Lun, 4 janvier 1999
In der heutigen Zeit, in der Aufträge innert kürzester Frist erledigt sein müssen, besteht insbesondere in Produktionsbetrieben auf Arbeitgeberseite ein grosses Bedürfnis an hoher Flexibilität. Mehr Flexibilität kann durch Einführung von Teilzeitarbeit, Jahresarbeitszeit, gleitender Arbeitszeit, Aushilfen, Schichtarbeit, Job-Sharing, variabler Arbeitszeit, Heimarbeit, gleitender Pensionierung, Arbeit auf Abruf, usw. erreicht werden.
Grundsätzlich sind zwei Möglichkeiten zu unterscheiden: entweder ist der Gesamtumfang der Arbeitszeit flexibel oder das Arbeitspensum ist von Anfang an fest bestimmt und es ändern sich nur die Zeitpunkte der Arbeitseinsätze. Entscheidend ist die Frage nach der Zeitsouveränität, d.h. wer bestimmt, wann und wie lange gearbeitet werden muss. Weniger problematisch sind die Fälle, in denen der Arbeitnehmer darüber bestimmt, z.B. teilweise bei der gleitenden Arbeitszeit oder bei leitenden Angestellten. Oft ist es jedoch so, dass die Zeitsouveränität beim Arbeitgeber liegt. Dabei ist die Arbeit auf Abruf diejenige Form, welche in letzter Zeit am meisten zu reden gab. Was ist darunter zu verstehen und wie respektive von was ist sie abzugrenzen?
Begriffe
Nach herrschender Lehre und Rechtsprechung wird die Arbeit auf Abruf definiert als Teilzeitarbeit, die im Rahmen eines unbefristeten Arbeitsvertrages geleistet wird und bei welcher Zeitpunkt und Dauer der einzelnen Arbeitseinsätze durch Parteivereinbarung oder einseitig, gegebenenfalls unter gewissen Bedingungen, vom Arbeitgeber festgelegt werden (vgl. AJP 12/98, Arbeit auf Abruf und Gelegenheitsarbeit von G. Roncoroni). Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, sich zur Verfügung des Arbeitgebers zu halten und den einzelnen Abrufen Folge zu leisten.
Davon zu unterscheiden gilt es die Gelegenheits- oder Aushilfsarbeit, welche sich dadurch auszeichnet, dass für jeden einzelnen, in der Regel kurz dauernden Arbeitseinsatz ein neuer, meistens befristeter Arbeitsvertrag abgeschlossen wird (vgl. AJP 12/98, Arbeit auf Abruf und Gelegenheitsarbeit von G. Roncoroni). Dabei empfiehlt es sich, dass die Parteien zusammen in einem Rahmenvertrag insbesondere festhalten, dass der Arbeitgeber den Arbeitnehmer bei Bedarf anfragen kann, ob dieser einen Aushilfseinsatz leisten wolle; dass der Arbeitnehmer eine Arbeitsvertragsofferte annehmen oder ohne Grund ablehnen kann und dass der Arbeitgeber seinerseits nicht verpflichtet ist, dem Arbeitnehmer eine neue Beschäftigung anzubieten; dass, wenn der Arbeitnehmer dem Einsatz zustimmt, für die festgelegte Dauer ein befristeter Arbeitsvertrag vorliegt. Für die Auflösung des Rahmenvertrages kann eine Kündigungsfrist von beispielsweise 1 Monat vereinbart werden, ansonsten die Frist gemäss Art. 335c Abs. 1 OR gilt. Die Regelung der Arbeitszeit, des Lohnes, der Lohnfortzahlung bei Krankheit usw. kann im Rahmenvertrag oder im einzelnen befristeten Arbeitsvertrag festgehalten werden. Da sich der Arbeitnehmer zwischen den einzelnen Einsätzen nicht zur Verfügung des Arbeitgebers halten muss, hat dieser für diese Zeit auch keinen Lohn zu gut.
Welche der beiden Varianten im konkreten Fall zutrifft, ist grundsätzlich durch Auslegung des Willens der Parteien zu bestimmen. Entscheidend ist, was wirklich gelebt wird. Dabei ist die häufige und regelmässige Beschäftigung des Arbeitnehmers ein wichtiges Indiz für das Bestehen eines fortdauernden Arbeitsverhältnisses, mit der Konsequenz, dass dem Arbeitnehmer sämtliche Ansprüche aus einem unbefristeten Arbeitsvertrag erwachsen wie Kündigungsfristen, Lohnfortzahlung bei unverschuldeter Arbeitsverhinderung (z.B. Krankheit, Unfall, Schwangerschaft/Niederkunft) usw. Wenn der Arbeitgeber eine Notlage des Arbeitnehmers ausnützt und dieser die einzelnen Abrufe annehmen muss oder wenn das Interesse an der flexiblen Vertragsform mehr beim Arbeitgeber liegt, spricht dies ebenfalls eher für den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Liegen hingegen sachliche Gründe vor – dazu zählt auch der entsprechende Wunsch des Arbeitnehmers – welche den Abschluss mehrerer befristeter Verträge rechtfertigen, ist das Arbeitsverhältnis nicht als unbefristet zu betrachten. Klarheit kann mittels Rahmenvertrag für Gelegenheits- oder Aushilfsarbeit, wie vorgehend erwähnt, geschaffen werden.
Gerichtsentscheide
Im Entscheid BGE 124 III 249 ff. hat das Bundesgericht die Zulässigkeit der Arbeit auf Abruf grundsätzlich bejaht. Zudem hat es entschieden, dass Bereitschaftsdienst speziell vergütet werden muss. Erfolgt diese Bereitschaft im Betrieb, so ist voller Lohn geschuldet. Anders verhält es sich bei der sogenannten Rufbereitschaft, bei welcher der Arbeitnehmer ausserhalb des Betriebes auf einen Einsatz wartet. Diese muss – abweichende Vereinbarung vorbehalten – nicht gleich wie die Haupttätigkeit entlöhnt werden, ja es ist gemäss Bundesgericht sogar zulässig, dass die Entschädigung für den Bereitschaftsdienst einzel- oder gesamtarbeitsvertraglich in den Lohn für die Hauptleistung eingeschlossen wird. Ist das Entgelt für eine solche Rufbereitschaft nicht vertraglich abgemacht, dann schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer, was üblich ist. Ist auch das nicht festzustellen, hat der Richter nach Billigkeit zu entscheiden. Zur konkreten Höhe der Entlöhnung eines solchen Bereitschaftsdienstes hat sich das oberste Gericht jedoch nicht ausgesprochen.
In der Folge hat nun das Arbeitsgericht Interlaken-Oberhasli erstmals einen konkreten Entschädigungssatz von 25 Prozent festgelegt. Das Urteil ist von beiden Parteien akzeptiert worden, eine schriftliche Begründung liegt jedoch, da nicht erforderlich, keine vor. Ob sich die 25 Prozent durchsetzen werden, wird sich in weiteren ähnlichen Fällen zeigen. Diesem Urteil nun übermässige Bedeutung beizumessen und es quasi als Leiturteil für weitere Fälle anzusehen, wäre jedoch nicht angebracht.
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