Die Zahl der Mehrfachbeschäftigten, das heisst derjenigen Arbeitnehmer, die gleichzeitig bei mehr als einem Arbeitgeber tätig sind, nimmt stetig zu. Deshalb gibt es auch vermehrt Fälle, in denen sich bei einem Unfall insbesondere folgende Fragen stellen: Ist der Arbeitgeber legitimiert zur Anfechtung von Verfügungen über die Anspruchsberechtigung, Höhe und Berechnung des versicherten Taggelds? Handelt es sich um einen Berufs- oder Nichtberufsunfall? Welcher Lohn ist massgebend für die Bemessung des versicherten Verdienstes? Mit diesen Fragen hat sich das Bundesgericht im Entscheid U 266/06 vom 28. Dezember 2006 auseinandergesetzt. Dabei war eine Haushalthilfe bei zwei Arbeitgebern tätig und bei beiden obligatorisch gegen die Folgen von Berufsunfällen versichert, als sie beim Reinigen der Fenster beim einen Arbeitgeber von der Bockleiter stürzte.
Beschwerdelegitimation des Arbeitgebers
Gemäss Artikel 19/2 des Bundesgesetzes über den Allgemeinen Teil des Sozialversicherungsrechts (ATSG) kommen Taggelder und ähnliche Entschädigungen in dem Ausmass dem Arbeitgeber zu, als er der versicherten Person trotz der Taggeldberechtigung Lohn zahlt. In Ergänzung zu dieser Regel werden die obligatorischen Unfallversicherer in UVG 49 ermächtigt, die Auszahlung der Taggelder dem Arbeitgeber zu übertragen. ATSG 19/2 knüpft an die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers bei unverschuldeter Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung an, die von Gesetzes wegen während einer von der Dauer des Arbeitsverhältnisses abhängigen beschränkten Zeit oder während einer individual-, normal- oder gesamtarbeitsvertraglich vereinbarten längeren Zeitdauer besteht (OR 324a). Im Umfang der vom Arbeitgeber tatsächlich geleisteten Lohnfortzahlungen stehen ihm die für die versicherte Arbeitsunfähigkeit geschuldeten Taggeldleistungen zu.
Da dem Arbeitgeber nach Massgabe seiner effektiven Lohnfortzahlung ein eigener Anspruch auf Auszahlung der versicherten Taggelder zusteht, hat er gemäss Bundesgericht auch eine spezifische, besonders nahe Beziehung zu diesem Geldleistungsanspruch des Versicherten. Er hat ein unmittelbares und konkretes Interesse an der Ausrichtung und Bemessung des Taggelds. Denn nur mit einer vertrags- und gesetzmässigen Taggeldbemessung und –auszahlung werden ihm seine Vorleistungen in Form von Lohnfortzahlungen korrekt zurückerstattet. Die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers begründet demgemäss seine Legitimation zur Anfechtung von Verfügungen über die Anspruchsberechtigung, Höhe und Berechnung des versicherten Taggelds.
Berufs- oder Nichtberufsunfall
Als Berufsunfälle gelten Unfälle (ATSG 4), die dem Versicherten bei Arbeiten zustossen, die er auf Anordnung des Arbeitgebers oder in dessen Interesse ausführt, oder während den Arbeitspausen sowie vor und nach der Arbeit, wenn er sich befugterweise auf der Arbeitsstätte oder im Be- reich der mit seiner beruflichen Tätigkeit zusammenhängenden Gefahren aufhält (UVG 7/1). Als Nichtberufsunfälle gelten Unfälle, die nicht zu den Berufsunfällen zählen (UVG 8/1). Für Teilzeitbeschäftigte gilt zudem Folgendes: Beträgt deren wöchentliche Arbeitszeit beim gleichen Arbeitgeber mindestens acht Stunden, sind sie auch gegen Nichtberufsunfälle versichert. Erreichen sie dieses Mindestmass nicht, gelten für sie Unfälle auf dem Arbeitsweg als Berufsunfälle (UVV 13).
