Verfahren gegen missbräuchliche Kündigung

1. April 2015

Verfahren gegen missbräuchliche Kündigung

Die Fälle häufen sich, in denen Kündigungen als missbräuchlich angefochten werden. In der Praxis handelt es sich dabei fast ausschliesslich um Arbeitgeberkündigungen, gegen die Arbeitnehmer Einsprache erheben, obschon der Gesetzgeber auch die umgekehrte Möglichkeit vorgesehen hat. Anlass zur vorliegenden Ausgabe gibt ein Urteil des Bundesgerichts vom 8. September 2014 (4A_320/2014) zur Formulierung der Einsprache. Danach genügt es, wenn der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses zum Ausdruck bringt, mit der Kündigung nicht einverstanden zu sein. Eine solche Erklärung liegt jedoch nicht vor, wenn er bloss die Begründung der Kündigung, das heisst, gewisse im Kündigungsschreiben erhobene Vorwürfe, nicht akzeptiert, gegen die Kündigung an sich jedoch keine Einwände erhebt. Kommt es nach form- und fristgerechter Einsprache zu keiner Einigung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses, hat der Arbeitnehmer innert 180 Tagen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses Klage einzureichen, ansonsten sein Anspruch auf Geltendmachung einer Entschädigung verwirkt ist.

Form der Einsprache

Die Einsprache beim Kündigenden hat schriftlich zu erfolgen. Die Schriftform ist Gültigkeitserfordernis, das heisst, wird die Schriftform nicht eingehalten, kann keine Strafzahlung verlangt werden. Die Schriftform ist eingehalten, wenn die Einsprache die eigenhändige Unterschrift enthält. Auch zulässig ist die Übermittlung der Einsprache durch E-Mail, sofern die Vorschriften über die eigenhändige Unterschrift oder die ihr gleichgestellte qualifizierte elektronische Signatur eingehalten ist.

Formulierung der Einsprache

An die Formulierung der Einsprache werden keine allzu hohen Anforderungen gestellt. Es genügt, wenn der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber schriftlich bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses – massgebend ist der Empfang und nicht der Poststempel – zum Ausdruck bringt, mit der Kündigung nicht einverstanden zu sein. Eine solche Erklärung liegt jedoch nicht vor, wenn er bloss die Begründung der Kündigung, das heisst, gewisse im Kündigungsschreiben erhobene Vorwürfe, nicht akzeptiert, gegen die Kündigung an sich jedoch keine Einwände erhebt. Die Einsprache muss nicht begründet werden und sie muss auch keinen Missbrauchsgrund nennen. Verlangt der Arbeitnehmer gemäss OR 335/2 innerhalb der Kündigungsfrist eine schriftliche Begründung der Kündigung, ist darin noch nicht eine Einsprache im Sinn von OR 336b/2 zu sehen. Erhebt der Arbeitnehmer gegen eine erste Kündigung, die sich dann als nichtig erweist, Einsprache und spricht der Arbeitgeber danach eine zweite Kündigung aus, ist eine erneute Einsprache zur Fristwahrung notwendig.

Im eingangs erwähnten Fall vor Bundesgericht hatte der Arbeitnehmer den Grund der Kündigung – angeblich eine Reorganisation des Unternehmens – bestritten. Hingegen hat er in seinem Schreiben an den Arbeitgeber nie zum Ausdruck gebracht, dass er mit der Kündigung nicht einverstanden sei. Sein Schreiben enthielt sogar die Formulierung: „afin que nos rapports se terminent dans le respect, j’attire votre attention (…) pour le paiement des indemnités journalières (…)“. Mit anderen Worten kann daraus geschlossen werden, dass der Arbeitnehmer damit akzeptiert hat, dass das Arbeitsverhältnis endet und dass für ihn nur die Entschädigung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist von Bedeutung war. Nirgends hat er die Frage nach einer Entschädigung wegen missbräuchlicher Kündigung gestellt. Somit konnte und musste der Arbeitgeber das Schreiben des Arbeitnehmers nicht als Einsprache im Sinn von OR 336b/1 verstehen.

