2. Dezember 2013
Wenn die Mutter vor dem Ende des Mutterschaftsurlaubs die Tätigkeit wieder aufnimmt, auch in nur geringfügigem Umfang, endet der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung. Diese Rechtsfolge tritt unabhängig vom Beschäftigungsgrad ein. Nimmt die Mutter hingegen während dem Mutterschaftsurlaub einen geringfügigen Nebenerwerb mit einem AHV-massgebenden Lohn von nicht mehr als 2‘300 Franken pro Jahr auf, so bleibt der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung bestehen (BGE 139 V 250).
Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung
Der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung entsteht am Tag der Niederkunft und endet am 98. Tag danach (Bundesgesetz über den Erwerbsersatz für Dienstleistende und bei Mutterschaft, EOG, Art. 16c und 16d). Er endet vorzeitig, wenn die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wieder aufnimmt oder wenn sie stirbt (EOG 16d). In Art. 25 der Verordnung zum Erwerbsersatzgesetz (EOV) wird präzisiert, dass der Anspruch auf Entschädigung am Tag der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit unabhängig vom Beschäftigungsgrad endet. Schliesslich hält das Kreisschreiben über die Mutterschaftsentschädigung (KS MSE) des Bundesamtes für Sozialversicherungen unter der Randziffer 1033 ebenfalls fest, dass der Anspruch spätestens am 98. Tag nach seinem Beginn endet, und präzisiert, dass er vor Ablauf dieser Frist endet, wenn die Mutter die Erwerbstätigkeit wieder aufnimmt und zwar unabhängig vom Beschäftigungsgrad und der Beschäftigungsdauer. Es ist offensichtlich, dass diese beiden letzten Bestimmungen viel restriktiver formuliert sind als EOG 16d und es stellt sich die Frage, ob diese Formulierung gesetzeskonform ist, und wenn ja, wie sie zu interpretieren ist.
Dem eingangs erwähnten Urteil des Bundesgerichts lag folgender Sachverhalt zugrunde: Eine Lehrerin mit einem Beschäftigungsgrad von über 96% arbeitete nebenbei im Betrieb ihres Partners, dem Vater ihres gemeinsamen Kindes. Während des Mutterschaftsurlaubs hat die Lehrerin siebzehn Stunden im Betrieb ihres Partners weitergearbeitet. Aufgrund dessen hat die Ausgleichskasse die Bezahlung der Mutterschaftsentschädigung ab diesem Zeitpunkt eingestellt mit der Begründung, dass mit der Wiederaufnahme ihrer Erwerbstätigkeit im Betrieb ihr Leistungsanspruch endete.
Teilerwerbstätigkeit
Das Bundesgericht hat eine Analyse der Vorarbeiten zur Verabschiedung von EOG 16d vorgenommen und festgestellt, dass der Gesetzgeber wollte, dass die vorzeitige teilweise Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Mutter als Erwerbstätigkeit im Sinn von EOG 16d zu betrachten ist und damit der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung vorzeitig endet. Somit hat EOV 25, der festhält, dass der Anspruch auf Entschädigung am Tag der Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit unabhängig vom Beschäftigungsgrad endet, den Willen des Gesetzgebers konkretisiert und ist somit bundesrechtskonform.
Geringfügiger Nebenerwerb
Das Bundesgericht hat anschliessend geprüft, ob die Wiederaufnahme eines geringfügigen Nebenerwerbs durch die Mutter als Teilerwerbstätigkeit im Sinn von EOG 16d zu qualifizieren ist. Diese Gesetzesbestimmung ist sehr allgemein formuliert. Sie schliesst nach Ansicht des Bundesgerichts nicht aus, dass der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung dann fortbesteht, wenn nicht eine Haupterwerbstätigkeit wieder aufgenommen worden ist, sondern ein geringfügiger Nebenerwerb, der nicht als Teilerwerbstätigkeit gemäss EOG 16d qualifiziert werden kann. Das Bundesgericht hatte in der Folge ein objektives Kriterium zu finden, ab wann die vorzeitige Wiederaufnahme eines geringfügigen Nebenerwerbs durch die Mutter als Teilerwerbstätigkeit gemäss EOG 16d zu qualifizieren ist. Dabei hat es sich auf Art. 34d der Verordnung über die Alters- und Hinterlassenenversicherung gestützt, wonach vom massgebenden Lohn, der je Arbeitgeber den Betrag von 2‘300 Franken im Kalenderjahr nicht übersteigt, die Beiträge nur auf Verlangen des Versicherten erhoben werden. Gemäss Bundesgericht kann der Höchstbetrag für geringfügigen Lohn als objektives Kriterium zur Bestimmung der Lohngrenze herangezogen werden, oberhalb welcher der vorzeitig aufgenommene geringfügige Nebenerwerb der Mutter eine Teilerwerbstätigkeit im Sinn von EOG 16d darstellt.
Kommentar
Dieses Urteil des Bundesgerichts scheint klar zu sein. Dennoch bleibt off en, wie entschieden würde, wenn die Mutter vorzeitig bei mehreren Arbeitgebern wieder geringfügigen Nebenerwerb aufnimmt, der pro Arbeitgeber 2‘300 Franken im Kalenderjahr nicht übersteigt, insgesamt aber darüber liegt.
Ergänzend zu bemerken gilt es noch Folgendes: Wird nur der Unterricht (beispielsweise bei Lehrlingen) oder eine arbeitsmarktliche Massnahme der Arbeitslosenversicherung besucht, kommt dies keiner Erwerbsaufnahme gleich und der Anspruch auf die Mutterschaftsentschädigung besteht fort (KS MSE, Randziffer 1033.1).
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