Welche Informationen gehören in ein Arbeitszeugnis?

31. Mai 2024

Welche Informationen gehören in ein Arbeitszeugnis?

Laut Gesetz kann der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber jederzeit ein Zeugnis verlangen, das sich über die Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie über seine Leistung und sein Verhalten ausspricht (Art. 330a Abs. 1 OR). Da sich die Erstellung eines solchen Dokuments als herausfordernd erweisen kann, bieten wir im Folgenden einen Überblick über die geltenden Grundsätze sowie wiederkehrende Fragen inkl. relevante Rechtsprechung.

Welche Grundsätze gilt es beim Verfassen zu beachten? 

Die Formulierung des Arbeitszeugnisses ist Sache des Arbeitgebers. Der Arbeitnehmer hat keinen Anspruch auf eine bestimmte Formulierung. Die Formulierungsfreiheit des Arbeitgebers wird jedoch insb. durch die Grundsätze der Wahrheit, Klarheit und des Wohlwollens eingeschränkt: Bei abwertenden, unklaren oder zweideutigen Begriffen sowie Rechtschreib- oder Grammatikfehler kann der Arbeitnehmer eine Änderung der Formulierung verlangen (BGE 4C.129/2003).

Nach der geltenden Rechtsprechung muss das Zeugnis wahr und vollständig sein, d.h. es muss über alle in Art. 330a Abs. 1 OR genannten Punkte Auskunft geben. Dazu gehören insb. Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses sowie Leistung und Verhalten des Arbeitnehmers (BGE 129 III 177; BGE 4A_50/2023). Nur wenn der Arbeitnehmer verlangt, dass sich das Zeugnis ausschliesslich zur Art und Dauer des Arbeitsverhältnisses äussert (sog. «Arbeitsbestätigung»), darf sich der Arbeitgeber auf diese Punkte beschränken (Art. 330a Abs. 2 OR).

Das Zeugnis soll zudem das berufliche Fortkommen des Arbeitnehmers fördern und muss daher wohlwollend abgefasst sein, wobei es dem zukünftigen Arbeitgeber ein möglichst getreues Bild von der Tätigkeit, der Leistung und dem Verhalten des Arbeitnehmers vermitteln soll. Alle wichtigen Funktionen müssen erwähnt werden, ebenso wie die Aufgaben, die der Arbeitnehmer ausgeübt hat, wenn diese für das Arbeitsverhältnis relevant waren. Dabei sind die tatsächlich ausgeübten Aufgaben massgebend und nicht etwa die vertraglich vereinbarten. Die Erwähnung bestimmter Aufgaben oder Funktionen im Zeugnis lässt darauf schliessen, dass der Arbeitnehmer diesbezüglich praktische Erfahrungen gesammelt hat und sich die Beurteilung darauf bezieht. Wenn Aufgaben, die zwar mit der Funktion verbunden sind oder in der Stellenbeschreibung vorgesehen waren, während der Beschäftigungsdauer nicht ausgeführt wurden, sollte dies im Zeugnis vermerkt werden (BGE 129 III 177; BGE 4A_432/2009).

Ein Arbeitszeugnis darf nach der geltenden Rechtsprechung auch negative Aspekte in Bezug auf die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers enthalten, sofern diese für die Gesamtbeurteilung von Bedeutung sind (BGE 136 III 510; BGE 4C.129/2003). Dies ist beispielsweise der Fall bei einer Krankheit, die einen erheblichen Einfluss auf die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers hatte oder die Eignung zur Erfüllung der bisherigen Aufgaben in Frage stellte und damit einen sachlichen Grund zur Auflösung des Arbeitsverhältnisses bildete. Eine geheilte Krankheit, die die Beurteilung der Leistung und des Verhaltens des Arbeitnehmers nicht beeinträchtigt, darf hingegen nicht erwähnt werden (BGE 136 III 510; BGE 4A_574/2017).

Welche Dauer des Arbeitsverhältnisses ist zu erwähnen? 

