1. Dezember 2016
Gemäss Bundesgericht (Urteil 4A_130/2016) sind ab einer gewissen Verantwortungsstufe charakterliche Schwierigkeiten besonders problematisch und können negative Auswirkungen auf einen ganzen Sektor eines Unternehmens haben. Im konkreten Fall war nicht erkennbar, inwiefern eine Reorganisation des betroffenen Departements, wie von der Arbeitnehmerin gefordert, geeignet gewesen wäre, ihren Charakter zu beeinflussen. Da die von der Arbeitgeberin veranlasste externe Untersuchung zudem kein Vorliegen eines Mobbings ergab, war die Kündigung nicht missbräuchlich.
Sachverhalt
Das Bundesgericht hatte folgenden Fall zu beurteilen: Nur wenige Wochen nach ihrer Anstellung als Senior Compliance Manager bei einer Bank beklagte die Arbeitnehmerin sich über Meinungsverschiedenheiten mit ihrer Vorgesetzten, der Verantwortlichen für das Departement Compliance, betreffend die Arbeitsorganisation und die Festlegung der Prioritäten, den strengen Umgangston, die Managerkompetenzen ihrer Vorgesetzten sowie deren Mobbing. Die Direktorin der Human Resources schlug der Arbeitnehmerin vor, vom internen Beschwerdeverfahren Gebrauch zu machen. Die Bank beauftragte einen externen Anwalt zur Durchführung einer Untersuchung. Diese ergab, dass das Departement Compliance nicht gut organisiert, unterbesetzt und ohne klar definierte Ausrichtung war, dass gewisse Kritikpunkte der Arbeitnehmerin gerechtfertigt und die Managementpraxis der Vorgesetzten und ihre Kommunikation nicht gut waren. Die Mobbingvorwürfe gegen die Vorgesetzte wurden aber von den Zeugen nicht bestätigt. Hingegen haben diese erklärt, dass sich die Arbeitnehmerin gegenüber ihren unterstellten Mitarbeitern ausfällig und aggressiv zeigte, gegenüber ihrer Vorgesetzten schockierend laut wurde und sehr heftig reagierte, wenn die Dinge nicht in ihrem Sinne liefen.
Rund vier Monate später kündigte die Bank der Arbeitnehmerin und stellte sie sofort frei. Die Bank begründete die Kündigung mit dem Verlust des Vertrauens in die Teamfähigkeit der Arbeitnehmerin, insbesondere aufgrund ihrer Beziehungsprobleme mit der Vorgesetzten und ihren unterstellten Mitarbeitern. Diese Probleme hätten sich nach dem Einreichen der internen Beschwerde noch verstärkt, die Arbeitnehmerin handelte „comme un électron libre“. Am gleichen Tag kündigte die Bank auch der Vorgesetzten.
Nicht Mobbing…
Die Arbeitnehmerin klagte in der Folge auf Bezahlung von rund 96’000 Franken (entspricht sechs Monatslöhnen) wegen missbräuchlicher Kündigung. Vor Bundesgericht reduzierte sie ihre Forderung auf die Hälfte. Sie gab an, Mobbingopfer ihrer Vorgesetzten gewesen zu sein und war überzeugt, dass ihr nur gekündigt worden war, da sie sich über ihre Vorgesetzte beklagte und da sie nach Treu und Glauben gestützt auf OR 328 den Schutz ihrer Persönlichkeit geltend gemacht hatte. Die Arbeitnehmerin warf der Bank vor, keine Massnahmen getroffen zu haben, das betroffene Departement zu reorganisieren, um die bestehende Konfusion zu beenden, zum Beispiel durch Versetzung einer der beiden Protagonistinnen.
