Eine fristlose Entlassung ist die „ultima ratio“, ein Arbeitsverhältnis einseitig aufzulösen. Sie ist sowohl bei unbefristeten wie auch bei befristeten Arbeitsverhältnissen möglich, auch während der Probezeit, auch während den in OR 336c/1 genannten Sperrfristen und auch im bereits ordentlich gekündigten Arbeitsverhältnis. Ob eine fristlose Entlassung gerechtfertigt ist, ist in jedem konkreten Einzelfall nach Würdigung der gesamten Umstände gesondert zu beurteilen.
Wichtiger Grund – schriftliche Verwarnung(en)
Eine fristlose Entlassung ist gemäss Bundesgerichtspraxis nur bei besonders schweren Verfehlungen des Arbeitnehmers gerechtfertigt. Diese müssen einerseits objektiv geeignet sein, die für das Arbeitsverhältnis wesentliche Vertrauensgrundlage zu zerstören oder zumindest so tiefgreifend zu erschüttern, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Vertrages nicht mehr zuzumuten ist, und andererseits auch tatsächlich zu einer derartigen Zerstörung oder Erschütterung des gegenseitigen Vertrauens geführt haben. Wiegen die Verfehlungen weniger schwer, so müssen sie trotz Verwarnung wiederholt vorgekommen sein. Die Bandbreite der erforderlichen Anzahl vorgängigen schriftlichen Verwarnungen geht von keiner bei sehr schweren Verfehlungen bis hin zu mehreren bei leichten Verfehlungen. Die Verwarnung sollte die Verfehlung festhalten, den Arbeitnehmer zur Unterlassung auffordern und die Kündigung (eventuell die fristlose Entlassung) bei erneutem Vorkommen dieser Verfehlung androhen.
Verspätete fristlose Entlassung
Ist ein wichtiger Grund gegeben, so ist die fristlose Kündigung sofort auszusprechen. Andernfalls ist anzunehmen, das Einhalten der ordentlichen Kündigungsfrist sei für den Kündigenden subjektiv zumutbar, und ist das Recht auf eine sofortige Vertragsauflösung verwirkt. Eine allgemeine Frist von zwei bis drei Tagen wird als angemessen betrachtet. Nach der bundesgerichtlichen Rechtsprechung ist ein Verzögern über diese Zeitspanne, die zum Nachdenken und Einholen von Rechtsauskünften ausreichen sollte, aber nur dort zulässig, wo es mit Rücksicht auf die praktischen Erfordernisse des Alltags- und Wirtschaftslebens als verständlich und berechtigt erscheint. Dies ist beispielsweise bei juristischen Personen der Fall, wenn der Kündigungsentscheid in der Kompetenz eines Organes von mehreren Personen liegt und es entsprechend für die Willensbildung mehr Zeit benötigt. Ebenfalls so ist es, wenn der Arbeitgeber gehalten ist oder es für angebracht erachtet, die vorgesehene Kündigung mit einem Arbeitnehmervertreter zu diskutieren. Zu erwähnen ist zudem der Fall, wo die Abklärung des Sachverhalts noch Zeit benötigt. Hier ist gemäss Bundesgericht zu unterscheiden: Geht es bei der Abklärung darum, erst das Ausmass der Verfehlung abschätzen zu können, so wird die Überlegungsfrist notwendigerweise erst an die Abklärungsfrist anschliessen. Dasselbe gilt, wenn die Verfehlungen erst nach und nach entdeckt werden. Ist der Vorwurf jedoch von Anfang an klar und ist nur zu ermitteln, ob er zutrifft oder nicht, so kann der Arbeitgeber schon während der Abklärung des Sachverhalts überlegen, wie er reagieren will, wenn sich der Vorwurf als zutreffend erweist. In einem solchen Fall kann verlangt werden, dass er die fristlose Entlassung nach Feststellung des Sachverhalts sofort ausspricht, ohne dass ihm noch einmal eine Überlegungsfrist gewährt werden muss.
