Der Begriff „Mobbing“ (psychische Belästigung) ist in der heutigen Arbeitswelt weit verbreitet. Doch nicht alles, was als „Mobbing“ bezeichnet wird, ist wirklich Mobbing. Gemäss Bundesgericht gilt es zu beachten, dass Mobbing auch nur imaginär sein kann oder von Arbeitnehmern sogar missbräuchlich geltend gemacht wird, um zu versuchen, sich gegen – gerechtfertigte – Bemerkungen und Massnahmen des Arbeitgebers zu schützen (Entscheide 4C.109/2005 vom 31. Mai 2005, 4C.343/2003 vom 13. Oktober 2004, 2P.39/2004 vom 13. Juli 2004 und 2P.207/ 2002 vom 20. Juni 2003).
Definition
Mobbing kann umschrieben werden als systematisches, ohne begründeten Anlass erfolgendes feindliches Verhalten mit dem Zweck, eine Person am Arbeitsplatz zu isolieren, auszugrenzen oder sogar vom Arbeitsplatz zu entfernen. Es handelt sich dabei um ein Ausstossverhalten (belästigen, beleidigen, ungerechtfertigt kritisieren, lächerlich machen, schikanieren, ignorieren, ausgrenzen, usw.), das von einzelnen oder allen Mitarbeitern ausgeht und nicht vom Betroffenen verursacht ist. Mobbing liegt jedoch nur vor, wenn die Mobbing-Handlungen wiederholt und regelmässig (mindestens einmal pro Woche) über einen längeren Zeitraum (ein halbes Jahr und mehr) erfolgen. Das Opfer ist oft in einer Situation, wo jede einzelne nachgewiesene Handlung eventuell noch als erträglich angesehen werden kann, während dem die Gesamtheit der Handlungen eine Destabilisierung der Persönlichkeit verursacht, die bis hin zur Eliminierung der betreffenden Person vom Arbeitsplatz führen kann. Es wird unterschieden zwischen dem „absteigenden Mobbing“ (ein Vorgesetzter mobbt einen Untergebenen), dem „horizontalen Mobbing“ (unter hierarchisch gleichgestellten Mitarbeitern), dem „gemeinsamen Mobbing“ (ausgehend von Vorgesetzten und gleichgestellten Mitarbeitern) und dem „aufsteigenden Mobbing“ (untergebene Mitarbeiter mobben einen Vorgesetzten).
Rechtsgrundlage
Die aktuelle Gesetzgebung enthält keine ausdrücklichen Vorschriften zum Mobbing. Im BGE 125 III 70 hat das Bundesgericht festgehalten, dass Mobbing an sich nicht ohne weiteres den Missbrauch des Kündigungsrechts begründet. Denkbar ist allerdings, dass eine Kündigung etwa dann missbräuchlich sein kann, wenn sie wegen einer Leistungseinbusse des Arbeitnehmers ausgesprochen wird, die sich ihrerseits als Folge des Mobbing erweist. Denn die Ausnutzung eigenen rechtswidrigen Verhaltens bildet einen typischen Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchs. Der Arbeitgeber, der Mobbing nicht verhindert, verletzt seine Fürsorgepflicht gemäss OR 328. Er kann daher die Kündigung nicht mit den Folgen seiner eigenen Vertragsverletzung, hier der Fürsorgepflicht, rechtfertigen. Nach OR 328 hat der Arbeitgeber die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. So hat er alle Eingriffe in die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu unterlassen, die nicht durch den Arbeitsvertrag gerechtfertigt sind und er hat im Rahmen des Arbeitsverhältnisses entsprechende Eingriffe von Vorgesetzten, Mitarbeitern oder Dritten (Kunden, Lieferanten, usw.) abzuwehren.
Imaginäres Mobbing
Gemäss Bundesgericht handelt es sich nicht um Mobbing einzig auf Grund der Tatsache, dass ein Konflikt im Arbeitsverhältnis oder ein schlechtes Arbeitsklima im Unternehmen herrscht. Mobbing ist ein Arbeitskonflikt, das Umgekehrte gilt jedoch nicht: es kann auch Arbeitskonflikte ohne Mobbing geben. Ebenfalls liegt kein Mobbing vor, wenn von einem Mitarbeiter verlangt wird, seine arbeitsvertraglichen Pflichten einzuhalten, auch wenn dies dringlich, wiederholt und nötigenfalls sogar mit der Androhung von disziplinarischen Massnahmen oder einer Kündigung erfolgt. Auch nicht um Mobbing handelt es sich nach Bundesgericht, wenn ein Vorgesetzter nicht immer vollständig den ihm obliegenden Pflichten gegenüber seinen Untergebenen nachkommt, insbesondere wenn der beschuldigte Vorgesetzte bei seinen Entscheiden eine gewisse Ungeschicklichkeit an den Tag legt oder es ihm an Feingefühl mangelt. Das Bundesgericht fügt noch hinzu, dass sich das Mobbing nicht aus einer einzelnen feindlichen Handlung oder aus einigen isolierten Verhaltensweisen ergeben kann, auch wenn letztere ein Präjudiz begründen oder eine echte Persönlichkeitsverletzung des Arbeitnehmers bilden. Es ist deshalb nicht willkürlich, davon auszugehen, dass eine oder sogar zwei feindliche Handlungen nicht genügen, um damit ein Mobbing zu begründen.
Zu den Besonderheiten des Mobbing gehört es, dass dieses im Allgemeinen schwierig zu beweisen ist, so dass man eventuell seine Existenz basierend auf verschiedenen Indizien, die in die gleiche Richtung zielen, annehmen muss. Dabei ist gemäss Bundesgericht jedoch zu beachten, dass das Mobbing auch nur imaginär sein kann oder von Arbeitnehmern sogar missbräuchlich geltend gemacht wird, um zu versuchen, sich gegen – gerechtfertigte – Bemerkungen und Massnahmen des Arbeitgebers zu schützen.
Mobbing ist keine Krankheit und somit keine in den Kompetenzbereich eines Arztes fallende Diagnose. Die Frage, ob Mobbing vorliegt, ist eine reine Rechtsfrage. Es ist zu prüfen, ob ein Arbeitgeber seine in OR 328 verankerte Fürsorgepflicht verletzt. Im konkreten Fall vom 2. September 2004 vor dem Obergericht des Kantons Thurgau (ZBR.2004.44) ging es darum, dass eine ärztlich bescheinigte Arbeitsunfähigkeit bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses mit der vom Patienten geschilderten Mobbing-Situation begründet wurde. Das Gericht kam zum Schluss, dass sich die Grundlage der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit – das behauptete Mobbing – als unbegründet erwies, die Arztzeugnisse darum keine rechtsgenügliche Aussagekraft hatten und der Arbeitgeber somit für diese Zeit nicht lohnfortzahlungspflichtig war.
Kommentar
Es empfiehlt sich für den Arbeitgeber, präventive Massnahmen zur Verhinderung von Mobbing zu treffen. Dazu gehört die Information der Mitarbeiter, insbesondere diejenigen des Kaders und der Personalabteilung, was unter Mobbing zu verstehen ist, dass Mobbing nicht toleriert wird und welche arbeitsrechtlichen Konsequenzen damit verbunden sind. Zudem sollte auch darüber informiert werden, an wen sich die Arbeitnehmer im Falle von Mobbing wenden können. Am besten geschieht dies mit der Aufnahme einer entsprechenden Bestimmung im Arbeitsvertrag bzw. Personalreglement oder der Abgabe eines Informationsblattes.
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