Einigung über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses?

Die Einsprache hat zum Zweck, Verhandlungen über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu ermöglichen. Dies ist dem Wortlaut von OR 336b/2 zu entnehmen, der besagt, dass die Partei, der gekündigt worden ist, ihren Anspruch auf Entschädigung geltend machen kann, wenn die Einsprache gültig erfolgt ist und sich die Parteien nicht über die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses einigen. Eine Einigungsverhandlung ist nicht zwingend und in der Praxis ist die Fortsetzung selten. Erfolgt keine Einigung, so endet das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Kündigungsfrist. Kommt eine Einigung zustande, entfällt der Anspruch auf Entschädigung. Eine Einigung kann etwa darin bestehen, dass die Kündigung „zurückgezogen“ wird und das Arbeitsverhältnis unbefristet weiterläuft. Ob eine allfällige Fortsetzung nur auf bestimmte Zeit, das heisst die Umwandlung in ein befristetes Arbeitsverhältnis, zulässig ist, ist umstritten.

Klage innert 180 Tagen

Die Frist von 180 Kalendertagen läuft ab dem durch die angeblich missbräuchliche Kündigung bewirkten Ende des Arbeitsverhältnisses. Tritt eine Sperrfrist gemäss OR 336c ein, wird das Ende des Arbeitsverhältnisses entsprechend hinausgeschoben. Die Klagefrist ist gewahrt, wenn die Klage bis zum letzten Tag vor Ablauf der Frist beim zuständigen Gericht eingereicht wird. Dabei ist, anders als bei der Einsprache, das Datum des Poststempels massgebend und nicht dasjenige des Empfangs. Die Anrufung der Schlichtungsstelle genügt zur Wahrung der Frist, die Einleitung einer Betreibung hingegen nicht. Klagt der Arbeitnehmer während der Kündigungsfrist, genügt dies dem Erfordernis der Einsprache. Es handelt sich um eine Verwirkungsfrist, das heisst ihre Nichteinhaltung führt zum Untergang des Anspruchs.

Spezialfall: Diskriminierende Kündigung nach Gleichstellungsgesetz (GlG)

Wird eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer durch die Kündigung diskriminiert, ist ebenfalls OR 336b anwendbar. Bei einer Kündigungsanfechtung nach GlG 10/3 ist jedoch keine vorgängige Einsprache erforderlich. Die Anfechtung beim Gericht muss aber vor dem Ende der Kündigungsfrist erfolgen.

Kommentar

Da in der Praxis vermehrt gegen angeblich missbräuchliche Kündigungen Einsprache erhoben wird, ist es für den Arbeitgeber wichtig zu wissen, was auf ihn zukommen kann und auf was er dabei zu achten hat. Es ist empfehlenswert, sich bereits vor dem Aussprechen einer Kündigung kurz zu überlegen, ob allenfalls das Risiko einer missbräuchlichen Kündigung besteht. Ist ein Arbeitgeber nicht sicher, ob eine gültige Einsprache im Sinn von OR336b/1 vorliegt, empfiehlt sich eine rechtliche Beratung. Liegt eine gültige Einsprache vor, hat der Arbeitgeber abzuklären, ob allenfalls eine missbräuchliche Kündigung vorliegen könnte. Ergibt die Beurteilung, dass nicht oder kaum davon auszugehen ist, ist die Sache für den Arbeitgeber vorläufig erledigt, bis der Arbeitnehmer vielleicht doch noch fristgerecht klagt. Besteht hingegen ein erhebliches Risiko für das Vorliegen einer missbräuchlichen Kündigung, hat sich der Arbeitgeber zu überlegen, ob eine einvernehmliche Regelung mit dem Arbeitnehmer sinnvoll und möglich ist. Eine solche könnte auch in einer aussergerichtlichen finanziellen Einigung ohne Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses bestehen.

Zur missbräuchlichen Kündigung während der Probezeit vgl. ARBEITSRECHT Nr. 135 – März 2010.

Den Abonnenten Beratung und Beratung 360° vorbehalten Abonnieren Sie sich

Eine Kategorie wählen:

Laden….