1. November 2007
Löst der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund, d.h. gerechtfertigt, fristlos auf, so hat er keinen Anspruch auf eine Entschädigung, wie sie für den Fall seiner ungerechtfertigten fristlosen Entlassung in OR 337c/3 vorgesehen ist. Zu diesem Schluss kam das Bundesgericht im Entscheid 4A_157/2007 vom 16. Oktober 2007. Damit hat es in dieser umstrittenen Frage Klarheit geschaffen.
Folgen einer gerechtfertigten fristlosen Auflösung
Liegt der wichtige Grund zur fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses im vertragswidrigen Verhalten einer Vertragspartei, so hat diese vollen Schadenersatz zu leisten, unter Berücksichtigung aller aus dem Arbeitsverhältnis entstehenden Forderungen (OR 337b/1).
Hat der Arbeitgeber das Arbeitsverhältnis gerechtfertigt fristlos aufgelöst, ist der Arbeitgeber so zu stellen, als hätte das Arbeitsverhältnis bis zum nächsten ordentlichen Kündigungstermin gedauert. Zum Schadenersatz dazuzurechnen sind ein allfällig entgangener Gewinn aus wegfallender Arbeitsleistung, durch den Arbeitsausfall entstandene höhere Kosten wie z.B. die Zahlung von Vertragsstrafen wegen Nichteinhaltens von Terminen gegenüber Kunden, Mehrkosten wegen Überstundenarbeit der übrigen Mitarbeiter bzw. durch Beschäftigung von Temporärarbeitnehmern. Hingegen ist umstritten und die Gerichtspraxis nicht einheitlich bezüglich der Frage, ob die Kosten für die Suche nach einem Nachfolger, insbesondere die Kosten für Inserate, auch zu ersetzen sind.
Hat der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis gerechtfertigt fristlos aufgelöst, ist er so zu stellen, als sei das Arbeitsverhältnis durch Kündigung des Arbeitgebers oder Ablauf der vereinbarten befristeten Vertragsdauer ordnungsgemäss beendet worden. Der Arbeitnehmer hat also Anspruch auf Schadenersatz in der Höhe des Lohns bis zum ordentlichen Endtermin, unter Anrechnung des Ersparten und eines anderweitigen Verdientes oder des unterlassenen anderweitigen Verdienstes. Zum Schaden kann z.B. auch der Verlust von gesperrten Optionen gehören.
OR 337b/2 ist anwendbar „in den anderen Fällen“, in denen keine der Parteien ein vertragswidriges Verhalten trifft oder beide Parteien ungefähr gleichermassen die fristlose Vertragsauflösung verschuldet haben. In diesen Fällen bestimmt der Richter die vermögensrechtlichen Folgen der fristlosen Auflösung unter Würdigung aller Umstände nach seinem Ermessen.
Keine analoge Anwendung von OR 337c/3 im Rahmen von OR 337b
Die Frage, ob im Fall der gerechtfertigten fristlosen Auflösung durch den Arbeitnehmer OR 337c/3 analog Anwendung findet, war bis zum eingangs erwähnten Bundesgerichtsentscheid umstritten. Das Bundesgericht hatte diese Frage bisher nicht klar beantwortet. Ein Teil der kantonalen Rechtsprechung und der Lehre hatte sich für eine analoge Anwendung ausgesprochen, ein anderer Teil dagegen.
Nach OR 337c/3 kann das Gericht, wenn es eine fristlose Entlassung durch den Arbeitgeber als ungerechtfertigt beurteilt, diesen verpflichten, dem Arbeitnehmer eine Entschädigung zu bezahlen, die es nach freiem Ermessen unter Würdigung aller Umstände festlegt, und die sechs Monatslöhne nicht übersteigen darf. Das Bundesgericht ist aus folgenden Gründen zum Schluss gekommen, dass OR 337c/3 nicht analog Anwendung findet im Rahmen einer gerechtfertigten fristlosen Auflösung durch den Arbeitnehmer: Gemäss Gesetzestext ist klar, dass der Gesetzgeber zwei verschiedene Situationen unterschiedlich regeln wollte. Die Fälle von OR 337b und OR 337c unterscheiden sich insofern, als sich im Fall von OR 337c der Arbeitnehmer eine einseitige ungerechtfertigte Handlung des Arbeitgebers gefallen lassen muss, während er im Fall von OR 337b selber gerechtfertigt handelt. Dazu kommt, dass – gemäss bundesrätlicher Botschaft – die fristlose Entlassung durch den Arbeitgeber ohne wichtigen Grund dem Arbeitnehmer Unrecht tut, ihn in seinen persönlichen Verhältnissen verletzt, seinen Ruf beeinträchtigt und daher eine Entschädigung rechtfertigt. Bei der gerechtfertigten fristlosen Auflösung durch den Arbeitgeber fehlt dieses Element. Und schliesslich argumentiert das Bundesgericht, dass die auf OR 337c/3 gründende Entschädigung insbesondere auch Strafcharakter habe. Da aber Entschädigungen mit Strafcharakter dem schweizerischen Recht grundsätzlich fremd sind, ist OR 337c/3 als Ausnahme zu betrachten, die entsprechend restriktiv anzuwenden ist und eine analoge Anwendung im Rahmen von OR 337b umso mehr ausschliesst. Aus diesen Gründen kann ein Arbeitnehmer, der ein Arbeitsverhältnis gerechtfertigt fristlos auflöst, keine Entschädigung gestützt auf OR 337c/3 durch Analogie verlangen.
Genugtuung wegen Verletzung der Persönlichkeit
Der Arbeitgeber hat im Arbeitsverhältnis die Persönlichkeit des Arbeitnehmers zu achten und zu schützen (OR 328). Ist der Arbeitnehmer in seiner Persönlichkeit verletzt, hat er Anspruch auf Leistung einer Geldsumme als Genugtuung, sofern die Schwere der Verletzung es rechtfertigt und diese nicht anders wieder gutgemacht worden ist (OR 49). Im erwähnten Fall kam das Kantonsgericht Neuenburg zum Schluss, dass die Tatsache, dass der Arbeitgeber keinen Lohn bezahlt hatte (Grund der fristlosen Auflösung), für sich allein keine Persönlichkeitsverletzung darstellt, die eine Genugtuung rechtfertigen würde. Und da die Arbeitnehmerin vor Bundesgericht keine Persönlichkeitsverletzung nach OR 328 und 49 geltend machte, musste dieses dazu nicht Stellung nehmen.
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