Im Entscheid Nr. 4C.348/2003 vom 24. August 2004 hat das Bundesgericht eine fristlose Kündigung wegen einer schweren Verletzung der Treuepflicht (der Arbeitnehmer arbeitete für einen Dritten), ausgesprochen 20 Tage nachdem der Arbeitgeber davon Kenntnis hatte, als verspätet beurteilt. Es war weder genügend bewiesen, dass noch Abklärungen notwendig wären oder dass solche Zeit beansprucht hätten, noch dass es notwendig gewesen wäre, vor dem definitiven Entscheid den Arbeitnehmer anzuhören. Kommt hinzu, dass der Arbeitgeber fünf Tage nach Kenntnisnahme offensichtlich genügend aufgeklärt war, um die Lohnzahlungen einzustellen. Gemäss Bundesgericht wäre er deshalb auch in der gleichen Zeitspanne in der Lage gewesen, sich für oder gegen eine fristlose Entlassung zu entscheiden.
Entschädigung
Kommt das Gericht zum Schluss, dass eine fristlose Entlassung ungerechtfertigt ist, kann es den Arbeitgeber verpflichten, dem Arbeitnehmer eine Entschädigung zu bezahlen, die es nach freiem Ermessen unter Würdigung aller Umstände festlegt. Gemäss bundesgerichtlicher Rechtsprechung hat diese Zahlung, die maximal sechs Monatslöhne betragen kann, sowohl Straf- als auch Entschädigungscharakter. Nach Lehre und Rechtsprechung sind für deren Berechnung insbesondere die Schwere des Eingriffs in die Persönlichkeit der gekündigten Partei, die Enge der vertraglichen Beziehungen, die Art und Weise der Kündigung des Vertragsverhältnisses, die Mitverantwortung der gekündigten Partei, die Leistungskraft der pflichtigen Partei sowie die wirtschaftlichen Folgen für die entlassene Person zu berücksichtigen.
Für die Berechnung der Entschädigung bei einer missbräuchlichen Kündigung nach OR 336a und derjenigen bei einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung nach OR 337c/3 werden grundsätzlich die gleichen Kriterien berücksichtigt. Eine ungerechtfertigte fristlose Entlassung, die unter Umständen erfolgt ist, welche einer missbräuchlichen Kündigung entsprechen, gibt keinen Anspruch auf beide Entschädigungen. Gleich verhält es sich, wenn der Arbeitgeber nacheinander eine missbräuchliche Kündigung und eine ungerechtfertigte fristlose Entlassung ausgesprochen hat. In diesem Fall besteht lediglich ein Anspruch auf eine Entschädigung gemäss OR 337c/3.
Verdachtskündigung
Eine Verdachtskündigung liegt vor, wenn die Kündigung auf Grund eines blossen Verdachts, z.B. einer Straftat, ausgesprochen wird. Die schweizerische Lehre vertritt mehrheitlich die Meinung, der blosse Verdacht einer Straftat genüge nicht. Ein wichtiger Grund für eine fristlose Entlassung könne dagegen vorliegen, wenn der Arbeitnehmer den Arbeitgeber oder Dritte an der Aufklärung des Sachverhalts behindere. Das Bundesgericht hat sich bisher weder der einen noch der anderen Meinung angeschlossen, sondern jeweils festgehalten, die Frage brauche im beurteilten Fall nicht grundsätzlich entschieden zu werden, da die Voraussetzungen für eine Verdachtskündigung nicht erfüllt seien. Denn auch eine Verdachtskündigung setzt voraus, dass die Straftat, deren der Arbeitnehmer verdächtigt wird, einen wichtigen Grund für eine fristlose Entlassung ohne Abmahnung bildet (Bundesgerichtsentscheid Nr. 4C.112/2002 vom 8. Oktober 2002). Es ist deshalb empfehlenswert, mit Verdachtskündigungen zurückhaltend zu sein und in wirklichen Zweifelsfällen den Arbeitnehmer zunächst sofort von der Arbeit freizustellen und je nach Verlauf der Abklärungen erst später fristlos zu entlassen oder ihm ordentlich zu kündigen.
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