Missbräuchliche Kündigung

1. März 2016

Missbräuchliche Kündigung

Erhebt ein Arbeitnehmer wegen angeblicher Missbräuchlichkeit Einsprache gegen eine Kündigung, streiten sich die Parteien oft darüber, welches der tatsächliche Grund war, der zur Kündigung führte. Beruht eine Kündigung auf verschiedenen Gründen, wovon einige missbräuchlich sind, andere hingegen nicht, so stützt das Bundesgericht seinen Entscheid über die Missbräuchlichkeit der Kündigung auf jenen Kündigungsgrund ab, der für die kündigende Partei wahrscheinlich der überwiegende und ausschlaggebende Grund war. Anlass zur Behandlung dieses Themas geben zwei aktuelle Urteile des Bundesgerichts (4A_437/2015 und 4A_485/2015).

Vorliegen verschiedener Kündigungsgründe

Schwierig und unklar ist die Situation, wenn gleichzeitig sowohl missbräuchliche als auch zulässige Kündigungsgründe bestehen. In diesen Fällen wird die kündigende Partei versuchen, die zulässigen Kündigungsgründe in den Vordergrund zu stellen und diese geltend zu machen. Worauf stützt sich aber ein Gericht bei der Beurteilung, ob eine Kündigung missbräuchlich ist oder nicht? Beruht eine Kündigung auf verschiedenen Gründen, wovon einige missbräuchlich sind, andere hingegen nicht, so stützt das Bundesgericht seinen Entscheid über die Missbräuchlichkeit der Kündigung auf jenen Kündigungsgrund ab, der für die kündigende Partei wahrscheinlich der überwiegende und ausschlaggebende Grund war. Massgebend ist also nur derjenige Grund, der das Fass gewissermassen zum Überlaufen brachte oder mindestens derart wesentlich war, dass ohne sein Vorliegen nicht gekündigt worden wäre. Sind unter mehreren Kündigungsgründen zwar einzelne missbräuchlich, hätte der Arbeitgeber aber aufgrund der anderen zulässigen Kündigungsgründe auch gekündigt, so ist nur auf letztere abzustellen, denn die missbräuchlichen Gründe waren dann nicht mehr entscheidend für die Kündigung. Ist ein missbräuchlicher Grund mit hoher Wahrscheinlichkeit gegeben, so hat der Kündigende nachzuweisen, dass die Kündigung auch ausgesprochen worden wäre, wenn der als missbräuchlich zu bewertende Grund nicht existiert hätte. Anders ist die beweisrechtliche Lage dann, wenn die Kündigung teilweise geschlechtsdiskriminierend ist. Hier genügt es bereits, dass die kündigende Partei den diskriminierenden Kündigungsgrund glaubhaft macht.

Beispiele aus der Gerichtspraxis

Dem Urteil 4A_437/2015 lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Ein Hilfsmechaniker einer Garage arbeitete gemäss Rapport des jährlichen Mitarbeitergesprächs engagiert und qualitativ gut und war hilfsbereit. Nach einem Direktorenwechsel gab es nach und nach Schwierigkeiten in der Beziehung unter den Parteien. Nach einem Gespräch mit dem Direktor und seinem Stellvertreter war der Arbeitnehmer während gut viereinhalb Monaten aufgrund einer schweren Depression an der Arbeit verhindert. Anschliessend nahm er die Arbeit wieder nach und nach zu 50% bzw. 60% auf. Aufgrund dieses Vorfalls richteten sich die Arbeitnehmer der Garage an die Direktion, machten eine nicht tolerierbare Situation geltend und warfen der Direktion Einschüchterungen, Drohungen, Demütigungen, Beleidigungen, übertriebene Forderungen, Druckmittel und aggressives Verhalten vor. Zudem gaben sie an, dass die Kommunikation mit dem neuen Direktor unmöglich sei. Nach Ablauf der gesetzlichen Kündigungssperrfrist kündigte der Arbeitgeber dem Hilfsmechaniker und gab wirtschaftliche Gründe an. Der Hilfsmechaniker erhob Einsprache gegen die Kündigung gemäss OR 336b.

