Macht der Arbeitnehmer von seinem Recht, in Rente zu gehen, nicht Gebrauch und kündigt ihm der Arbeitgeber aufgrund seines Alters, stellt sich die Frage, ob diese Kündigung missbräuchlich ist oder nicht. Mit Urteil 4A_399/2013 vom 17. Februar 2014 hat das Bundesgericht entschieden, dass eine solche Kündigung bei Erreichen des Pensionsalters – vorbehältlich besonderer Umstände – nicht missbräuchlich ist.
Sachverhalt
Ein nebenamtlicher Fachlehrer war Angestellter einer Schule, welche in der Folge wiederholt auf neue Rechtsträger übertragen wurde. Der Fachlehrer wurde jeweils (nur) für die Dauer eines Schulsemesters angestellt, wobei der Anstellungsvertrag vorsah, dass sich sein Arbeitsverhältnis um die Dauer eines Semesters verlängere, sofern dieses nicht von einer Partei bis spätestens am 15. Februar bzw. 15. August gekündigt werde. Mit Schreiben vom 11. Mai 2011 kündigte die Schule das Arbeitsverhältnis mit dem Fachlehrer ordentlich auf den 15. August 2011 bzw. auf Ende des im Arbeitsvertrag vom Oktober 1988 vorgesehenen Schulsemesters. Der Fachlehrer machte geltend, diese Kündigung sei missbräuchlich, da der Grund der Kündigung gemäss OR336/1a in der Eigenschaft des Arbeitnehmers gelegen habe. Sein Alter sei jahrelang nie ein Thema gewesen. Er sei mehrere Jahre lang ohne Diskussion über eine angebliche „Altersgrenze“ hinaus beschäftigt worden. Zudem machte der Fachlehrer geltend, mit der im Hinblick auf sein Alter und die Anstellungsbedingungen ausgesprochenen Kündigung sei OR 333 (Übergang des Arbeitsverhältnisses) umgangen worden. Eine Umgehung zeige sich unter anderem darin, dass sein Arbeitsplatz sogleich nach der Kündigung durch eine neue Dozentin belegt worden sei. Er war entgegen der Vorinstanz der Ansicht, es könne nicht allein aufgrund seines Alters gesagt werden, eine Kündigung, die im Zusammenhang mit einem Betriebsübergang erfolgt sei, stelle keine Umgehung von OR 333 dar. Zudem verletze eine Nichtanwendung von OR 333 im Hinblick auf das Alter das Diskriminierungsverbot gemäss Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung.
Kein Rechtsmissbrauch
Wie dem Kündigungsschreiben zu entnehmen ist, wurde dem damals 70-jährigen Fachlehrer gekündigt, weil er das Pensionierungsalter längst erreicht hatte und weil eine öffentlich-rechtliche Anstellung ab 1. Januar 2012 ausgeschlossen war und eine privatrechtliche Weiterbeschäftigung aus Gründen der Gleichbehandlung mit öffentlich-rechtlich Angestellten ausser Betracht fiel. Daraus ergibt sich, dass der eigentliche Grund für die Kündigung das Alter des Fachlehrers war. OR 336/1a sieht vor, dass eine Kündigung eines Arbeitsverhältnisses missbräuchlich ist, wenn sie vom Arbeitgeber ausgesprochen wird aufgrund einer Eigenschaft, die dem Arbeitnehmer kraft seiner Persönlichkeit zusteht, es sei denn, diese Eigenschaft stehe in einem Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis oder beeinträchtige wesentlich die Zusammenarbeit im Betrieb. Auch wenn unbestritten ist, dass das Alter eine Eigenschaft ist, die dem Arbeitnehmer kraft seiner Persönlichkeit zusteht, hat sich das Bundesgericht der Meinung zahlreicher Autoren angeschlossen, wonach die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund des Erreichens des AHV-Rentenalters – vorbehältlich besonderer Umstände – nicht missbräuchlich sei.
