2. August 2005
Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse des Arbeitgebers geniessen gesetzlichen Schutz im Bundesgesetz über den unlauteren Wettbewerb (UWG 2, 4 und 6), im Strafgesetzbuch (StGB 162), im Mitwirkungsgesetz (MWG 14) und im Obligationenrecht (OR 321a/4 und 340 ff.). Die vorliegende Ausgabe beschränkt sich auf die arbeitsvertragliche Geheimhaltungspflicht nach OR 321a/4.
Geschützte Informationen
Der Arbeitnehmer darf geheim zu haltende Tatsachen, wie namentlich Fabrikationsgeheimnisse (Verfahren zur Herstellung bestimmter Produkte) und Geschäftsgeheimnisse (Tatsachen, welche die Organisation und den kaufmännischen Verkehr des Unternehmens betreffen), von denen er im Dienst des Arbeitgebers Kenntnis erlangt, während des Arbeitsverhältnisses nicht verwerten oder anderen mitteilen (OR 321a/4).
Die arbeitsvertragliche Geheimhaltungspflicht beschränkt sich nicht auf Fabrikations- und Geschäftsgeheimnisse, sondern bezieht sich darüber hinaus auf alle Geheimnisse, von welchen der Arbeitnehmer im Laufe des Arbeitsverhältnisses Kenntnis erlangt, insbesondere auch Informationen über die persönlichen oder finanziellen Verhältnisse des Arbeitgebers sowie der Mitarbeiter. Dabei spielt es keine Rolle, ob die fragliche Tatsache dem Arbeitnehmer anvertraut worden ist oder ob er sie durch Zufall oder gesetzwidriges Verhalten erfahren hat. Hingegen hängt die Geheimhaltungspflicht entscheidend davon ab, ob die Tatsache überhaupt Geheimnischarakter aufweist. Zur Geheimhaltungspflicht des Arbeitnehmers gehören auch Berufsgeheimnisse, die für gewisse Kategorien von Berufsausübenden (z.B. Rechtsanwälte, Notare, Ärzte, Apotheker, Revisoren) gelten.
Geheimnis oder Berufserfahrung?
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts zu StGB 162, die sich auf OR 321a/4 übertragen lässt, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein, damit eine Tatsache Geheimnischarakter hat:
Die Berufserfahrung des Arbeitnehmers gehört grundsätzlich nicht zu den vom Arbeitnehmer gemäss OR 321a/4 geheim zu haltenden Tatsachen. Zur Berufserfahrung zu zählen sind insbesondere so genannte Branchenkenntnisse, die jeder Arbeitnehmer gleicher Stufe und Funktion in der betreffenden Branche normalerweise erlangt. Dass diese Kenntnisse auf den jeweiligen Betrieb angepasst werden, steht einer Qualifikation als Branchenkenntnis nicht entgegen und macht sie insbesondere auch nicht zu unternehmensspezifischen Kenntnissen, die der Arbeitnehmer in der Regel geheim zu halten hat.
Ein Grossteil der Lehre und der Rechtsprechung verweist für die Abgrenzung zwischen der Berufserfahrung und den geheim zu haltenden Kenntnissen auf eine im Einzelfall vorzunehmende Interessenabwägung zwischen den Interessen des Arbeitgebers und denjenigen des Arbeitnehmers.
Nachwirkende Geheimhaltungspflicht
Die Geheimhaltungspflicht des Arbeitnehmers gilt nicht nur ab dem Vertragsabschluss bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses, sondern dauert danach so lange weiter, als der Arbeitgeber noch ein schutzwürdiges Interesse an der Geheimhaltung der entsprechenden Informationen hat. Die Geheimhaltungspflicht kann länger dauern als ein dem Arbeitnehmer allenfalls obliegendes Konkurrenzverbot. Die nachwirkende Geheimhaltungspflicht unterscheidet sich von der Geheimhaltungspflicht während der Dauer des Arbeitsverhältnisses dadurch, dass der Arbeitgeber nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses ein berechtigtes Interesse nachzuweisen hat und ein solches nicht mehr vermutet wird. Zudem beinhaltet die nachwirkende Geheimhaltungspflicht nur noch ein Mitteilungsverbot und kein Verwertungsverbot. Mit Verwerten ist die Nutzung des Geheimnisses zum eigenen Vorteil gemeint (z.B. die Herstellung eines Konkurrenzproduktes). Die nachwirkende Geheimhaltungspflicht verhindert also nicht die konkurrenzierende Tätigkeit als solche – z.B. durch Mitnahme der Kundschaft – , sondern nur die Mitteilung von geheim zu haltenden Tatsachen. Andernfalls liefe die gesetzliche Verschwiegenheitspflicht des Arbeitnehmers auf ein gesetzliches Konkurrenzverbot hinaus, was nicht Sinn des Gesetzes sein könne (Urteil des Obergerichts Zürich vom 13. Oktober 2003 in ZR 104 2005 Nr. 18)
Kommentar
Die in OR 321a/4 geregelte Geheimhaltungspflicht ist nicht zwingend, weshalb die Parteien den Umfang erweitern oder beschränken können. Die vertraglich erweiterte Geheimhaltungspflicht darf bloss nicht so weit gehen, dass sie eine übermässige Bindung im Sinn von ZGB 27 darstellt oder auf ein Konkurrenzverbot hinausläuft, das nicht alle Voraussetzungen von OR 340 ff. erfüllt.
Im Bewusstsein dessen, dass die Geheimhaltungspflicht nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Verwerten von geheim zu haltenden Tatsachen nicht verbietet, ist es sehr empfehlenswert, die Geheimhaltungspflicht ausdrücklich zu erweitern und klare Konkurrenzverbote zu vereinbaren, soweit solche als notwendig erachtet werden. Vgl. zum Konkurrenzverbot die Publikation „Arbeitsrecht“ Nr. 52 – April 2003.
Zudem kann es unter Umständen sinnvoll sein, den Arbeitnehmer den Empfang sensibler Dokumente schriftlich auf einer Kopie quittieren zu lassen.
Berücksichtigte Literatur: Die Geheimhaltungspflicht des Arbeitnehmers von Dr. iur. Urs Wickihalder in Schriften zum Schweizerischen Arbeitsrecht, Heft 60.
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