Lun, 2 janvier 2017
Gemäss Bundesgericht (Urteil 2C_625/2016) sind die von den tripartiten Kommissionen kontrollierten Unternehmen verpflichtet, diesen alle Dokumente, die für die Durchführung der Untersuchung notwendig sind, einzureichen, so z.B. Arbeitsverträge, Lohnunterlagen und Arbeitszeitrapporte.
Sachverhalt
Die Arbeitskontrollstelle für den Kanton Zürich (AKZ) führte auf einer Baustelle eine Kontrolle der Lohn- und Arbeitsbedingungen durch. Am Einsatzort angetroffen und kontrolliert wurde unter anderem ein portugiesischer Staatsangehöriger. Bezugnehmend auf die Baustellenkontrolle forderte die AKZ den Arbeitgeber zur Einreichung diverser Unterlagen betreffend die Lohn- und Arbeitsbedingungen auf. Da der Arbeitgeber dieser Aufforderung nicht nachkam, ordnete das Amt für Wirtschaft und Arbeit des Kantons Zürich (AWA) an, das einzige Mitglied des Verwaltungsrates (einzelzeichnungsberechtigt) habe innert Monatsfrist Kopien des Arbeitsvertrags, der Lohnabrechnungen der letzten drei Monate sowie der entsprechenden Arbeitszeitrapporte des Arbeitnehmers einzureichen. Für die Nichtbefolgung dieser Verfügung drohte ihm das AWA eine Strafanzeige wegen Ungehorsams gegen amtliche Verfügungen an. Den dagegen erhobenen Rekurs wies die Volkswirtschaftsdirektion des Kantons Zürich ab und setzte dem Arbeitgeber eine neue Frist zur Einreichung der Unterlagen. Die dagegen erhobene Beschwerde hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich gut. Gegen diesen Entscheid erhob das Eidgenössische Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) Beschwerde an das Bundesgericht.
Flankierende Massnahmen zur Personenfreizügigkeit
Zur Abfederung der Auswirkungen des Freizügigkeitsabkommens (FZA) mit der EU auf den Arbeitsmarkt hat der schweizerische Gesetzgeber so genannte flankierende Massnahmen erlassen. Diese bezwecken namentlich den Schutz vor Sozial- und Lohndumping und sollen für die hiesigen Anbieter und diejenigen der EU/EFTA-Staaten, die von der beschränkten Dienstleistungsfreiheit des Freizügigkeitsrechts profitieren, gleiche Bedingungen («gleich lange Spiesse») schaffen. Im Zusammenhang mit den flankierenden Massnahmen wurden unter anderem OR 360a und 360b per 1. Juni 2003 bzw. 1. Juni 2004 in Kraft gesetzt. Danach hat der Bund und jeder Kanton eine tripartite Kommission einzusetzen. Um die ihnen übertragenen Aufgaben wahrzunehmen, haben diese in den Betrieben das Recht auf Auskunft und Einsichtnahme in alle Dokumente, die für die Durchführung der Untersuchung notwendig sind. Im Streitfall entscheidet eine hierfür vom Bund beziehungsweise vom Kanton bezeichnete Behörde. Im Zusammenhang mit den flankierenden Massnahmen ist per 1. Juni 2004 auch das Entsendegesetz (EntsG) in Kraft getreten. Es regelt ebenfalls die Kontrolle der Arbeitgeber, die Arbeitnehmer in der Schweiz anstellen und hält weiter fest, dass der Arbeitgeber den tripartiten Kommissionen auf Verlangen alle Dokumente zustellen muss, welche die Einhaltung der Arbeits- und Lohnbedingungen der Arbeitnehmer belegen (EntsG 7/2).
Nicht nur blosses Einsichtsrecht…
In Bezug auf die Funktion und Aufgaben der tripartiten Kommission sind sich die Verfahrensbeteiligten einig, dass der Begriff «beobachten» in OR 360b/3 Satz 1 nicht zur Annahme verleiten darf, die tripartiten Kommissionen könnten sich auf ein passives Beobachten beschränken; vielmehr sind diese mit breiten Untersuchungskompetenzen ausgestattet. Ebenfalls unbestritten ist, dass die tripartiten Kommissionen ihre Kontrolltätigkeiten an Hilfspersonen delegieren dürfen.