Keine Diskriminierung
Der Fachlehrer machte auch eine Diskriminierung im Sinn von Art. 8 Abs. 2 der Bundesverfassung geltend, wonach niemand diskriminiert werden darf, namentlich nicht wegen der Herkunft, der Rasse, des Geschlechts, des Alters, der Sprache, der sozialen Stellung, der Lebensform, der religiösen, weltanschaulichen oder politischen Überzeugung oder wegen einer körperlichen, geistigen oder psychischen Behinderung. Das Bundesgericht ist jedoch der Meinung, dass sich ein Arbeitnehmer im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis nicht auf diesen grundrechtlichen Schutz berufen kann. Es weist im Übrigen darauf hin, dass der Europäische Gerichtshof, der sich gestützt auf die Richtlinie 2000/78 auch im Hinblick auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse schon öfters mit der Frage beschäftigen musste, ob Altersgrenzen eine Diskriminierung wegen des Alters beinhalteten, wiederholt festgehalten hat, solche Regelungen würden dem „legitimen sozialpolitischen Ziel“ entsprechen, eine ausgewogene Altersstruktur zu schaffen und im Interesse einer Verteilung der Beschäftigung zwischen den Generationen die berufliche Eingliederung jüngerer Arbeitnehmer zu fördern. Entsprechend verneinte er eine Diskriminierung.
Keine Umgehung von OR 333
Gemäss Bundesgericht wird eine Kündigung, die gegenüber einem Angestellten ausgesprochen wird, der mit seinen 70 Jahren das allgemeine Pensionsalter längst überschritten hat, auch nicht deshalb missbräuchlich, weil vier Monate später ein Betriebsübergang stattfindet. Ebenso wenig kann der Fachlehrer eine Anwendung von OR 333 herbeireden, weil seine Stelle für das neue Schulsemester mit einer jüngeren Dozentin belegt wurde. Es liegt auf der Hand, dass nach erfolgter Pensionierung die frei gewordene Stelle von einer jüngeren Dozierenden übernommen wird, wenn sie nicht gestrichen wird.
Kommentar
Offen bleibt die Frage, ob das Bundesgericht eine Kündigung des Arbeitgebers aufgrund des Erreichens des Alters, das Anspruch auf eine vorzeitige Pensionierung gibt, ebenfalls als nicht missbräuchlich beurteilen würde. Betrachtet man die Rechtsprechung des Bundesgerichts im Fall einer aus anderen Gründen als dem Alter ausgesprochenen Kündigung nach 44 Dienstjahren wenige Monate vor der Pensionierung, welche es als missbräuchlich beurteilte (vgl. ARBEITSRECHT Nr. 122 – Februar 2009), ist nicht auszuschliessen, dass eine solche Kündigung unter Umständen ebenfalls als missbräuchlich beurteilt werden könnte.
Eine Kündigung aufgrund des Alters vor Erreichen des AHV-Rentenalters ist dann nicht missbräuchlich, wenn das Alter einen Bezug zum Arbeitsverhältnis bekommt und die Kündigung wegen altersbedingter Leistungseinbusse oder nicht mehr Erbringen der vorausgesetzten Arbeitsleistung (Mannequin, Animateur in einer Diskothek) erfolgt. Rechtsunsicherheit besteht hier jedoch bei der Frage, ob der Arbeitgeber in diesen Fällen verpflichtet ist, anderweitige Beschäftigungsmöglichkeiten zu prüfen, ansonsten die Kündigung missbräuchlich sein könnte.
Im Zusammenhang mit der Pensionierung weisen wir noch darauf hin, dass das Arbeitsverhältnis mit dem Erreichen des AHV-Rentenalters (zurzeit 65 Jahre für die Männer und 64 Jahre für die Frauen) nicht automatisch ohne Kündigung endet, es sei denn, dies ist ausdrücklich im Arbeitsvertrag, im Personalreglement oder in einem GAV so vorgesehen. Eine entsprechende Regelung ist empfehlenswert.
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