Folgen bei ungerechtfertigter fristloser Entlassung

1. Juli 2019

Folgen bei ungerechtfertigter fristloser Entlassung

Im Arbeitsverhältnis kommt es immer wieder zu Extremsituationen mit Arbeitnehmern, in denen der Arbeitgeber entscheiden muss, ob er eine fristlose Entlassung aussprechen soll oder nicht. Da eine fristlose Entlassung das Arbeitsverhältnis beendet, ob gerechtfertigt, ungerechtfertigt, verspätet oder während einer Kündigungssperrfrist ausgesprochen, sind die Risiken des Arbeitgebers rein finanzieller Natur. Erweist sich eine fristlose Entlassung als ungerechtfertigt, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Ersatz des hypothetischen Verdienstes sowie auf eine Entschädigung bis zu sechs Monatslöhnen.

Anspruch auf Ersatz des hypothetischen Verdienstes

Gemäss Bundesgericht beendet eine fristlose Kündigung das Arbeitsverhältnis, ob gerechtfertigt, ungerechtfertigt, verspätet oder während einer Kündigungssperrfrist ausgesprochen, und es erfolgt in solchen Fällen keine Umwandlung der fristlosen Kündigung in eine ordentliche Kündigung. Entlässt der Arbeitgeber den Arbeitnehmer fristlos ohne wichtigen Grund, so hat dieser Anspruch auf Ersatz dessen, was er verdient hätte, wenn das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist oder durch Ablauf der bestimmten Vertragszeit beendigt worden wäre (OR 337c/1). Konkret bedeutet dies, dass der Arbeitnehmer während der hypothetischen Kündigungsfrist Anspruch auf den vereinbarten Lohn (inklusive 13. Monatslohn), auf allfällige variable Lohnbestandteile und auch auf Nebenleistungen wie den Ferienlohn hat. Stand dem Arbeitnehmer ein Geschäftsauto zur unentgeltlichen Privatnutzung zur Verfügung, ist er bei allfälligem sofortigem Entzug dafür zu entschädigen.

Wie ist nun aber die Rechtslage, wenn der Arbeitnehmer im Zeitpunkt der ungerechtfertigten fristlosen Entlassung bereits krankheits- oder unfallbedingt arbeitsunfähig war oder nach der ungerechtfertigten fristlosen Entlassung arbeitsunfähig wird? Diese Konstellation lag dem Urteil 4A_431/2017 des Bundesgerichts zu Grunde. Am 31. Januar 2013 wurde gegen einen Arbeitnehmer aufgrund der Fakten vom 2. Oktober 2012 eine disziplinarische Untersuchung eröffnet und der Arbeitnehmer provisorisch von seiner Arbeit suspendiert, ohne jeglichen Lohnanspruch während der Zeit der disziplinarischen Untersuchung. Der Arbeitnehmer wurde in der Folge vom 1. Februar bis zum 31. Dezember 2013 arbeitsunfähig geschrieben. Im Anschluss an die disziplinarische Untersuchung wurde der Arbeitnehmer am 17. September 2013 fristlos entlassen. Der Arbeitnehmer war der Ansicht, die fristlose Entlassung sei ungerechtfertigt und forderte den Lohn nicht nur bis zur fristlosen Entlassung am 17. September 2013, sondern unter Berücksichtigung der Kündigungsfrist von zwei Monaten bis zum 30. November 2013.

Das Bundesgericht erachtete bereits die provisorische Suspendierung ohne Lohnzahlung als fristlose Entlassung, und zwar als ungerechtfertigte, da diese erst vier Monate nach Kenntnis der Fakten erfolgte. Entsprechend war somit der Anspruch auf Ersatz des hypothetischen Verdienstes gemäss OR 337c/1 ab diesem Datum zu berechnen. Die hypothetische Kündigungsfrist betrug zwei Monate, und die Lohnfortzahlungspflicht des Arbeitgebers gestützt auf OR 324a nach Berner Skala im 4. Dienstjahr betrug ebenfalls zwei Monate. Somit betrug der hypothetische Verdienst des Arbeitnehmers zwei Monatslöhne, die ihm der Arbeitgeber noch bezahlen musste.

