1. Februar 2008
Das Bundesgericht hat im Urteil 4A_385/2007 vom 28. November 2007 entschieden, dass der sachliche Kündigungsschutz nach OR 336 auch während der Probezeit zur Anwendung kommen kann. Das heisst, auch eine während der Probezeit ausgesprochene Kündigung kann unter Umständen missbräuchlich sein. Gemäss Bundesgericht gilt es aber, im Einzelfall zu entscheiden, ob die Kündigung, welche einen Tatbestand nach OR 336 erfüllt oder in einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis sonst als missbräuchlich angesehen würde, mit Blick auf den durch die Probezeit verfolgten Zweck zulässig erscheint.
Missbräuchliche Kündigung
Ob der sachliche Kündigungsschutz auch während der Probezeit gilt, wird in der Lehre uneinheitlich beurteilt. Das Bundesgericht hatte diese Frage bisher nicht abschliessend beurteilt. Es hatte allerdings festgehalten, für den Fall, dass der Kündigungsschutz zur Anwendung kommen sollte, sei nur mit Zurückhaltung auf die Missbräuchlichkeit der Kündigung zu schliessen (Urteil 4A_281/2007 vom 18. Oktober 2007). Der Schutz vor missbräuchlichem Verhalten ergibt sich indessen bereits aus dem allgemeinen Rechtsmissbrauchsverbot von ZGB 2, das durch OR 336 konkretisiert wird, wobei die Aufzählung in OR 336 nicht abschliessend ist. Soweit die Lehre die Missbrauchsbestimmungen nicht oder nur einschränkend zur Anwendung kommen lassen will, rechtfertigt sie dies mit Hinweis auf den Sinn und Zweck der Probezeit. Damit ist gemäss Bundesgericht grundsätzlich davon auszugehen, dass auch eine Kündigung während der Probezeit missbräuchlich sein kann. Zu prüfen bleibt aber im Einzelfall, ob die Kündigung, welche als missbräuchlich angesehen würde, unter Berücksichtigung des Zwecks der Probezeit zulässig erscheint.
Die Probezeit soll den Arbeitsvertragsparteien die Möglichkeit bieten, einander kennen zu lernen, was zur Schaffung eines Vertrauensverhältnisses notwendig ist. Sie erlaubt den Parteien abzuschätzen, ob sie die gegenseitigen Erwartungen erfüllen, und sie werden in die Lage versetzt, über die in Aussicht genommene langfristige Bindung in Kenntnis der konkreten Umstände zu urteilen. Das Recht, während der Probezeit mit verkürzter Frist zu kündigen, ist ein Ausfluss der Vertragsfreiheit. Bei Abschluss des Vertrages liegt es grundsätzlich im Belieben des Arbeitgebers, welchen von mehreren Kandidaten er einstellen will. Ebenso entscheidet der Arbeitnehmer frei, für welche Arbeitsstelle er sich bewirbt.
Nach OR 335b wirkt diese Abschlussfreiheit in die Probezeit nach, indem die Parteien den Entscheid über eine langfristige Bindung auf Grund der in der Probezeit gewonnenen Erkenntnisse frei treffen können. Soweit sich die Kündigung an diesem Zweck der Probezeit orientiert, ist allein darin, dass ihr etwas „Willkürliches“ anhaftet, in der Tat kein Rechtsmissbrauch zu erblicken. Die zulässige „Willkür“ entspricht der Freiheit der Parteien, darüber zu entscheiden, ob sie sich langfristig binden wollen.
Der eingangs erwähnte vom Bundesgericht zu beurteilende Fall lag jedoch anders. Die Arbeitgeberin wusste bei Vertragsabschluss, dass der Arbeitnehmer zu 20% für einen anderen Arbeitgeber tätig war. Es musste ihr klar sein, dass dem Arbeitnehmer eine sofortige Aufgabe dieser Tätigkeit kaum möglich oder zumutbar sein würde. Indem die Arbeitgeberin in den Vertragsverhandlungen lediglich eine Pensumsaufstockung in unbestimmter Zukunft thematisierte, gab sie dem Arbeitnehmer nach Treu und Glauben zu verstehen, dass seine anderweitige Tätigkeit, die einem sofortigen Ausbau seiner Arbeit für die Arbeitgeberin entgegenstand, keinen Hintergrund für dessen Anstellung bildete. Wenn sie dennoch umgehend wegen der mangelnden sofortigen Verfügbarkeit des Arbeitnehmers kündigte, liegt darin gemäss Bundesgericht nicht eine vom Zweck der Probezeit erfasste „zulässige Willkür“, sondern ein Verhalten, das im Widerspruch zu erwecktem Vertrauen steht und keinen Rechtsschutz verdient, zumal es nicht in Erkenntnissen gründet, die erst auf Grund der Arbeit während der Probezeit gewonnen wurden. Die Kündigung erfolgte zudem als Reaktion darauf, dass der Arbeitnehmer seinen Anspruch auf die vorläufige Einhaltung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit von 80% geltend gemacht hatte. Damit wurde gemäss Bundesgericht die Kündigung zu Recht als missbräuchlich qualifiziert.
Kein zeitlicher Kündigungsschutz
Während der Probezeit gilt der zeitliche Kündigungsschutz nicht. Oder mit anderen Worten, es gibt während der Probezeit keine Sperrfristen, während denen nicht ordentlich gekündigt werden kann bzw. durch die eine Kündigungsfrist unterbrochen und das Arbeitsverhältnis verlängert wird. Dies ergibt sich als Umkehrschluss aus OR 336c/1 und 336d/1, wonach die Sperrfristen nur nach Ablauf der Probezeit gelten. Das bedeutet einerseits, dass der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis während der Probezeit auch dann ordentlich kündigen kann, wenn der Arbeitnehmer beispielsweise krankheits- oder unfallbedingt an der Arbeitsleistung verhindert ist oder schweizerischen obligatorischen Militärdienst leistet. Auch einer schwangeren Arbeitnehmerin kann während der Probezeit ordentlich gekündigt werden, jedoch darf die Schwangerschaft nicht der Kündigungsgrund sein, da die Kündigung diesfalls diskriminierend und damit missbräuchlich wäre. Hat der Arbeitgeber andererseits während der Probezeit gekündigt, und wird die Arbeitnehmerin in der Kündigungsfrist wegen Krankheit oder Unfall arbeitsunfähig oder schwanger, hat dies keinen Einfluss auf den Bestand des Arbeitsverhältnisses und der ursprüngliche Kündigungstermin bleibt unverändert bestehen.
Kommentar
Es gilt, sich bewusst zu sein – wie der erwähnte Bundesgerichtsentscheid deutlich macht – dass Vertragsverhandlungen unter Umständen von entscheidender Bedeutung sein können bei der Beurteilung, ob eine Kündigung, auch während der Probezeit, als missbräuchlich zu qualifizieren ist. Da es während der Probezeit keinen zeitlichen Kündigungsschutz gibt, kann es sinnvoll sein, schriftlich eine Verlängerung der Probezeit (höchstens drei Monate) zu vereinbaren.
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