Kündigungsschutz und Lohnzahlung

Zeitlicher Kündigungsschutz gemäss OR 336c (bei Krankheit, Unfall, Militärdienst und Schwangerschaft/Mutterschaft) und Lohnzahlungs- bzw. Lohnfortzahlungspflicht gelten unabhängig voneinander und sind nicht koordiniert. Der Arbeitnehmer hat während einer durch eine Sperrfrist verlängerten Kündigungsfrist nur dann Anspruch auf Lohn, wenn er entweder arbeitet, an der Arbeit nach OR 324a oder 324b verhindert ist, Ferien bezieht oder die Arbeit wegen Verzug des Arbeitgebers nicht leisten kann.

Zwei jüngere Bundesgerichtsentscheide (4C.230/2005 vom 1. September 2005 und 4C.346/2005 vom 29. November 2005) haben die langjährige Praxis des Bundesgerichts (BGE115 V 437 vom 17. August 1989) bestätigt, wonach der Arbeitgeber den Arbeitnehmer grundsätzlich nicht auf die Sperrfristen aufmerksam machen muss, und Annahmeverzug des Arbeitgebers in der Regel erst vorliegt, wenn der Arbeitnehmer die Arbeit eindeutig angeboten hat.

Annahmeverzug

Kommt der Arbeitnehmer seiner Arbeitspflicht nicht nach und liegen keine anerkannten Verhinderungsgründe vor, so gerät er wegen Nichterfüllung des Vertrags in Verzug, ohne dass es einer Mahnung bedarf (OR 102 ff.). Der Arbeitgeber kann in diesem Fall für die Dauer der fehlenden Arbeitsleistung den Lohn verweigern (OR 82). Ebenso gelten die Regeln über den Annahmeverzug des Arbeitgebers. Kann die Arbeit infolge des Verschuldens des Arbeitgebers nicht geleistet werden oder kommt er aus anderen Gründen mit der Annahme der Arbeitsleistung in Verzug, so bleibt er zur Entrichtung des Lohnes verpflichtet, ohne dass der Arbeitnehmer zur Nachleistung verpflichtet ist (OR 324/1).

Nach der Praxis des Bundesgerichts liegt ein rechtsgenügliches, den Annahmerverzug des Arbeitgebers bewirkendes Arbeitsangebot des Arbeitnehmers nicht schon dann vor, wenn ein Arbeitgeber auf Grund der Umstände zu vermuten hat, dass der Arbeitnehmer während der verlängerten Kündigungsfrist für eine weitere Beschäftigung an sich zur Verfügung stünde. Die Bekundung genereller Arbeitsbereitschaft – lediglich dargetan durch die Tatsache, dass der arbeitsfähige Arbeitnehmer nach Ablauf der ursprünglichen Kündigungsfrist ohne Arbeit ist oder sich bei der Arbeitslosenversicherung zum Leistungsbezug angemeldet hat – stellt zum einen keine an den früheren Arbeitgeber gerichtete Mitteilung dar und bringt zum andern auch nicht ohne weiteres zum Ausdruck, dass der Arbeitnehmer tatsächlich bereit und willens ist, weiterhin für den bisherigen Arbeitgeber tätig zu sein. Es ist Sache des Arbeitnehmers, im Interesse seines Lohnanspruchs die notwendige Klarheit zu schaffen, was nur durch ein konkretes Arbeitsangebot an die Adresse des bisherigen Arbeitgebers geschehen kann, indem er diesem unmissverständlich seine Absicht bekannt gibt, für ihn während der verlängerten Kündigungsfrist tätig zu sein. Der Arbeitgeber gerät grundsätzlich nicht in Annahmeverzug, wenn er es unterlässt, den Arbeitnehmer aufzufordern, seine Arbeit während des nach OR 336c/2 Satz 2 (bzw. OR 335c) verlängerten Arbeitsverhältnisses weiterzuführen.