Umstritten und vom Bundesgericht zu prüfen war, ob den tripartiten Kommissionen und ihren Hilfspersonen gestützt auf OR 360b/5 Satz 1 nicht nur ein Einsichtsrecht in alle Dokumente, die für die Durchführung der Untersuchung notwendig sind, zusteht, sondern ob sie auch berechtigt sind, die Arbeitgeber zu verpflichten, diese Dokumente an sie herauszugeben. Aus der kantonalen Gesetzgebung lassen sich keine Hinweise entnehmen, ob es sich um ein blosses Einsichtsrecht oder um einen Herausgabeanspruch der tripartiten Kommissionen handelt. Ob das in OR 360b/5 geregelte «Recht auf Auskunft und Einsichtnahme in alle Dokumente, die für die Durchführung der Untersuchung notwendig sind», einen Herausgabeanspruch der tripartiten Kommissionen mitumfasst, ergibt sich nach Ansicht des Bundesgerichts nicht eindeutig aus dem Wortlaut des Gesetzes und bedarf daher der Auslegung unter Einbezug der Entstehungsgeschichte, des Zwecks der Norm und des Zusammenhangs mit anderen Vorschriften.
…sondern Einreichung von Arbeitsverträgen, Lohnunterlagen und Arbeitszeitrapporten
Der Botschaft vom 1. Oktober 2004 betreffend das Bundesgesetz zur Revision der flankierenden Massnahmen zur Personenfreizügigkeit kann entnommen werden, dass der betroffene Betrieb gemäss OR 360b/5 verpflichtet ist, die beantragten Dokumente herauszugeben. Auch wenn diese Formulierung nicht im Rahmen der Entstehung von OR 360b verwendet worden ist, sondern erst nachträglich im Zusammenhang mit einer Teilrevision der flankierenden Massnahmen, lässt sich gemäss Bundesgericht schon daraus der Schluss ziehen, der Gesetzgeber habe mit OR 360b/5 einen eigentlichen Herausgabeanspruch der tripartiten Kommissionen einführen wollen. Die Vorinstanz war jedoch der Meinung, OR 360b/5 bilde keine ausreichende gesetzliche Grundlage dafür. Gemäss Bundesgericht ist bei der Auslegung von OR 360b/5 auch das EntsG heranzuziehen. Das EntsG hat eine gemeinsame Entstehungsgeschichte mit OR 360a ff. Bei beiden gesetzlichen Regelungen handelt es sich um flankierende Massnahmen zur Einführung der Personenfreizügigkeit, und sie sollten eine gesetzliche Grundlage schaffen, um ein Sozial- und/oder Lohndumping zu Lasten der Arbeitnehmer in der Schweiz zu verhindern. Ab 1. Januar 2013 wurden die Rechtsnormen hinsichtlich Kontrollen und Sanktionen verschärft und alle Arbeitgeber, welche in der Schweiz Arbeitnehmer beschäftigen – nicht nur entsandte – in Bezug auf die in Normalarbeitsverträgen vorgesehenen Mindestlöhne gleich behandelt. Auch in der Literatur herrscht die Auffassung vor, die Bestimmungen des EntsG seien auf die arbeitsmarktlichen Kontrollen solcher Arbeitgeber anzuwenden, d.h. EntsG 7/2 könne – direkt oder analog – auf die Tätigkeit der tripartiten Kommissionen bei der Arbeitsmarktbeobachtung angewendet werden. Für einen breiten Anwendungsbereich sprechen weiter auch die Ausführungsbestimmungen in EntsV 11 ff. Schliesslich ist auch im Zusammenhang mit Art. 8 des Schwarzarbeitsgesetzes von einem Herausgabeanspruch der tripartiten Kommissionen gestützt auf OR 360a auszugehen.
Mit dem Einbezug der Entstehungsgeschichte von OR 360b/5, der systematischen Einordnung der Norm und der entsprechenden Bestimmung von EntsG 7/2 führt die Auslegung von OR 360b/5 zum Ergebnis, dass eine Verpflichtung der kontrollierten Unternehmen besteht, den tripartiten Kommissionen alle Dokumente, die für die Durchführung der Untersuchung notwendig sind, herauszugeben bzw. zuzustellen.
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