Ob eine Dienstleistung als bewilligungspflichtiger Personalverleih zu qualifizieren ist oder ob es sich dabei um andere Arten von Dienstleistungen handelt, die einem Dritten erbracht werden, ergibt sich nach bundesgerichtlicher Praxis und Lehre aus einer Abgrenzung im Einzelfall. Massgeblich sind hierbei der Inhalt des Vertrags und die Umschreibung der konkreten Tätigkeit im Einsatzbetrieb. Hingegen kann die Bezeichnung des Vertrags durch die Parteien nicht entscheidend sein. Als Hilfskriterien für Abgrenzungsfragen orientiert sich die Rechtsprechung auch an den Weisungen und Erläuterungen zum Arbeitsvermittlungsgesetz des SECO. Im hier behandelten Urteil 2C_132/2018 qualifizierte das Bundesgericht einen Betreuungs- und Hausdienst als bewilligungspflichtigen Personalverleih.
Ausgangslage
Mit Verfügung vom 23. August 2016 stellte das SECO fest, die A. GmbH betreibe mit ihrem Geschäftsmodell eine Personalverleihtätigkeit, für deren Ausübung sie eine Betriebsbewilligung des kantonalen Arbeitsamts und des SECO gemäss Art. 12/1 und 2 des Arbeitsvermittlungsgesetzes (AVG) benötige. Zudem wurde festgestellt, dass die A. GmbH nicht im Besitze dieser Betriebsbewilligung sei und ihre Tätigkeit umgehend einzustellen habe. Eine gegen diese Verfügung erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht ab, worauf die A. GmbH Beschwerde beim Bundesgericht einreichte und beantragte, das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass das Geschäftsmodell der A. GmbH als Arbeitsvermittlung zu qualifizieren ist.
Private Arbeitsvermittlung oder…
Ziel der Vermittlung muss der Abschluss eines Arbeitsvertrags gemäss OR 319 ff. sein. Die Arbeitsvermittlung findet im Vorfeld eines Arbeitsverhältnisses statt. Die Dienstleistungen des Arbeitsvermittlers bestehen darin, Informationen über offene Stellen zusammenzutragen, aufzubereiten und an den Arbeitsuchenden weiterzugeben. Der Arbeitsvermittler kann je nach Umständen selber Kontakte zwischen potentiellen Arbeitnehmern und Arbeitgebern herstellen und dem Arbeitsuchenden Empfehlungen abgeben. Arbeitsvermittler können auch Tätigkeiten ausüben, die über das Zusammenführen möglicher Parteien eines Arbeitsverhältnisses hinausgehen, doch müssen diese Tätigkeiten eine sachliche Nähe zur Arbeitsvermittlung aufweisen. Dies ist beispielsweise der Fall bei der Organisations-, Unternehmens- und individuellen Karriereberatung. Im vorliegenden Fall besass die A. GmbH die eidgenössische Bewilligung des SECO zur grenzüberschreitenden Arbeitsvermittlung (AVG 2).
…bewilligungspflichtiger Personalverleih?
Die rechtliche Ausgestaltung des Personalverleihs ist darauf ausgelegt, den administrativen Aufwand, den eine arbeitsrechtliche Anstellung nötig machen würde, vom Einsatzbetrieb fernzuhalten. Gegen ein Entgelt soll die Rekrutierung von Personal und die Administration des Arbeitsverhältnisses, wie die Auszahlung des Lohns oder die Abrechnung mit den Sozialkassen, durch einen auf diese Aufgaben spezialisierten Personalverleiher erledigt werden, während der Einsatzbetrieb von den Rechtspflichten eines Arbeitgebers möglichst befreit sein soll. Die Delegation des Weisungsrechts ist ein wesentliches Element des Personalverleihs. Es kommt zu einer Aufspaltung der Arbeitgeberfunktion und des Weisungsrechts zwischen Einsatzbetrieb und Personalverleiher. Daher wird mitunter der Einsatzbetrieb als faktischer Arbeitgeber und der Personalverleiher als rechtlicher Arbeitgeber bezeichnet. Das Kündigungsrecht betreffend den Arbeitsvertrag steht ausschliesslich dem Personalverleiher zu.
