Am 14. Juni 2024 wird gestreikt. Schweizweit gehen Frauen auf die Strasse. Was bedeutet das nun für den Arbeitgeber? Welche Rechte und Pflichten haben Arbeitgeber und Arbeitnehmende bei einem Streik zu beachten? Im Anschluss an eine Auslegeordnung zu den rechtlichen Grundlagen setzen wir uns mit praxisrelevanten Fragen auseinander.
Die nachfolgenden Ausführungen beschränken sich ausschliesslich auf eine rein juristische Sichtweise. Der geplante Streik wird weder gesellschaftlich noch politisch gewertet. Anders mag dies für den Arbeitgeber ausfallen. Er muss in sein Tun und Handeln allenfalls auch geschäftspolitische Aspekte einfliessen lassen.
Die in der Bundesverfassung garantierte Koalitionsfreiheit erklärt den Streik als Ausprägung der Arbeitskampffreiheit für zulässig (Art. 28 BV). Die Zulässigkeit setzt allerdings voraus, dass der Streik «Arbeitsbeziehungen betrifft» und «keine Verpflichtungen entgegenstehen, den Arbeitsfrieden zu wahren oder Schlichtungsverhandlungen zu führen». Was bedeutet dies nun genau? Das Bundesgericht hat ein Streikrecht im schweizerischen Arbeitsrecht wiederholt bejaht. Der Streik muss jedoch rechtmässig sein. Nur die Teilnahme an einem rechtmässigen Streik verletzt den Arbeitsvertrag nicht. Das Bundesgericht hat die Voraussetzungen eines legitimen Streiks folgendermassen definiert:
Gerade das Erfordernis der Verhältnismässigkeit bietet natürlich Auslegungsspielraum und schafft dadurch Rechtsunsicherheiten. Ist eine Streikaktion nun verhältnismässig oder nicht? Die Ansichten von Arbeitgeber und Arbeitnehmenden dürften interessensbedingt auseinander liegen. Im Streitfall wird stets ein Richter entscheiden, ob der Streik mit Bezug auf das Kampfziel verhältnismässig war. Die Rechtsprechung hat wiederholt bestätigt, dass ein Streik unverhältnismässig ist, wenn er das Ultima-ratio-Prinzip (Art. 6 EEG) verletzt, vorgängig also nicht alle Verhandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft wurden.
Ein weiterer Knackpunkt stellt die Friedenspflicht dar. In der Schweiz sieht die überwiegende Mehrheit der Gesamtarbeitsverträge eine absolute Friedenspflicht vor, obschon rechtlich nur eine relative Friedenspflicht vorgesehen ist (Art. 357a Abs. 2 OR). Bei der relativen Friedenspflicht bezieht sich der Verzicht auf Kampfmassnahmen auf alle im GAV geregelten Punkte. Die absolute Friedenspflicht bedeutet einen Verzicht auf jegliche Kampfmassnahmen während der Vertragsdauer. Ein Streik, den eine Gewerkschaft in Verletzung der Friedenspflicht auslöst, ist nicht mehr rechtmässig.
Zur Beurteilung der Rechtmässigkeit des Frauenstreiks sind die bundesgerichtlichen Voraussetzungen beizuziehen. Spielen wir es durch:
Eine Subsumtion unter die bundesgerichtlichen Voraussetzungen zeigt, dass es sich beim Frauenstreik nicht um einen rechtmässigen Streik handeln wird.
Nebst der Frage der Rechtmässigkeit, stellen sich für den Arbeitgeber konkrete Fragen, auf die nachfolgend eingegangen wird.
Die Teilnahme an einem rechtmässigen Streik und die damit verbundene vorübergehende Arbeitsniederlegung stellt keine Verletzung der vertraglichen Arbeitspflicht dar. Als Arbeitgeber kann ich die Teilnahme somit nicht verbieten. Anders sieht es hingegen bei einem rechtswidrigen Streik aus. Hier stellt die Teilnahme eine Verletzung des Arbeitsvertrags dar. Der Arbeitgeber hat die Möglichkeit, die Teilnahme über das Weisungsrecht zu untersagen. Da es sich beim Frauenstreik nicht um einen rechtmässigen Streik handelt, kann ich die Teilnahme verbieten. Ein entsprechendes Verbot kann sich selbstverständlich nur auf die Teilnahme während eigentlicher Arbeitszeit erstrecken.
Der Arbeitgeber darf verlangen, dass eine Teilnahme am Streik in die Freizeit fallen muss. So kann die Teilnahme in Abstimmung mit dem Arbeitgeber etwa durch den Bezug eines Ferientages oder Kompensation von Überstunden ermöglicht werden.
Gemäss Lehre und Rechtsprechung ist der Arbeitgeber während des Streiks nicht zur Lohnzahlung verpflichtet. Der Arbeitsvertrag gilt bei einem rechtmässigen Streik in seinen Hauptpflichten als suspendiert. Arbeits- und Lohnzahlungspflicht ruhen während des rechtmässigen Streiks und leben danach wieder auf. Im Sinne der Waffengleichheit kann der Arbeitgeber seinerseits Arbeitnehmende, die eigentlich arbeiten wollen, vorübergehend von der Arbeit ausschliessen (sog. Aussperrung). Dies z.B. weil aufgrund des Streiks die Aufrechterhaltung des ordentlichen Betriebs nicht mehr gewährleistet ist.
Ein Schadenersatzanspruch kann nur bei einer Vertragsverletzung und somit durch Teilnahme an einem rechtswidrigen Streik entstehen. In diesem Fall haftet der Arbeitnehmende gegenüber dem Arbeitgeber für den Schaden, der letzterem durch die Teilnahme am Streik entstanden ist. Der Beweis wird regelmässig schwierig zu führen sein.
Spricht der Arbeitgeber aufgrund der Teilnahme an einem rechtmässigen Streik eine ordentliche Kündigung aus, ist diese rechtsmissbräuchlich. Bei einem rechtswidrigen Streik sieht es anders aus. Die Kündigung ist in diesem Fall nicht rechtsmissbräuchlich. Kürzlich hatte das Bundesgericht sogar die fristlose Entlassung von Streikteilnehmenden geschützt. Vorausgesetzt war allerdings eine vorgängige Abmahnung durch den Arbeitgeber.
Bei Berufsgruppen mit Betreuungs- und Fürsorgeaufgaben verlangt der Grundsatz der Verhältnismässigkeit selbst bei einem rechtmässigen Streik, dass die Versorgung der betreuungsbedürftigen Personen gewährleistet ist. Die Streikenden sind also gehalten, sich so zu organisieren, dass die Betreuung sichergestellt bleibt. Dies kann etwa durch die räumliche, personelle oder zeitliche Einschränkung der Arbeitskampfmassnahmen geschehen.
Die herrschende Lehre lehnt die Zulässigkeit des Sympathiestreiks ab.
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