Für die Rechtmässigkeit einer Kündigung bedarf es grundsätzlich keiner besonderen Gründe, da das schweizerische Arbeitsrecht vom Prinzip der Kündigungsfreiheit ausgeht. Das grundlegende Recht jeder Vertragspartei, den Arbeitsvertrag einseitig zu beenden, ist jedoch durch die Bestimmungen über die missbräuchliche Kündigung eingeschränkt.
…sondern Beziehungsprobleme und schwieriger Charakter
Die Kündigung ist insbesondere dann missbräuchlich, wenn eine Partei sie wegen einer Eigenschaft ausspricht, die der anderen Partei kraft ihrer Persönlichkeit zusteht, es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb (OR 336/1/a). So ist gemäss Bundesgericht eine Kündigung nicht missbräuchlich, wenn wegen des schwierigen Charakters eines Arbeitnehmers eine konfliktgeladene Situation am Arbeitsplatz entstanden ist, die sich schädlich auf die gemeinsame Arbeit auswirkt, und wenn der Arbeitgeber zuvor sämtliche ihm zumutbaren Vorkehren getroffen hat, um den Konflikt zu entschärfen. Dies ergibt sich aus der Pflicht des Arbeitgebers, die Persönlichkeitsgüter des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen. Er hat sich jedes durch den Arbeitsvertrag nicht gerechtfertigten Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte zu enthalten und diese auch gegen Eingriffe Vorgesetzter, Mitarbeiter und Dritter zu schützen. Diese Fürsorgepflichten bilden das Korrelat der Treuepflicht des Arbeitnehmers. Somit kann ein krass vertragswidriges Verhalten, namentlich eine schwere Persönlichkeitsverletzung im Umfeld einer Kündigung, diese als missbräuchlich erscheinen lassen.
Der Arbeitgeber hat sämtliche zumutbaren Vorkehren getroffen
Ob der Arbeitgeber vor der Kündigung sämtliche zumutbaren Vorkehren getroffen hat, um den Konflikt zu entschärfen, ist jeweils im Einzelfall zu beurteilen. Im vorliegenden Fall gehörte die Arbeitnehmerin zum höheren Kader (Senior Compliance Manager). Auf dieser Verantwortungsebene sind nach Ansicht des Bundesgerichts charakterliche Schwierigkeiten besonders problematisch und können negative Auswirkungen auf einen ganzen Sektor eines Unternehmens haben. Die Arbeitnehmerin war erst 37-jährig und erst weniger als ein Jahr angestellt. Sie war grob und aggressiv gegenüber den ihr unterstellten Mitarbeitern und reagierte unangemessen, wenn die Dinge nicht in ihrem Sinne liefen. Ein solches Verhalten ergibt sich aus dem Charakter einer Person. Gemäss Bundesgericht ist nicht erkennbar, inwiefern eine Reorganisation des betroffenen Departements, wie von der Arbeitnehmerin gefordert, geeignet gewesen wäre, ihren Charakter zu beeinflussen. Die Bank hat die Beschwerde der Arbeitnehmerin ernst genommen und einen externen Anwalt beauftragt, die Angelegenheit zusammen mit dem Chef der Human Resources zu untersuchen. Da gemäss Untersuchungsbericht auch kein Mobbing vorlag, gab die Kündigung keinen Anlass zur Kritik. Das Bundesgericht ist sogar der Ansicht, dass man sich fragen kann, ob diese Kündigung nicht angebracht gewesen sei, um die Persönlichkeit der unterstellten Mitarbeiter zu schützen. Die Kündigung war somit nicht missbräuchlich.
Kommentar
Bei der Beurteilung, ob der Arbeitgeber sämtliche zumutbaren Vorkehren getroffen hat, sind immer die konkreten Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Deshalb kann kaum vom einen auf den anderen Fall geschlossen werden. Bei einer Kündigung relativ kurz vor der Pensionierung und nach langjähriger Anstellungszeit hat der Arbeitgeber zudem noch zu beachten, dass das Bundesgericht von ihm eine erhöhte Fürsorgepflicht verlangt.
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