Gemäss Weisungen des SECO lassen folgende Kriterien auf die Erbringung einer Arbeitsleistung in Form des Personalverleihs schliessen: Das Weisungs- und Kontrollrecht liegt beim Einsatzbetrieb; der Arbeitnehmer verrichtet seine Arbeitstätigkeit primär am Sitz des Einsatzbetriebs mit den vom Einsatzbetrieb zur Verfügung gestellten Werkzeugen, Materialien oder Geräten; der Einsatzbetrieb trägt die Gefahr für eine allfällige Schlechterfüllung der Arbeitsleistung, während der Verleiher nur für die gute Auswahl des Arbeitnehmers haftet, jedoch keinen bestimmten Erfolg garantiert.
Im vorliegenden Fall bot die A. GmbH Senioren Betreuung und Unterstützung zu Hause an. Sie schloss mit den Senioren einen «Dienstleistungsvertrag für die Vermittlung von Arbeitskräften als Unterstützung in der Seniorenbetreuung und im Haushalt» ab. Gegenstand dieses Vertrags war «die Vermittlung von ausländischen Arbeitskräften zur Haushalts- und Betreuungsunterstützung». Dabei klärte die A. GmbH die spezifische Haushalts- und Mobilitätssituation bei Senioren ab, suchte und vermittelte bestmöglich geeignete Hilfen für ältere Menschen, damit diesen so ein längeres Leben in den eigenen vier Wänden ermöglicht wurde. Zudem konnte bedarfsweise Beratung bei Infrastrukturfragen und Hilfe bei allfällig entstehenden Problemen angeboten werden. Die A. GmbH war Kontakt- und Ansprechstelle für die Kundschaft und die Arbeitskräfte während der gesamten Vertragsdauer. Die Bedarfsabklärung erfolgte gestützt auf den Fragebogen «Erhebung Betreuungs- und Unterstützungsaufwand/Wohnsituation». Die durch die A. GmbH angebotenen Dienstleistungen konnten der «Kostengliederung Vermittlung und treuhänderische Übernahme der Anstellungs-Administration» entnommen werden. Darin wurden die gesetzlichen Mindestlohnkosten für die Haushalt- und Betreuungskraft sowie die Kosten für die Arbeitskraftvermittlung, die Organisation der An- und Abreise und des Transports der Arbeitskraft aufgeführt. Ferner wurden – unter Hinweis auf die Notwendigkeit einer Vollmacht – weitere administrative Tätigkeiten aufgelistet, wie die Vorbereitung der Arbeitsverträge, die An- und Abmeldung bei der Gemeinde, der Sozialversicherungsanstalt und dem Steueramt, die Erstellung von Lohnabrechnungen oder die An- und Abmeldung bei der Unfall- und Krankenversicherung. Die einzelnen Arbeitsverträge mit den Betreuungskräften wurden schliesslich von den Senioren unterzeichnet. Dabei handelte es sich um standardisierte Verträge, die durch die A. GmbH vorbereitet und den Senioren bzw. ihren Angehörigen zur Unterschrift vorgelegt wurden. De facto wurden die Löhne und die Laufzeit der Verträge im Wesentlichen durch die A. GmbH bestimmt und der Entscheidungsspielraum der Senioren entsprechend eingeschränkt. Gemäss Bundesgericht führte die A. GmbH somit Tätigkeiten aus, die den Rahmen einer Arbeitsvermittlung bei Weitem sprengten. Vielmehr handelte es sich dabei um spezifische Tätigkeiten, die in der Regel ein Arbeitgeber (Personalverleiher) ausführt. Unbestritten war schliesslich, dass die A. GmbH gewerbsmässig handelte. Folglich bestand für das Bundesgericht vorliegend kein Anlass von der bisherigen Rechtsprechung abzuweichen, wonach Betreuungs- und Hausdienste unter die Bestimmungen des Personalverleihs fallen können, wobei für die Beurteilung stets die konkret vereinbarte Tätigkeit zwischen der betreffenden Organisation und den Kunden sowie die tatsächlichen Gegebenheiten beim Dritten bzw. im Einsatzbetrieb massgebend sind. Im Ergebnis qualifizierte das Bundesgericht die von der A. GmbH angebotenen Dienstleistungen als bewilligungspflichtigen Personalverleih.
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