Form einzelarbeitsvertraglicher Bestimmungen

1. Oktober 2010

Form einzelarbeitsvertraglicher Bestimmungen

Der Einzelarbeitsvertrag bedarf zu seiner Gültigkeit von Gesetzes wegen grundsätzlich keiner besonderen Form und kann daher mündlich oder durch konkludentes Verhalten geschlossen oder abgeändert werden. Die vorliegende Ausgabe zeigt auf, inwiefern die Schriftform trotzdem von Bedeutung sein kann und wann allenfalls von einer stillschweigenden Zustimmung ausgegangen werden kann. Nicht eingegangen wird auf besondere Arbeitsvertragsformen wie z.B. den Handelsreisendenvertrag, die Heimarbeit und den Lehrvertrag. 

Schriftliche Informationspflicht

Wurde das Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit oder für mehr als einen Monat eingegangen, so muss der Arbeitgeber spätestens einen Monat nach Beginn des Arbeitsverhältnisses den Arbeitnehmer schriftlich informieren über die Namen der Vertragsparteien, das Datum des Beginns des Arbeitsverhältnisses, die Funktion des Arbeitnehmers, den Lohn und allfällige Lohnzuschläge sowie die wöchentliche Arbeitszeit. Diese Pflicht besteht auch innert Monatsfrist nach Inkrafttreten einer Änderung eines dieser Elemente (OR 330b). Die verlangten Informationen müssen nicht zwingend im gleichen Dokument erwähnt sein. Durch eine Unterlassung wird die Gültigkeit des (mündlichen) Arbeitsvertrags nicht beeinträchtigt. 

Schriftform als Gültigkeitserfordernis

Für gewisse Einzelabreden ist die Schriftform von Gesetzes wegen erforderlich, ansonsten die formbedürftige Einzelabrede ungültig ist. Dazu zählen beispielsweise die Wegbedingung des 25%igen Lohnzuschlags bei Auszahlung von Überstunden, die Abänderung der gesetzlichen Lohnfortzahlung bei Verhinderung des Arbeitnehmers an der Arbeitsleistung z.B. wegen Krankheit, die Abänderung der gesetzlichen Probezeit, die Abänderung der gesetzlichen Kündigungsfristen sowie das Konkurrenzverbot.

Zu beachten ist zudem, dass auch ein Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für gewisse Bereiche (z.B. die Kündigung) die Schriftform vorschreiben kann. Fällt das Arbeitsverhältnis in den Anwendungsbereich eines Normalarbeitsvertrags (NAV), sollten abweichende Abreden schriftlich festgehalten werden, da ein NAV vorsehen kann, dass Änderungen vom NAV zu ihrer Gültigkeit der schriftlichen Form bedürfen.

Die Vertragsparteien können auch einen so genannten Schriftformvorbehalt vereinbaren. Ist für einen Vertrag, der vom Gesetz an keine Form gebunden ist, die Schriftform vorbehalten worden, wird vermutet, dass die Parteien vor Erfüllung der Form nicht verpflichtet sein wollen (OR 16/1). Nach der Rechtsprechung können Formvorbehalte durch konkludentes Verhalten, z.B. die Zustellung von unterzeichneten Vertragsdoppeln, vereinbart werden. Ein konkludenter Verzicht auf eine vorbehaltene Schriftform ist anzunehmen, wenn die vertraglichen Leistungen trotz Nichteinhaltung der Form vorbehaltlos erbracht und entgegengenommen werden, weil dadurch die Vermutung von OR 16/1 entkräftet wird.  

Dem Erfordernis der Schriftform ist in der Regel nur dann Genüge getan, wenn der Vertragstext von beiden Vertragsparteien eigenhändig unterzeichnet wurde (OR 16/2).

Stillschweigende Annahme einer Kürzung des Lohns oder einer Umsatzprovision

Stellt ein Arbeitgeber einem Arbeitnehmer einen Antrag auf Lohnkürzung, gilt Stillschweigen grundsätzlich nicht als Annahme. Gemäss OR 6 ist jedoch dann von einer stillschweigenden Annahme eines Antrags auszugehen, wenn nach den Umständen eine ausdrückliche Annahme nicht zu erwarten ist und der Antrag nicht innert angemessener Frist abgelehnt wird. Nach der Lehre liegen derartige Umstände vor, wenn für den Arbeitnehmer erkennbar ist, dass der Arbeitgeber von seinem (stillschweigenden) Einverständnis ausgeht und er andernfalls bestimmte Massnahmen, namentlich eine Entlassung, veranlassen würde. Nach Lehre und Rechtsprechung gilt bei vorbehaltloser Annahme des gekürzten Lohnes während drei Monaten eine tatsächliche Vermutung für eine stillschweigende Zustimmung zur Lohnkürzung. Diese Vermutung kann der Arbeitnehmer allerdings umstossen, wenn er besondere Umstände nachweist, auf Grund derer der Arbeitgeber trotz des langen Schweigens des Arbeitnehmers nicht auf dessen Zustimmung zur Reduktion schliessen durfte. Im Entscheid 4C.242/2005 vom 9. November 2005 erachtete das Bundesgericht die widerspruchslose Annahme des gekürzten Lohnes während einer sechsmonatigen Vertragsdauer als konkludente Zustimmung, obwohl der Arbeitnehmer einen ihm vor Arbeitsantritt unterbreiteten neuen Vertrag, der die Lohnkürzung enthielt, nicht unterzeichnet hatte. Hingegen kann gemäss Bundesgericht nach dem Vertrauensprinzip nicht allein daraus, dass der Arbeitnehmer eine Lohnquittung über einen unter dem vertraglichen Lohn liegenden Betrag unterzeichnet, abgeleitet werden, dass der künftige Lohn im Einverständnis mit dem Arbeitnehmer geändert worden sei (BGE 109 II 327).

Einem weiteren Entscheid des Bundesgerichts (4A_223/2010 vom 12. Juli 2010) lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Dem Arbeitnehmer stand gemäss Arbeitsvertrag eine Umsatzprovision von 1,5% zu. Nach ungefähr zwei Jahren hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer mündlich mitgeteilt, dass die Provision auf 0,7% gesenkt würde, ansonsten ihm gekündigt würde. Den entsprechenden Arbeitsvertragsentwurf hat der Arbeitnehmer nicht unterzeichnet, aber in der Folge während 34 Monaten gegen die tatsächliche Kürzung auch keine Einwände erhoben. Das Bundesgericht kam zum Schluss, der Arbeitnehmer habe erkannt, dass der Arbeitgeber von seiner stillschweigenden Zustimmung zur angekündigten Provisionskürzung ausging, nahm er doch an, andernfalls würde ihm gekündigt. Indem er den Arbeitgeber in diesem Glauben beliess, erweckte er bewusst den Anschein, er akzeptiere die Provisionssenkung. Hätte er diese entgegen der erkennbaren Erwartung des Arbeitgebers ablehnen wollen, wäre er – ungeachtet seiner Angst vor einer Kündigung – nach Treu und Glauben gehalten gewesen, ihm dies innert angemessener Frist mitzuteilen. Dies hat er unterlassen, weshalb er bei dem von ihm geschaffenen Anschein zu behaften und von einer stillschweigenden Zustimmung auszugehen ist. Dabei kann gemäss Bundesgericht offen bleiben, ob aus der Übergabe eines neuen Vertrags auf einen Schriftvorbehalt geschlossen werden könnte, denn in der Umsetzung des geänderten Vertrags über eine längere Zeit läge ohnehin ein beidseitiger stillschweigender Verzicht auf die Schriftform.

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