Jeu, 1 août 2013
Arbeitgeber schliessen teilweise mit demselben Arbeitnehmer aus unterschiedlichen Gründen mehrere befristete Arbeitsverträge ab, sei es aufeinander folgend oder mit Unterbrüchen. Diese Anstellungsformen sind zwar grundsätzlich zulässig, haben aber ihre Grenzen. Zulässig sind sie nur, wenn ein sachlicher Grund und somit keine Gesetzesumgehung vorliegt. Die Beantwortung der Frage, ob tatsächlich ein sachlicher Grund für solche Anstellungsformen besteht, ist im konkreten Einzelfall vorzunehmen und oft schwierig. Liegt kein sachlicher Grund vor, hat dies in der Regel zur Folge, dass die Befristung unbeachtlich ist und das Arbeitsverhältnis als unbefristetes behandelt wird, mit allen seinen Rechtsfolgen.
Kettenarbeitsverträge
Wird ein befristetes Arbeitsverhältnis nach Ablauf der vereinbarten Dauer stillschweigend fortgesetzt, so gilt es als unbefristetes Arbeitsverhältnis (OR 334/2). Da diese Gesetzesbestimmung dispositiv ist, kann ein befristetes Arbeitsverhältnis auch durch ein befristetes Arbeitsverhältnis fortgesetzt werden. Dazu bedarf es aber einer entsprechenden klaren Vereinbarung durch die Vertragsparteien. Werden mehrere befristete Arbeitsverträge aneinandergereiht, spricht man von Kettenarbeitsverträgen. Kettenarbeitsverträge sind grundsätzlich zulässig. Sie dürfen aber nach Lehre und Rechtsprechung nicht zu einer Gesetzesumgehung führen.
Keine Gesetzesumgehung
In der arbeitsrechtlichen Literatur und Rechtsprechung wird die Gesetzesumgehung noch überwiegend als Anwendungsfall des Rechtsmissbrauchsverbots (ZGB 2/2) behandelt. Gemäss Bundesgericht liegt dann kein Rechtsmissbrauch vor, wenn für den Abschluss mehrerer aufeinander folgender befristeter Verträge ein sachlicher Grund besteht und diese ungewöhnliche Vertragsgestaltung nicht bezweckt, die Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen über die Kündigungsfristen (OR 335a-c), über die Kündigung zur Unzeit (OR 336c-d), über die Lohnfortzahlung bei Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung (OR 324a), über die Abgangsentschädigung (OR 339b) oder über die Personalfürsorgeeinrichtung (OR 331a und b) zu verhindern. In der neueren Lehre wird jedoch eine solche Umgehungsabsicht nicht mehr verlangt. Diese ist schon als nachgewiesen zu betrachten, wenn für den Abschluss mehrerer aufeinander folgender befristeter Verträge kein sachlicher Grund ersichtlich ist.
Sachlicher Grund
In der Regel liegt gemäss Bundesgericht kein Rechtsmissbrauch vor, wenn sich lediglich zwei befristete Arbeitsverträge folgen. Das bedeutet mit anderen Worten, dass in der Regel erst für den dritten befristeten Arbeitsvertrag ein sachlicher Grund vorliegen muss. Die Anzahl Arbeitsverträge ist aber nicht ausschliessliches Kriterium zur Bestimmung, ob Rechtsmissbrauch vorliegt oder nicht. Es ist also nicht gänzlich ausgeschlossen, dass bereits der Abschluss eines zweiten befristeten Arbeitsvertrags unter besonderen Umständen als rechtsmissbräuchlich beurteilt werden könnte.
