirkt, dass die vertraglichen Hauptleistungen (Arbeitsleistung und Lohnzahlung) ruhen, das Arbeitsverhältnis aber weiterläuft und dadurch nicht unterbrochen wird. Deshalb rechtfertigt es sich nicht, bei der Berechnung der Probezeit den unbezahlten Urlaub anders zu behandeln als bezahlte Ferien. Und da die gesetzliche Aufzählung, welche den unbezahlten Urlaub nicht einschliesst, abschliessend ist, kam das Bundesgericht zum Schluss, dass ein unbezahlter Urlaub die Probezeit nicht von Gesetzes wegen verlängert. Diese Schlussfolgerung hat somit für alle nicht explizit im Gesetz genannten Arbeitsabsenzen zu gelten.
Ausdehnung auf weitere Fälle von Arbeitsabsenzen
Nicht entschieden hat das Bundesgericht die Frage, ob eine schriftliche Vereinbarung, welche die Verlängerung der Probezeit durch einen unbezahlten Urlaub vorsieht, überhaupt rechtsgültig wäre. Es hat lediglich, aber immerhin, folgende Bemerkung gemacht: „On relèvera d’ailleurs qu’un éventuel accord des parties relatif à la prolongation du temps d’essaie n’a pas été établi.“. Wie ist diese Aussage zu interpretieren? Wir sind der Ansicht, dass diese Bemerkung völlig unangebracht und sinnlos wäre, wenn das Bundesgericht nicht davon ausgehen würde, dass eine entsprechende vertragliche Regelung zulässig wäre. In der Lehre sind die Meinungen kontrovers. Einerseits gibt es Autoren, für welche die Bestimmung trotzdem, auf Grund der abschliessenden gesetzlichen Regelung, zwingend ist, und die eine vertragliche Abänderung zu Ungunsten der Arbeitnehmer nicht über die maximale Dauer der Probezeit von drei Monaten hinaus zulassen. Andererseits gibt es Autoren, welche die Ansicht vertreten, dass eine Verlängerung der Probezeit vertraglich auch für weitere Fälle von Arbeitsabsenzen vorgesehen werden kann, und zwar auch über die Höchstdauer von drei Monaten hinaus.
Kommentar
Die Probezeit dient dazu, sich gegenseitig kennenzulernen. Dies ist aber während Arbeitsabsenzen nicht möglich. Eine Vereinbarung über die Verlängerung der Probezeit auf Grund von Arbeitsabsenzen liegt grundsätzlich im Interesse beider Vertragsparteien. Zudem ist die Bestimmung OR 335b/III nicht unter den in OR 361 und 362 aufgelisteten zwingenden Vorschriften des Gesetzes aufgeführt, von denen gar nicht oder nicht zum Nachteil des Arbeitnehmers abgewichen werden darf. Wir vertreten deshalb die Meinung, dass die Vertragsparteien schriftlich eine Verlängerung der Probezeit, und zwar auch über die Höchstdauer von drei Monaten hinaus, für weitere Fälle von Arbeitsabsenzen vereinbaren können wie z.B. für unbezahlten Urlaub, Ferien (inklusive Betriebsferien), Urlaub für ausserschulische Jugendarbeit, Fernbleiben von der Arbeit auf blosse Anzeige hin während der Schwangerschaft oder Absenzen für die Betreuung kranker Kinder gemäss Arbeitsgesetz.
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