In der heutigen Zeit werden Arbeitnehmern in vielen Unternehmen Geschäftsfahrzeuge, Handys, Notebooks, Geräte usw. zum Gebrauch überlassen. Dabei fehlt es nicht selten an einer detaillierten vertraglichen Regelung betreffend Nutzungsrecht und Rückgabepflicht des Arbeitnehmers. Das Gesetz sieht ein Retentionsrecht vor, womit verhindert werden soll, dass der Arbeitgeber die Rückgabe einer abgegebenen Sache nicht verlangen kann, ohne die finanziellen Forderungen des Arbeitnehmers erfüllt zu haben. Die vorliegende Ausgabe soll am Beispiel eines Geschäftsfahrzeugs aufzeigen, wann sich der Arbeitnehmer auf das Retentionsrecht berufen kann, und was der Arbeitgeber allenfalls vorkehren kann, damit der Arbeitnehmer kein Retentionsrecht hat.
Voraussetzungen
Auf den Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat jede Vertragspartei der anderen alles herauszugeben, was sie für dessen Dauer von ihr oder von Dritten für deren Rechnung erhalten hat. Dabei hat der Arbeitnehmer insbesondere Fahrzeuge und Fahrausweise zurückzugeben sowie Lohn- oder Auslagenvorschüsse soweit zurückzuerstatten, als sie seine Forderungen übersteigen. Diese allgemeine Rückgabepflicht wird jedoch eingeschränkt durch ein gesetzlich vorbehaltenes Retentionsrecht (OR 339a).
Analog den allgemeinen Bestimmungen zum Retentionsrecht in ZGB 895 ff. hat der Arbeitnehmer ein Retentionsrecht an beweglichen Sachen oder Wertpapieren, die dem Arbeitgeber gehören, wenn die folgenden Voraussetzungen kumulativ erfüllt sind: Der Arbeitnehmer hat eine fällige Forderung gegen den Arbeitgeber und ist im Besitz von beweglichen Sachen oder Wertpapieren, die dem Arbeitgeber gehören, und die er mit dessen Einverständnis im Rahmen der Erfüllung des Arbeitsvertrags erhalten hat. Zurückbehalten werden können nur verwertbare bewegliche Sachen, d.h. sie müssen übertragbar sein und einen Vermögenswert aufweisen. Nicht retinierbar sind demnach Akten, Ausweise, Schlüssel oder Zeugnisse, da diese nicht verwertbar sind.
Unselbständiger Besitzer oder Besitzdiener?
Eine Retention ist nur dann rechtmässig, wenn der Arbeitnehmer Besitzer des zurückbehaltenen Objekts ist. Die Beurteilung dieser Voraussetzung ist jedoch oft problematisch. Gemäss ZGB 919 ist Besitzer, wer die tatsächliche Gewalt über eine Sache hat. Der Besitz kann selbständig – wenn der Eigentümer die Sache besitzt – oder unselbständig sein (OR 920). Neben diesen beiden Formen gibt es noch den Besitzdiener. Blosser Besitzdiener ist, wer zwar die tatsächliche Gewalt über eine Sache hat, jedoch diesbezüglich an die Weisungen des selbständigen oder unselbständigen Besitzers gebunden ist. Ein solches Verhältnis liegt in der Regel beim Arbeitnehmer an den Arbeitsgeräten vor, über die er die tatsächliche Gewalt erhält, ohne in die Rechtsstellung eines unselbständigen Besitzers einzutreten. Dem Besitzdiener steht kein Retentionsrecht zu.
Mit der Frage, ob der Arbeitnehmer unselbständiger Besitzer oder blosser Besitzdiener ist, hatten sich die Gerichte schon öfters zu befassen. Dabei kommt es auf die Ausgestaltung des Arbeitsvertrags an, welcher dem Arbeitnehmer eine mehr oder weniger selbständige Stellung gegenüber dem Arbeitgeber einräumt. Beispielsweise ein Lastwagenchauffeur eines Transportunternehmens, der nach Einsatzplan fährt, untersteht genauen Weisungen betreffend Verwendung des ihm anvertrauten Fahrzeugs. Obwohl Inhaber der tatsächlichen Gewalt über den Lastwagen, ist dieser Chauffeur nicht dessen Besitzer, sondern lediglich Besitzdiener des Arbeitgebers. In einem anderen Fall mussten die Richter entscheiden, ob ein Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber geleasten Fahrzeug überhaupt Besitzer sein kann. Der betreffende Leasingvertrag wurde vom Arbeitnehmer nicht mitunterzeichnet. Das Fahrzeug wurde für den ausdrücklichen Gebrauch durch den Arbeitnehmer geleast. Der Arbeitnehmer durfte es unbestrittenermassen sowohl für geschäftliche als auch für private Zwecke nutzen. Da der Arbeitnehmer das Fahrzeug nach freiem Ermessen benutzen durfte, nahm er die Rechtsstellung eines unselbständigen Besitzers und nicht bloss eines Besitzdieners ein. Demnach durfte der Arbeitnehmer am Geschäftsfahrzeug ein Retentionsrecht geltend machen und es zurückbehalten.
Haftung des retinierenden Arbeitnehmers
Verweigert der Arbeitnehmer unberechtigt die Rückgabe von Vermögenswerten, die er für die Dauer des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber erhalten hat, haftet der Arbeitnehmer nach OR 321e für allfällige sich daraus ergebende Schäden, wie z.B. die Kosten für ein Ersatzgeschäftsfahrzeug. Diese Haftung wird von den Gerichten aber bei Fahrlässigkeit je nach dessen Grad auf ein bis drei Monatslöhne begrenzt und geht nur bei Vorsatz darüber hinaus. Wenn der Arbeitnehmer das Retentionsobjekt unberechtigt nutzt – z.B. wenn das Geschäftsfahrzeug nur für geschäftlichen Gebrauch überlassen worden ist und es der Arbeitnehmer trotz Freistellung weiterhin nutzt –, dieses beschädigt oder es sogar untergeht, haftet der Arbeitnehmer zusätzlich nach ZGB 890 für den aus der Wertverminderung oder aus dem Untergang entstandenen Schaden. Von dieser Haftung kann er sich nur befreien, sofern er nachweist, dass der Schaden ohne sein Verschulden eingetreten ist.
Kommentar
Da es sich beim Retentionsrecht um eine absolut zwingende Gesetzesbestimmung handelt, kann sie nicht durch Vertrag abgeändert oder wegbedungen werden. Es ist jedoch empfehlenswert, die allfällige Nutzung eines Geschäftsfahrzeugs im Arbeitsvertrag zu regeln. Dabei ist es zulässig insbesondere festzuhalten, dass dem Arbeitnehmer im gekündigten Arbeitsverhältnis keine private Nutzung mehr zusteht. Das hat zur Folge, dass der Arbeitnehmer nach erfolgter Kündigung automatisch zum blossen Besitzdiener wird und entsprechend am Geschäftsfahrzeug kein Retentionsrecht mehr hat. Zudem kann es je nach Situation ratsam sein, dem Arbeitnehmer den Retentionsgegenstand bereits bei der Kündigung abzunehmen. Wurde jedoch vertraglich die private Nutzung vorbehaltlos vereinbart, müsste die wegfallende private Nutzung zwischen Kündigung und Vertragsende entschädigt werden.
Berücksichtigte Literatur: „Retentionsrecht des Arbeitnehmers – Konsequenzen für den Arbeitgeber“ von Prof. Dr. iur. Roland Müller / M.A. HSG Stefan Rieder in AJP 3/2009.
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