Es ist jeweils im konkreten Einzelfall eine Einschätzung vorzunehmen, ob tatsächlich ein sachlicher Grund dafür vorliegt, nach einem befristeten Vertrag oder nach bereits mehreren befristeten Verträgen noch einen weiteren befristeten Vertrag abzuschliessen. Die Gerichtspraxis dazu ist vielfältig, aber natürlich auch immer nur bezogen auf den konkreten Einzelfall. Ein sachlicher Grund liegt beispielsweise vor, wenn der Arbeitnehmer wünscht, nur bis zu einem bestimmten Zeitpunkt angestellt zu sein. Auch sachliche Gründe bestehen etwa bei der Anstellung von Berufssportlern oder Lehrkräften mit Semester- oder Schuljahranstellungen. Kein sachlicher Grund ist hingegen der Wunsch des Arbeitgebers nach mehrfacher Erprobung für die gleiche oder ähnliche Tätigkeit, denn nach dem Willen des Gesetzgebers sind die maximal drei Monate Probezeit genug. Ebenfalls unzulässig ist das Aneinanderreihen von jeweils auf einen Monat befristet abgeschlossenen Arbeitsverträgen auf Grund der unsicheren Auftragslage.
Rechtsfolge einer Gesetzesumgehung
Liegt kein sachlicher Grund vor und ist somit eine Gesetzesumgehung anzunehmen, so ist die Befristung unbeachtlich und das Arbeitsverhältnis wird als unbefristetes behandelt. Das bedeutet insbesondere, dass das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist gekündigt werden muss. Dies kann aber frühestens auf den Ablauf der Befristung geschehen, es sei denn, die Parteien hätten ausdrücklich eine Kündigungsmöglichkeit auf einen früheren Zeitpunkt im letzten befristeten Vertrag vorgesehen. Zudem ist auch der gesetzliche Kündigungsschutz mit den Sperrfristen zu berücksichtigen.
Mehrere befristete Arbeitsverträge mit Unterbrüchen
Problematisch ist auch, wenn zwischen den einzelnen befristeten Verträgen mehr oder weniger grosse Unterbrüche bestehen. Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob ein Unterbruch mittels Befristung einzig dazu dient, Gesetzesnormen zu umgehen, oder ob ein sachlicher Grund für den Unterbruch vorliegt. Das Bundesgericht stellt primär auf den Willen der Parteien ab, wobei längere Unterbrüche vermuten lassen, es werde ein neuer Vertrag abgeschlossen. Als sachliche Gründe anerkannt werden etwa die Anstellung von Künstlern bei produktionsbezogenen Bühnenengagements, saisonale Anstellungen und die Anstellung von Aushilfs- oder Gelegenheitsarbeitern. Bei Letzteren besteht jedoch eine Rechtsunsicherheit, wenn diese Anstellungsform länger als ein Jahr dauert. Dann kann das Vertrauen des Arbeitnehmers in den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses auf Abruf unter Umständen nach Treu und Glauben geschützt werden.
Kommentar
Eine Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse mittels befristeter Verträge kann wünschenswert sein. Jedoch ist die vorzunehmende Interessenabwägung für die Beurteilung, ob tatsächlich ein sachlicher Grund für ein Aneinanderreihen – mit oder ohne Unterbrüchen – von mehreren befristeten Verträgen vorliegt, oft nicht eindeutig und es besteht eine Unsicherheit, wie ein Gericht entscheiden würde. Empfehlenswert ist in jedem Fall die Beurteilung durch einen Arbeitsrechtsspezialisten, bevor ein weiterer befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen wird.
Auch wenn ein sachlicher Grund für den Abschluss mehrerer befristeter Verträge vorliegt, sind die zwingenden gesetzlichen Bestimmungen, die an die Anstellungsdauer anknüpfen, einzuhalten, ausser es liegt ein längerer Unterbruch vor. Das heisst beispielsweise, dass gemäss OR 324a ab Beginn des insgesamt vierten Anstellungsmonats eine Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei krankheitsbedingter Verhinderung des Arbeitnehmers besteht – ist der erstmalige befristete Vertrag ohne Kündigungsmöglichkeit für mehr als drei Monate eingegangen, besteht die Lohnfortzahlungspflicht ab Beginn – und der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei seiner Vorsorgeeinrichtung zu melden hat, sofern dessen Lohn die BVG-Eintrittsschwelle erreicht.
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