Der Lohn kann im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis grundsätzlich frei vereinbart werden. Eingeschränkt wird dieser Grundsatz durch Gesamtarbeitsverträge, Normalarbeitsverträge, Mindestlöhne für ausländische Arbeitnehmer aus Nicht-EU-Staaten sowie durch das Lohngleichheitsgebot. Die Bundesverfassung (BV) schreibt vor, dass Mann und Frau Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit haben (BV 8/III). Das Diskriminierungsverbot im Gleichstellungsgesetz (GlG) ist eine Folge davon. Danach dürfen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf Grund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden, insbesondere auch bei der Entlöhnung (GlG 3).
Lohn
Als Lohn im Sinne von BV 8/III versteht sich jede vom Arbeitgeber gewährte Leistung für die vom Arbeitnehmer erbrachte Arbeit. Dazu gehört nicht nur die Grundentlöhnung, sondern auch andere dem Arbeitnehmer zugestandene Vorteile, in Geld oder in Natura, wie Gratifikationen, Ferienentschädigungen und Dienstaltersgeschenke. Hingegen ist es unseres Erachtens nicht zulässig, gesetzliche Familienzulagen diesem Lohnbegriff zuzuordnen, da der Arbeitgeber auf die Bedingungen der Gewährung keinen Einfluss nehmen kann.
Gleichwertige Arbeit
Unzulässig kann nicht die Höhe einer Entlöhnung an sich sein, sondern ausschliesslich eine ungerechtfertigte Lohndifferenz zu einer anderen, als gleichwertig beurteilten Tätigkeit beim selben Arbeitgeber. Dies schliesst den Vergleich zwischen Unternehmungen, Gemeinden und Kantonen, welche voneinander gänzlich unabhängige Entlöhnungssysteme haben, aus. Fraglich ist hingegen, ob Vergleiche zulässig sind zwischen Betrieben oder Niederlassungen, die vom gleichen Arbeitgeber abhängig sind. Auch wenn ein Arbeitgeber für alle Betriebe ein identisches Lohnsystem anwendet, sind Lohnunterschiede auf Grund der Besonderheiten des lokalen Arbeitsmarktes unvermeidlich. Deshalb sollte sich der Vergleich auf einen einzelnen Betriebsort beschränken.
Die Gleichzeitigkeit der Leistungen ist nicht Voraussetzung für deren Vergleichbarkeit. So kann z.B. eine Arbeitnehmerin ihrem Anspruch den Lohn ihres Vorgängers zu Grunde legen.
Unterschiedliche Tätigkeiten sind anhand eines Bewertungsmassstabs zu vergleichen. Dazu können die auszuübenden Funktionen als solche bzw. die daran gestellten Anforderungen (Arbeitsplatz- oder Funktionsbewertung), die individuellen Merkmale der Stelleninhaber (Alter, Dienstalter usw.) sowie die Art und Weise, wie die betroffenen Personen diese Funktion ausführen (Leistungsbewertung), berücksichtigt werden. Ob Tätigkeiten als gleichwertig zu betrachten sind, kann nicht wissenschaftlich objektiv und wertfrei entschieden werden, sondern hängt von Beurteilungen ab, die unterschiedlich ausfallen können. Lohnunterschiede sind nur dann geschlechtsdiskriminierend, wenn sie an geschlechtsspezifische Merkmale anknüpfen, ohne dass dies durch die Art der auszuübenden Tätigkeit sachlich begründet wäre. Als geschlechtsspezifisch – und ohne sachliche Rechtfertigung diskriminierend – haben Anforderungsmerkmale zu gelten, welche von den Angehörigen eines Geschlechts wesentlich leichter oder anteilmässig wesentlich häufiger erfüllt werden können als von den Angehörigen des andern. Geschlechtsspezifische Merkmale sind beispielsweise Körpergrösse oder Kraft, nicht jedoch Intelligenz oder geistige Fähigkeiten sowie psychische oder zwischenmenschliche Fähigkeiten.
Beweislasterleichterung
Das GlG enthält eine Beweislasterleichterung, d.h. eine Lohndiskriminierung wird vermutet, wenn diese von der betroffenen Person glaubhaft gemacht wird (GlG 6). Für eine Glaubhaftmachung genügt, wenn eine gewisse Wahrscheinlichkeit für eine Diskriminierung spricht, auch wenn das Gericht noch mit der Möglichkeit rechnet, dass sie tatsächlich nicht vorhanden sein könnte.
Gründe für eine ungleiche Behandlung
Will der Arbeitgeber die gesetzliche Vermutung einer Diskriminierung nicht gelten lassen, hat er nachzuweisen, dass die festgestellte Lohndifferenz auf objektiven Gründen ohne geschlechtsdiskriminierende Wirkung beruht. Dazu gehören Gründe, die den Wert der Arbeit selbst beeinflussen können wie Ausbildung, Dienstalter, Qualifikation, Erfahrung, konkreter Aufgabenbereich, Leistung oder Risiken. Lohnunterschiede können aber auch aus Gründen gerechtfertigt sein, die nicht unmittelbar die Arbeitstätigkeit berühren, sondern sich aus sozialen Rücksichten ergeben wie familiäre Belastungen und das Alter. Schliesslich kommen auch eine starke Verhandlungsposition bei der Anstellung sowie die konjunkturelle Lage als Rechtfertigungsgründe für Lohnunterschiede in Betracht, soweit ihre Berücksichtigung einem wirklichen Bedürfnis des Unternehmens entspricht. Die so begründete Lohndifferenz ist jedoch im Rahmen der periodischen Bereinigung der Lohnstruktur sobald möglich und zumutbar, in der Regel innerhalb eines Jahres, zu beseitigen.
Neues Kontrollsystem: Lohngleichheitsanalysen
Im BGE 130 III 145 vom 22. Dezember 2003 wurde erstmals ein neues Kontrollsystem zur Überprüfung der Lohngleichheit zu Grunde gelegt. Mit dieser Methode wird bestimmt, welche Lohnunterschiede durch objektive Qualifikationsmerkmale wie Ausbildung, Dienstalter und potenzielle Berufserfahrung (Humankapitalfaktoren) oder durch Unterschiede bezüglich beruflicher Stellung und Anforderungsniveau (arbeits- platzbezogene Faktoren) erklärt werden können und welcher Anteil ungeklärt bleibt, also auf das Geschlecht zurückzuführen ist. Zudem wurde eine Toleranzschwelle von 5% festgelegt. Erst wenn der festgestellte Unterschied zwischen Frauen- und Männerlöhnen signifikant über dieser Schwelle liegt, wird Lohnungleichheit angenommen. Das Besondere an dieser komplexen Methode ist es, nicht nur eine Lohndiskriminierung aufzuzeigen, sondern auch den erlittenen Schaden zu beziffern, obschon in der Unternehmung keine andere Stelle wirklich vergleichbar ist mit derjenigen der betroffenen Person. Die Methode lässt das Element des Vergleichs der gleichwertigen Arbeit weg, diskriminierend ist nicht der Lohnunterschied zwischen einer Frau und ihrem männlichen Kollegen, sondern derjenige auf Grund des Resultats der Lohngleichung.
Vgl. „Etudes et Enquêtes“ Nr. 34, automne 2004, Quand le juge fixe le salaire, herausgegeben vom und zu beziehen beim Centre Patronal.
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