Diese gesetzliche Begriffsumschreibung schliesst aus, dass bei Mehrfach- beschäftigten für die Einstufung eines Unfalls als Berufs- oder Nichtberufsunfall auf das einzelne Arbeitsverhältnis und den entsprechenden Arbeitgeber abgestellt werden dürfte, so dass ein und derselbe Unfall für das Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer einen Unfall erlitten hat, als Berufsunfall zu qualifizieren wäre, während für die anderen Arbeitsverhältnisse ein Nichtberufsunfall vorläge. Massgebend sind gemäss Bundesgericht vielmehr für alle Arbeitsverhältnisse gemeinsam und aus- schliesslich die äusseren (sachlichen, zeitlichen und örtlichen) Umstände im Sinn von UVG 7, unter denen der Versicherte verunfallt ist.
Erleidet ein Versicherter, der bei mehreren Arbeitgebern beschäftigt ist, einen Berufsunfall, so ist der Versicherer jenes Arbeitgebers leistungs- pflichtig, in dessen Dienst der Versicherte verunfallt ist. Handelt es sich hingegen um einen Nichtberufsunfall, ist der Versicherer jenes Arbeitgebers leistungspflichtig, bei dem der Versicherte vor dem Unfall zuletzt tätig und für Nichtberufsunfälle versichert war (UVV 99).
Versicherter Verdienst
Als versicherter Verdienst gilt für die Bemessung der Taggelder der letzte vor dem Unfall bezogene Lohn (UVG 15/2). War der Versicherte vor dem Unfall bei mehr als einem Arbeitgeber tätig, so ist der Gesamtlohn massgebend (UVV 23/5). Gemäss Bundesgericht hat die Bestimmung von UVV 23/5 zum Zweck, eine Benachteiligung der mehrfachbeschäftigten Teilzeitarbeitnehmer gegenüber den bei einem einzigen Arbeitgeber Beschäftigten zu vermeiden. Dabei wird nicht unterschieden, ob es sich um Teilzeitbeschäftigte mit einer Arbeitszeit von mehr oder weniger als acht Wochenstunden und damit um obligatorisch auch gegen die Folgen von Nichtberufsunfällen Versicherte handelt oder nicht. So oder so soll ihnen gemäss Bundesgericht für Berufsunfälle bei unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit derselbe Versicherungsschutz zukommen wie den für ein einziges Arbeitsverhältnis versicherten Arbeitnehmern. Gemäss dem versicherungsrechtlichen Äquivalenzprinzip können bei Mehrfachbeschäftigten jedoch nur Löhne zum Gesamtlohn im Sinn von UVV 23/5 gehören, auf welchen Prämien zur Finanzierung des versicherten Risikos erhoben worden sind. Im zu beurteilenden Fall lag auch in Bezug auf den zweiten Arbeitgeber ein obligatorisch versicherter Berufsunfall vor, dessen Folgen das versicherte Risiko darstellen und für welches beide Arbeitgeber Prämien bezahlt haben. Somit gehörte gemäss Bundesgericht auch der Lohn beim zweiten Arbeitgeber zum Gesamtlohn, der massgebend für die Bemessung der Taggelder ist.
Kommentar
Verunfallt ein teilzeitbeschäftigter Arbeitnehmer während der Arbeit für einen von zwei oder mehr Arbeitgebern und wird dadurch an der Arbeitsleistung verhindert, und leistet der Arbeitgeber Lohnfortzahlungen für die versicherte Arbeitsunfähigkeit, empfiehlt es sich für den Arbeitgeber, dessen Versicherer leistungspflichtig ist, die Taggeldabrechnungen bzw. eine allfällige leistungsverweigernde Verfügung seines Unfallversicherers zu überprüfen, und gegebenenfalls Beschwerde einzureichen.
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