Massenentlassung

1. April 2011

Massenentlassung

Beabsichtigt der Arbeitgeber, eine Massenentlassung im Sinn des Gesetzes vorzunehmen, so hat er die Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, die Arbeitnehmer zu konsultieren (OR 335f/1). Dabei hat er insbesondere alle zweckdienlichen Auskünfte zu erteilen. Zur Frage, welche Informationen „zweckdienlich“ sind, hatte das Bundesgericht im Entscheid 4A_483/2010 vom 17. März 2011 Stellung zu nehmen.

Konsultation der Arbeitnehmer

Mit der Konsultation gibt der Arbeitgeber der Arbeitnehmervertretung oder, falls es keine solche gibt, den Arbeitnehmern zumindest die Möglichkeit, Vorschläge zu unterbreiten, wie die Kündigungen vermieden oder deren Zahl beschränkt sowie ihre Folgen gemildert werden können (OR 335f/2). Die Arbeitnehmer sollen die Möglichkeit haben, den Arbeitgeber zu veranlassen, von ihnen vorgeschlagene alternative Massnahmen zu prüfen, bevor sich dieser endgültig zu einer Massenentlassung entschliesst. Der Arbeitgeber hat die Konsultation so frühzeitig einzuleiten, dass sie abgeschlossen werden kann, bevor er sich endgültig entscheiden muss, ob und in welcher Form er die in Aussicht genommene Massenentlassung vornimmt. Die Konsultation räumt den Arbeitnehmern die Möglichkeit ein, dem Arbeitgeber Lösungsvorschläge zu unterbreiten, ohne dass dieser verpflichtet ist, sie zu verwirklichen. Die Zusammenarbeit zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmervertretung basiert auf dem Grundsatz von Treu und Glauben (Art. 11 Mitwirkungsgesetz), so dass der Arbeitgeber gehalten ist, die Lösungsvorschläge seriös zu prüfen.

Der Arbeitgeber kann den Arbeitnehmern eine Frist zur Stellungnahme ansetzen. Bei der Bemessung der Frist hat er sich an den Grundsatz von Treu und Glauben zu halten. Die Arbeitnehmer müssen genügend Zeit erhalten, um die Informationen des Arbeitgebers verarbeiten, konstruktive Vorschläge formulieren und sie dem Arbeitgeber zur Kenntnis bringen zu können. Allerdings haben sowohl die Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber ein Interesse an einer raschen Ausarbeitung der Vorschläge. Für die Bemessung der Konsultationsfrist lassen sich gemäss Bundesgericht keine allgemeinen Regeln aufstellen. Massgebend sind die konkreten Umstände wie die Komplexität der sich stellenden Fragen und die Dringlichkeit der beabsichtigten Massenentlassung. Lässt der Arbeitgeber den Arbeitnehmern zu wenig Zeit zu einer sachgerechten Prüfung und Stellungnahme, so verletzt er die Pflichten, die ihm OR 335f auferlegt. Die Kündigungen, die er im Anschluss an die ungenügende Konsultation ausspricht, sind deshalb missbräuchlich im Sinn von OR 336/2c.

„Zweckdienliche“ Auskünfte

Mit der Regelung von OR 335f soll sichergestellt werden, dass vor der Kündigung unter Einbezug der Arbeitnehmer die Möglichkeiten, die Entlassungen zu verhindern oder deren Folgen zu mildern, abgeklärt werden. Nicht Zweck der in dieser Bestimmung geregelten Auskunftspflicht ist jedoch die Information Dritter, namentlich der Öffentlichkeit. Die Informationspflicht des Arbeitgebers im Rahmen der Konsultation (OR 335f/3) umfasst eine Auskunftspflicht und eine Mitteilungspflicht. Letztere beinhaltet die schriftliche Mitteilung der Gründe der Massenentlassung, der Zahl der zu entlassenden Arbeitnehmer, der Zahl der in der Regel beschäftigten Arbeitnehmer sowie des Zeitraums, in dem die Kündigungen ausgesprochen werden sollen. Die Auskunftspflicht umfasst die Erteilung aller zweckdienlichen Auskünfte. Sie ist im Gesetz nicht näher konkretisiert und entsprechend auslegungsbedürftig. Sie kann, im Gegensatz zur Mitteilungspflicht, auch mündlich erfüllt werden.

Gemäss Bundesgericht kann die Zweckdienlichkeit der dem Arbeitgeber unterbreiteten Fragen nicht allein mit Blick auf die dem Arbeitgeber tatsächlich vorgeschlagenen Projekte beurteilt werden. Gerade Informationen, die sich für die Ausarbeitung von zusätzlichen Vorschlägen als notwendig erweisen, sind zweckdienlich. Verweigert der Arbeitgeber diese Auskünfte, verletzt er die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer. Für die Annahme einer Verletzung der Mitwirkungsrechte und damit der Missbräuchlichkeit der Kündigung kann aber nicht genügen, dass nicht oder nicht hinreichend beantwortete Fragen im Voraus betrachtet theoretisch hätten zweckdienlich sein können. Während ein Grundstock an Informationen unverzichtbar ist, damit überhaupt nach vernünftigen Alternativen gesucht werden kann, ist das Feld der Informationen, die vorgängig betrachtet theoretisch einmal zweckdienlich sein könnten, praktisch unbegrenzt. Stellt sich im Nachhinein aber heraus, dass die verlangte Auskunft den Arbeitnehmern im konkreten Fall nicht erlaubt hätte, andere oder verbesserte Lösungen vorzuschlagen, wurden die Möglichkeiten, Alternativlösungen zu suchen, durch das Vorenthalten der Information nicht beeinträchtigt und die Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer im Ergebnis nicht verletzt. Wird der Arbeitgeber wahllos mit allen Fragen überhäuft, die im Voraus betrachtet für die Ausarbeitung von Projekten theoretisch hilfreich sein könnten, verursacht dies unnötigen Aufwand und kann zu Verzögerungen bei der Erteilung der Auskünfte führen. Ein Verhalten nach Treu und Glauben gebietet vielmehr, sich zunächst auf die für die Auswahl erfolgversprechender Projekte notwendigen Informationen zu konzentrieren und nur diejenigen Zusatzauskünfte zu verlangen, die für die Ausarbeitung dieser Projekte konkret benötigt werden. Auf Grund dieser Ausführungen ist gemäss Bundesgericht zur Begründung einer Verletzung der Mitwirkungsrechte zufolge mangelhafter Auskunftserteilung, soweit diese über die obligatorische Mitteilungspflicht nach OR 335f/3a-d hinausreicht, unerlässlich, aufzuzeigen, inwiefern die verlangten Informationen konkret zur Ausarbeitung weiterer oder zur Verbesserung bestehender Vorschläge hätten dienen können. 

Kommentar

Auf Grund dieses Bundesgerichtsentscheides empfehlen wir den Arbeitgebern, jeweils von der Arbeitnehmervertretung oder den Arbeitnehmern zu verlangen, dass sie aufzuzeigen haben, inwiefern die nachgefragten Informationen, soweit diese über die obligatorische Mitteilungspflicht nach OR 335f/3a-d hinausreichen, konkret zur Ausarbeitung weiterer oder zur Verbesserung bestehender Vorschläge dienen können.

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