Aus dem Zeugnis muss der Beginn und das Ende des Arbeitsverhältnisses hervorgehen. Der Beginn des Arbeitsverhältnisses entspricht dem Datum des Inkrafttretens des Arbeitsvertrags und nicht etwa dem Datum, an dem der Arbeitsvertrag abgeschlossen wurde. Beim Ende des Arbeitsverhältnisses ist der rechtlich letzte Tag des Vertrags massgebend und nicht der Tag, an dem der Arbeitnehmer das letzte Mal arbeitete (wie etwa bei einer Freistellung).

Muss das Zeugnis lange Abwesenheiten erwähnen?

Grundsätzlich gehören krankheitsbedingte Abwesenheiten nicht ins Arbeitszeugnis. Ausnahmsweise jedoch sind laut Bundesgerichts längere Abwesenheiten zu erwähnen, wenn sie im Verhältnis zur gesamten Vertragsdauer erheblich ins Gewicht fallen und daher ohne Erwähnung ein falscher Eindruck in Bezug auf die tatsächlich erworbene Berufserfahrung des Arbeitnehmers entstehen würde (BGE 144 II 345; BGE 136 III 510; BGE 4A_574/2017).

So hat das Bundesgericht beispielsweise zugelassen, dass die Abwesenheiten einer Arbeitnehmerin, welche die Hälfte der Dauer des Arbeitsverhältnisses ausmachten, erwähnt werden. Die Mitarbeiterin war im Zeitraum vom 1. März 2014 bis zum 31. August 2016 während 14 Monaten abwesend (BGE 144 II 345). Das Gericht wies zudem darauf hin, dass die Erwähnung des Abwesenheitsgrundes (Krankheit und Mutterschaft) nicht diskriminierend sei. Im Gegenteil würde die Nichterwähnung Raum für Spekulationen lassen, was nicht im Interesse der Arbeitnehmerin liege. 

Muss im Zeugnis der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses angegeben werden?

Der Grund für die Beendigung des Arbeitsverhältnisses im engeren Sinne (technische Art der Beendigung des Arbeitsverhältnisses wie etwa Kündigung des Arbeitgebers, Kündigung des Arbeitsnehmers, Ablauf des befristeten Vertrags, Aufhebungsvertrag etc.) muss erwähnt werden, sofern dies er Arbeitnehmer wünscht oder er für die Würdigung des Gesamtbildes relevant ist (Verwaltungsgericht des Kantons Zürich PB.2004.00067 vom 9.3.2005). Trägt die Erwähnung nicht zur Würdigung des Gesamtbildes bei, kann der Arbeitnehmer verlangen, dass die Erwähnung des Beendigungsgrundes im engeren Sinne gestrichen wird, selbst wenn dies für ihn ausschliesslich positiv ist. 

Betreffend die Beweggründe, die zur Kündigung führten, gilt dasselbe. Zusatzangaben zur Kündigung sind notwendig, wenn es für die Gesamtwürdigung des Arbeitsverhältnisses unerlässlich erscheint. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn der Arbeitnehmer eine Straftat gegen den Arbeitgeber begangen hat, aber auch, wenn sonst ein schwerwiegender Mangel des Arbeitnehmers verschwiegen würde und so ein täuschender Gesamteindruck entstünde. Auch bei einer Entlassung aus wirtschaftlichen oder organisatorischen Gründen kann eine Erwähnung für den Arbeitnehmer vorteilhaft sein. Bei Beendigungen des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer sind Angaben zu seinen Beweggründen nur auf expliziten Wunsch aufzunehmen. 

In welcher Sprache muss das Arbeitszeugnis ausgestellt werden?

Nach geltender Rechtsprechung wird das Arbeitszeugnis entsprechend seinem Zweck in der Sprache des Arbeitsortes ausgestellt, an dem die Arbeitsleistung erbracht wird. Wenn die Arbeitssprache nicht die Sprache des Arbeitsortes ist, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf eine Version des Arbeitszeugnisses in beiden Sprachen (BVGer A-32/2012). Dies ist häufig der Fall bei einer spezifischen Berufssprache z.B. in Unternehmung mit starker internationaler Ausrichtung.

