Sexuelle Belästigung

Der Arbeitgeber ist gesetzlich verpflichtet, die Persönlichkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu achten und zu schützen (OR 328). Diese Bestimmung ist mit dem Inkrafttreten des Gleichstellungsgesetzes (GlG) per 1. Juli 1996 insofern ergänzt worden, als der Arbeitgeber insbesondere dafür zu sorgen hat, dass die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht sexuell belästigt werden und dass den Opfern von sexuellen Belästigungen keine weiteren Nachteile entstehen. Das GlG regelt lediglich die Haftung des Arbeitgebers und nicht auch jene der Person, welche die sexuelle Belästigung ausführt.

Begriff der sexuellen Belästigung

GlG 4 nennt insbesondere Drohungen, das Versprechen von Vorteilen, das Auferlegen von Zwang und das Ausüben von Druck zum Erlangen eines Entgegenkommens sexueller Art. Diese Aufzählung ist weder abschliessend noch konkret. Zentrales Element ist dabei immer die Unerwünschtheit des Verhaltens. Deshalb hat sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz nichts mit einem Flirt zu tun. Formen sexueller Belästigung können u.a. sein:

  • Anzügliche oder peinliche Bemerkungen
  • Sexistische Sprüche oder Witze
  •  Aufdringliche Blicke
  • Bemerkungen über körperliche Vorzüge oder Schwächen
  • Vorzeigen, aufhängen oder auflegen von pornografischem Material
  • Zweideutige Aufforderungen
  • Unerwünschter Körperkontakt
  • Annäherungsversuche verbunden mit Versprechen von Vorteilen oder Androhungen von Nachteilen
  • Erzwingen sexueller Beziehungen
  • Sexuelle und körperliche Übergriffe, Nötigung oder Vergewaltigung.

Das Bundesgericht hat im BGE 126 III 395 bestätigt, dass sich alle in GlG 4 genannten Beispiele auf Fälle von Autoritätsmissbrauch beziehen, diese Aufzählung jedoch nicht abschliessend ist und sexistische Sprüche sowie anzügliche oder peinliche Bemerkungen unter den Begriff der sexuellen Belästigung fallen. Dies auch dann, wenn die Handlungen nicht aus einem Autoritätsmissbrauch hervorgingen, sondern zu einem feindseligen Arbeitsklima beitragen und die Würde der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer angreifen würden. Im zu beurteilenden Fall zirkulierten unter dem Personal "des histoires osées", der Direktor nannte einmal im Sekretariat "toutes des salopes" und fragte die Klägerin in Anwesenheit einer neuen Mitarbeiterin, ob sie lesbisch sei. Zudem hat sich auch ein anderer Mitarbeiter in einer derben Art und Weise an die Klägerin gewandt. Für das Bundesgericht war dadurch der Tatbestand der sexuellen Belästigung erfüllt.

Sorgfaltspflicht des Arbeitgebers und Entlastungsbeweis

Der Arbeitgeber hat zu beweisen, dass er Massnahmen getroffen hat, die zur Verhinderung sexueller Belästigungen nach der Erfahrung notwendig und angemessen sind und die ihm billigerweise zugemutet werden können (GlG 5/3). Welche Massnahmen im einzelnen zu treffen sind, wird im Gesetz nicht gesagt. Im erwähnten Fall setzte die Klägerin den Verwaltungsratspräsidenten von den Vorkommnissen in Kenntnis. Anstatt Massnahmen zu treffen, um den beanstandeten Verhalten ein Ende zu setzen und weitere unangemessene Verhalten zu verhindern, begnügte sich dieser mit der Ankündigung einer Untersuchung durch die Direktion, welche von der Klägerin ebenfalls beschuldigt worden war. Das Bundesgericht erachtete diese Massnahme als keinesfalls angemessen und der Arbeitgeber konnte somit den Entlastungsbeweis nicht erbringen.

Entschädigung

Falls dem Arbeitgeber der Entlastungsbeweis nicht gelingt, kann ihn das Gericht bei einer Diskriminierung durch sexuelle Belästigung verurteilen, der betroffenen Person eine Entschädigung von maximal sechs Bruttomonatslöhnen, basierend auf dem schweizerischen Durchschnitt der betreffenden Branche, zu bezahlen (GlG 5/3 und 4). Unter Würdigung aller Umstände verurteilte das Bundesgericht den Arbeitgeber im vorliegenden Fall zur Bezahlung eines Monatslohnes in der Höhe von Fr. 4988.-.

Reglement zum Schutz vor sexueller Belästigung

Wenn der Arbeitgeber sich schützen will vor allfälligen Forderungen, ist er gut beraten, wenn er schriftliche Regeln zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz aufstellt. Eine solche Regelung, sei es als Teil eines Personalreglementes oder in einem separaten Dokument, könnte folgenden Inhalt haben:

Grundsatzerklärung des Arbeitgebers und Verhalten der Betroffenen

Das Unternehmen verurteilt jegliche sexuelle Belästigungen am Arbeitsplatz. Diese sollen durch die Massnahmen und Sanktionen dieses Reglementes verhindert werden. Von sexueller Belästigung kann nur gesprochen werden, wenn das entsprechende Verhalten einer Person von der anderen Person nicht erwünscht wird. Sexuelle Belästigungen sind z.B.: ........... (vgl. eingangs aufgeführte Liste). Betroffene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen den belästigenden Personen klar zu verstehen geben, dass sie sich belästigt fühlen und das betreffende Verhalten unerwünscht ist.

Präventive Massnahmen

Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden über dieses Reglement zum Schutz vor sexueller Belästigung am Arbeitsplatz informiert. Je nach Schwere der Belästigung werden folgende Sanktionen verhängt: schriftliche Entschuldigung bei der betroffenen Person, mündlicher oder schriftlicher Verweis eventuell mit Kündigungsandrohung, Versetzung, ordentliche Kündigung, fristlose Entlassung.

Beschwerdeverfahren

Betroffene Personen haben Anspruch auf Beratung und Unterstützung durch eine Vertrauensperson (Frau X bzw. Herr Y). Dazu gehören Informationen über das informelle und formelle Beschwerdeverfahren sowie die zivil- und strafrechtlichen Möglichkeiten. Alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben das Recht, im Falle von sexueller Belästigung am Arbeitsplatz Beschwerde einzureichen und eine Untersuchung zu verlangen.


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