Entschädigung bis zu sechs Monatslöhnen

Der Richter kann den Arbeitgeber verpflichten, dem Arbeitnehmer eine Entschädigung zu bezahlen, die er nach freiem Ermessen unter Würdigung aller Umstände festlegt; diese Entschädigung darf jedoch den Lohn des Arbeitnehmers für sechs Monate nicht übersteigen (OR 337c/3). Diese Entschädigung kommt zum Anspruch nach OR 337c/1 hinzu. Sie hat sowohl Strafcharakter als auch Genugtuungsfunktion und gleicht einer Konventionalstrafe, da sie auch geschuldet ist, ohne dass der Entlassene einen Schaden erleidet oder nachweisen kann. In einem aktuellen Urteil (4A_173/2018 / 4A_179/2018) hat das Bundesgericht festgehalten, dass grundsätzlich bei jeder ungerechtfertigten fristlosen Kündigung eine Entschädigung (d.h. mindestens ein Monatslohn) zu bezahlen ist, ausser in Ausnahmefällen. Die Entschädigung richtet sich nach der Schwere des Verschuldens des Arbeitgebers, dem Ausmass der Persönlichkeitsverletzung gegenüber dem Arbeitnehmer und der Art und Weise wie die Kündigung ausgesprochen wurde. Ebenfalls berücksichtigt werden die Dauer des Arbeitsverhältnisses, das Alter des Entlassenen, seine soziale Situation, ein allfälliges Mitverschulden sowie die finanziellen Auswirkungen der Kündigung für den Arbeitgeber und den Arbeitnehmer. Schliesslich wird auch das Verhalten der Parteien berücksichtigt. Beim Verhalten des Arbeitgebers wird insbesondere darauf geschaut, ob er dem Arbeitnehmer ermöglicht hat, sich zu den Kündigungsgründen zu äussern, oder ob er bei bekannten Streitigkeiten innerhalb des Unternehmens Massnahmen zum Schutz der Persönlichkeit seiner Angestellten getroffen hat. Dem Richter steht bei der Festlegung der Entschädigung ein grosses Ermessen zu.

Speziell im oben genannten Fall war insbesondere die Frage, ob ein sehr hohes Einkommen des Entlassenen bei der Höhe der Entschädigung zu berücksichtigen sei. Konkret hatte die zweite Instanz die 6-monatige Entschädigung gemäss erster Instanz auf drei Monate halbiert, einzig mit dem Argument des sehr hohen Einkommens. Gemäss Bundesgericht war diese Reduktion nicht gerechtfertigt, denn die angewandte Rechtsprechung zum Bonus hat nur eine indirekte Auswirkung auf die Berechnung der Entschädigung bei einer ungerechtfertigten fristlosen Kündigung. Wird ein Bonus als freiwillige Gratifikation qualifiziert, ist er nicht Lohnbestandteil und hat keinen Einfluss auf die Höhe des massgebenden Monatslohns für die Entschädigung nach OR 337c/3, umgekehrt jedoch schon.

Kommentar

Der hypothetische Lohnanspruch gemäss OR 337c/1 berechnet sich grundsätzlich nach dem Lohn, der bei ordentlicher Kündigung bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses angefallen wäre. Nach herrschender Lehre verlängert sich diese Zeitspanne, wenn bei einer ungerechtfertigten fristlosen Entlassung in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis eine Sperrfrist nach OR 336c (z.B. Krankheit) in die Zeit bis zum hypothetischen Vertragsende fällt. Das Urteil 4A_431/2017 des Bundesgerichts ist in diesem Punkt leider nicht klar. Wir gehen aber davon aus, dass es nicht der herrschenden Lehre widersprechen wollte. Andernfalls könnte der Arbeitgeber die Einhaltung der Sperrfrist für ordentliche Kündigungen einfach dadurch umgehen, dass er eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung ausspricht.


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