Muss das Zeugnis den Hinweis enthalten, dass der Arbeitnehmer «frei von jeglicher Verpflichtung» ist?

Ein Hinweis im Zeugnis, wonach ein Arbeitnehmer den Arbeitgeber «frei von jeglicher Verpflichtung» verlässt, ist nicht erforderlich. Ein entsprechender Hinweis sollte insb. dann vermieden werden, wenn entgegenstehende Vereinbarungen wie z.B. ein Konkurrenzverbot bestehen, da der Arbeitnehmer durch diese Erklärung von der entsprechenden Verpflichtung befreit wird (Urteil Cour d'appel civile du Tribunal cantonal vaudois vom 24. Mai 2017, Nr. 201).

Was passiert, wenn der Arbeitgeber das Zeugnis nicht ausstellt oder der Arbeitnehmer mit dessen Inhalt nicht einverstanden ist?

Da das Gesetz dem Arbeitnehmer einen jederzeitigen Anspruch auf ein Arbeitszeugnis einräumt, befindet sich der Arbeitgeber, der das Zeugnis nicht innerhalb einer angemessenen Frist (je nach Betriebsgrösse und -struktur beläuft sich diese auf einige Tage bis hin zu 2 Wochen) ausstellt, in Verzug und der Arbeitnehmer kann vor Gericht auf Ausstellung des Zeugnisses klagen (Erfüllungsklage). Der Zeugnisanspruch verjährt erst nach 10 Jahren. 

Wenn der Arbeitnehmer der Meinung ist, dass der Inhalt des Arbeitszeugnisses nicht die Realität widerspiegelt, insbesondere weil er lückenhaft, ungenau, irreführend oder mehrdeutig ist, kann er beim zuständigen Gericht eine Berichtigungsklage einreichen. Ziel ist es, dadurch eine Änderung des ausgestellten Arbeitszeugnisses zu erwirken. Er muss jedoch die Tatsachen beweisen, welche die Anpassung des Arbeitszeugnisses rechtfertigen. Diese Tatsachen können sich auf die vertraglichen Elemente, die Beurteilung oder die Gründe der Entlassung beziehen (siehe z. B. BGE 4A_145/2022). Der Arbeitgeber wiederum muss die Tatsachen, die einer schlechten Beurteilung zu Grunde liegen, beweisen. Verweigert er dies oder gelingt es ihm nicht, seine Position zu begründen, kann der Richter die Klage gutheissen (BGE 4A_50/2023).

Welches Risiko besteht für den Arbeitgeber, wenn er ein Arbeitszeugnis nicht entsprechend den gesetzlichen Vorschriften ausstellt?

Wenn ein Arbeitszeugnis nicht ausgestellt wird oder wenn das Zeugnis nicht den gesetzlichen Vorschriften entspricht, kann der Arbeitnehmer - nebst den oben erwähnten Klagemöglichkeiten - Ersatz für den ihm entstandenen Schaden verlangen.

Der Arbeitgeber haftet auch, wenn im Zeugnis Informationen fehlen, die für einen zukünftigen Arbeitgeber wichtig sind, oder wenn durch unwahre Angaben ein falscher Eindruck über Leistung und Verhalten entstanden ist. Der neue Arbeitgeber muss in diesem Fall nachweisen, dass er durch die Einstellung des Arbeitnehmers einen Schaden erlitten hat, der bei einem korrekt ausgestellten Zeugnis nicht entstanden wäre (BGE 101 II 69).

Neben dem Risiko, dem ehemaligen Arbeitnehmer oder dem neuen Arbeitgeber einen Schaden ersetzen zu müssen, stellt das Ausstellen eines falschen Arbeitszeugnisses eine strafbare Urkundenfälschung dar (Art. 252 StGB). 


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