Im zu beurteilenden Fall lagen mehrere Kündigungsgründe vor. Der Arbeitgeber gab wirtschaftliche Gründe an, die zu einem Personalabbau in verschiedenen Abteilungen führte, so auch in der Abteilung des Hilfsmechanikers. Der Arbeitgeber musste sich entscheiden, ob er dem Hilfsmechaniker oder seinem Arbeitskollegen kündigt. Beide arbeiteten seit mehr als elf Jahren zur vollen Zufriedenheit im Betrieb. Bei der Entscheidung spielte die Arbeitsunfähigkeit des Hilfsmechanikers eine entscheidende Rolle. Dies war der einzige festgestellte Grund, weshalb dem Hilfsmechaniker gekündigt wurde und nicht seinem Arbeitskollegen. Da die Arbeitsunfähigkeit durch ein dem Arbeitgeber zuzuschreibendes Verhalten provoziert wurde, war sie gemäss Bundesgericht kein schützenswerter Kündigungsgrund. Der Arbeitgeber konnte nicht nachweisen, dass dem Hilfsmechaniker auch gekündigt worden wäre, wenn der als missbräuchlich bewertete Grund nicht existiert hätte. Somit beurteilte das Bundesgericht – entgegen der Vorinstanz – die Kündigung als missbräuchlich. Die Sache wurde zur Bestimmung der Höhe der Entschädigung an die Vorinstanz zurückgewiesen.

Dem Urteil 4A_485/2015 lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Schon bevor ein Storenfachmann seine Stelle antrat, war er Mitglied einer Gewerkschaft. Einige Zeit nach Stellenantritt bewog er sechs Arbeitskollegen zum Beitritt zu dieser Gewerkschaft und zu Protestaktionen gegen den Arbeitgeber. Er nahm mit einem Gewerkschaftssekretär Kontakt auf, der ihn ermutigte, ein Kollektivschreiben zu verfassen. Darin forderten sie einen 13. Monatslohn sowie eine fünfte Ferienwoche ab 50 Jahren. Am selben Tag verweigerten die sieben Mitarbeiter die Arbeit. Der Arbeitgeber weigerte sich, auf ihre Forderungen einzutreten und drohte mit fristloser Entlassung. In der Folge kam es zu Gesprächen zwischen der Gewerkschaft und dem Direktor. Kurz danach wurde dem Storenfachmann gekündigt. Der Arbeitgeber begründete die Kündigung in einem Schreiben mit einem Auftragsrückgang und unvorteilhaften Perspektiven in der Baubranche. Der Storenfachmann erhob Einsprache gegen die Kündigung und machte u.a. eine Verletzung von OR 336/2 lit. a geltend. Danach ist eine Kündigung missbräuchlich, wenn sie ausgesprochen wird, weil der Arbeitnehmer einem Arbeitnehmerverband angehört oder nicht angehört oder weil er eine gewerkschaftliche Tätigkeit rechtmässig ausübt.

Gemäss Vorinstanz war der geltend gemachte wirtschaftliche Grund nur vorgeschoben, um sich vom Storenfachmann trennen zu können, da er im Betrieb eine schlechte Rolle spielte. Der tatsächliche Grund lag jedoch in seiner gewerkschaftlichen Mitgliedschaft und seiner gewerkschaftlichen Tätigkeit. Vor Bundesgericht konnte der Arbeitgeber nicht nachweisen, dass der Storenfachmann seine gewerkschaftliche Tätigkeit in Missachtung des Gesetzes oder seines Arbeitsvertrags ausgeübt hatte. Somit war die Kündigung missbräuchlich, da sie gegen die gewerkschaftliche Freiheit verstiess. Die dem Storenfachmann von der Vorinstanz zugestandene Entschädigung von gut 2,5 Monatslöhnen war gemäss Bundesgericht nicht zu beanstanden.

Kommentar

Der Arbeitgeber, der aus wirtschaftlichen Gründen Kündigungen aussprechen muss, ist gut beraten, sich vorgängig gut zu überlegen, wem er kündigt und wer möglicherweise weshalb Einsprache gegen die Kündigung erheben könnte. Denn vor Gericht hat er allenfalls nachzuweisen, dass er einem Arbeitnehmer auch gekündigt hätte, wenn der als missbräuchlich zu bewertende Grund nicht existiert hätte.

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