Rechtsirrtum

Davon gibt es keine Ausnahme, wenn der Arbeitnehmer seine Tätigkeit beim bisherigen Arbeitgeber während der verlängerten Kündigungsfrist auf Grund eines Rechtsirrtums nicht fortsetzt. Ein Arbeitgeber ist in der Regel nach allgemeinen obligationenrechtlichen Grundsätzen nicht verpflichtet, den Arbeitnehmer auf seine Rechte – hier auf den Kündigungsschutz – aufmerksam zu machen und sich im Hinblick auf solche Informationen die notwendigen Rechtskenntnisse anzueignen, so dass eine solche Unterlassung grundsätzlich nicht zu Verzugsfolgen führt. Eine Verpflichtung zu solchem Handeln ergibt sich auch nicht aus den Bestimmungen zum Kündigungsschutz oder einer allgemeinen Fürsorgepflicht des Arbeitgebers.

Gemäss Bundesgericht ist eine Aufklärungspflicht aus allgemeiner Fürsorgepflicht oder als Ausfluss aus dem Gebot des Handelns nach Treu und Glauben höchstens dann zu bejahen, wenn der Arbeitgeber den Irrtum des Arbeitnehmers bemerkte oder hätte bemerken müssen und gleichzeitig erkannte, dass der Arbeitnehmer durch die unterlassene Geltendmachung des Kündigungsschutzes einen irreparablen Nachteil erleidet. Dies würde jedoch voraussetzen, dass der Arbeitgeber sich nicht seinerseits in einem Rechtsirrtum befindet und gutgläubig von der Gültigkeit der unwirksamen Kündigung ausgeht, was jedenfalls bei einem „kleinen“ Arbeitgeber ohne besondere Personalorganisation nicht ohne weiteres ausgeschlossen werden darf.

Verzichtsverbot

Dass der Arbeitnehmer auf die Verlängerung der Kündigungsfrist gemäss OR 336c/2 auf Grund von OR 362/1 in Verbindung mit OR 341 nicht zum Voraus ganz oder teilweise verzichten darf, verpflichtet den Arbeitgeber ebenfalls nicht zur Lohnzahlung schon dann, wenn bloss eine generelle Arbeitsbereitschaft erkennbar ist.

Freistellung

Der Arbeitnehmer muss jedoch zur Wahrung seiner Lohnansprüche seine Arbeitsleistung dann nicht anbieten, wenn von vornherein feststeht, dass der Arbeitgeber die Leistung nicht annehmen würde, wenn sie ihm zur Verfügung gestellt würde. Im Entscheid 4C.346/2005 hielt das Bundesgericht fest, es sei nicht dargetan, dass der Arbeitgeber nach einer Freistellung für den Fall der Fortdauer des Arbeitsverhältnisses während zwei Monaten die Arbeitsleistung des Arbeitnehmers für diese Zeit von vornherein zurückgewiesen hätte. In einem anderen Entscheid 4C.259/2003 vom 2. April 2004 äusserte sich das Bundesgericht sinngemäss wie folgt: Es ist zweifelhaft, ob eine freigestellte Arbeitnehmerin in jedem Fall darauf verzichten kann, ihre Arbeit anzubieten, wenn sich die Kündigungsfrist wesentlich – z.B. durch Schwangerschaft und Mutterschaft – verlängert hat. Es ist tatsächlich vorstellbar, dass der Arbeitgeber in einem solchen Fall seine Meinung ändert und die Arbeitnehmerin wieder beschäftigen möchte (vgl. dazu Publikation „Arbeitsrecht“ Nr. 68 – August 2004).

Kommentar

Trotz dieser langjährigen Bundesgerichtspraxis wird es wohl in der Regel – obschon grundsätzlich keine Aufklärungspflicht des Arbeitgebers besteht – sinnvoll sein, betroffene Mitarbeiter über einen allfälligen Aufschub der Kündigungsfrist zu informieren, wenn nachweislich eine Sperrfrist in die Kündigungsfrist fällt.

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