Die Änderungskündigung

1. März 1999

Die Änderungskündigung

Begriff

In der heutigen Zeit haben Arbeitgeber oft das Bedürfnis, Arbeitsverträge an die wechselnden wirtschaftlichen und betrieb­lichen Verhältnisse anzupassen. Meistens bezweckt der Arbeit­geber in erster Linie nicht die Beendigung des Arbeitsverhält­nisses, sondern bevorzugt eine inhaltliche Umgestaltung der Arbeitsbedingungen. Als Mittel dazu dient ihm die sogenannte Änderungskündigung.

Die Änderungskündigung ist im Schweizerischen Obligationen­recht (OR) nicht geregelt. Sie kann wie folgt umschrieben wer­den: eine Partei schlägt der anderen neue Vertrags­bedingungen vor und erklärt gleichzeitig die Kündigung für den Fall, dass die andere Partei den vorgeschlagenen – ungünstigeren – Vertrags­bedingungen nicht zustimmt. Für die Änderungskündigung gel­ten die gleichen Prinzipien wie für die gewöhnliche Kündigung.

In der Praxis unterscheidet man insbesondere zwei Arten von Änderungskündigungen, und zwar die eigentliche (auch Ände­rungskündigung im engeren Sinne genannt) und die uneigent­liche (auch Änderungskündigung im weiteren Sinne genannt). Bei der eigentlichen Änderungskündigung ist der Änderungs­wunsch mit der Kündigung eng verbunden, sei es durch eine Kündigung mit neuer Vertragsofferte oder durch eine bedingte Kündigung. Nach herrschender Lehre ist eine bedingte Kündi­gung aber nur zulässig, wenn über deren Eintritt ausschliesslich die gekündigte Partei entscheiden kann. Dies ist der Fall, wenn eine Partei erklärt, ihre Kündigung soll nur gelten, wenn die andere Partei einer bestimmten Vertragsänderung nicht zustimmt. Bei der uneigentlichen Änderungskündigung hingegen wird einer Partei gekündigt, weil sie zu einer einvernehmlichen Änderung der Arbeitsbedingungen nicht bereit ist. Wird jedoch die Offerte zum Änderungsvertrag angenom­men, kommt es gar nie zu einer Kündigung. Die Abgrenzung der beiden Arten kann sich in der Praxis schwierig erweisen, ist jedoch bezüglich der Zulässigkeit der Kündigung kaum von Bedeutung. Sie ist aber für die Frage entscheidend, was geschieht, wenn die Ände­rungskündigung von der Gegenpartei nicht angenommen wird (AJP 1/99, Die Änderungskündigung im schweizerischen Arbeitsrecht von Th. Geiser).

Zulässigkeit

Da die Änderungskündigung meistens zuungunsten des Arbeit­nehmers erfolgt, war die Rechtmässigkeit lange umstritten. Das Bundesgericht hat im Entscheid BGE 123 III 246 die Zulässigkeit der Änderungskündigung grundsätzlich bejaht. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass die Änderungskündigung nicht sofort zum Nachteil des Arbeitnehmers eintritt, sondern erst nach Ablauf der vertraglichen oder gesetzlichen Kündigungsfrist. Das bedeutet, dass während der laufenden Frist der Änderungskündigung die bisherigen Arbeitsbedingungen weiterbestehen müssen.

Eine Änderungskündigung kann aber auch missbräuchlich sein. Im BGE 123 III 246 hat das Bundesgericht eine Kündigung als miss­bräuchlich erklärt, da sie ausgesprochen wurde, weil die andere Partei nach Treu und Glauben Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis geltend gemacht hat. Die Arbeitgeberin hat der Arbeitnehmerin, die schon sieben Jahre bei ihr gearbeitet hatte, Mitte Dezember einen neuen Arbeitsvertrag unterbreitet, welcher eine Lohnreduktion von Fr. 500.- pro Monat mit Wirkung ab 1. Januar vorsah. Da die Arbeitnehmerin den neuen Arbeits­vertrag nicht annahm, kündigte die Arbeitgeberin Ende Dezem­ber fristgerecht auf Ende April und legte eine neue Vertrags­offerte für den 1. Mai bei. Der Arbeitnehmerin wurde zudem ausdrücklich in Aussicht gestellt, die Änderungskündigung zurückzunehmen, wenn sie mit einer sofortigen Lohnreduktion einverstanden wäre. Da die Arbeitnehmerin berechtigterweise auf ihrer Lohnforderung für die Dauer der Kündigungsfrist beharrte, ist die ausgesprochene Kündigung missbräuchlich. Es liegt ein Fall der sogenannten Rachekündigung vor.

Änderungsofferte wird von der Gegenpartei nicht ange­nommen

Werden die neuen Vertragsbedingungen abgelehnt, gelten vor­erst die bisherigen Vertragsbedingungen weiter. In Bezug auf den Bestand des Vertrages und die weitere Vorgehensweise ist nun entscheidend, ob wir es mit einer eigentlichen oder uneigentlichen Änderungskündigung zu tun haben. Bei der eigentlichen Änderungskündigung liegt für diesen Fall eine unmissverständlich ausgesprochene Kündigung vor, dass heisst das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Kündigungsfrist. Bei uneigentlichen Änderungskündigung hingegen liegt vorerst noch gar keine Kündigung vor. Das Arbeitsverhältnis besteht also mit den bisherigen Arbeitsbedingungen weiter, bis eine ordentliche Kündigung ausgesprochen wird.

Folgerung

Die Änderungskündigung ist ein sinnvolles und effizientes Mittel zur Umgestaltung eines Arbeitsvertragsverhältnisses. Um Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden, empfiehlt es sich, die Ände­rungskündigung schriftlich vorzunehmen und insbesondere folgende Punkte ausdrücklich zu regeln:

  • welche Arbeitsbedingungen werden wie abgeändert
  • was gilt bei Nichtannahme der Änderungsofferte
  • wie ist ein Stillschweigen der Gegenpartei auszulegen
  • wie und bis wann muss die Gegenpartei die Änderungsofferte annehmen oder ablehnen
  • auf welchen Zeitpunkt – wenn überhaupt – wird das Arbeits­verhältnis beendet, wenn die Änderungsofferte nicht angenommen wird (AJP 1/99, Die Änderungskündigung im schweizerischen Arbeitsrecht von Th. Geiser).

Will der Arbeitgeber im Rahmen einer Umstrukturierung oder aus anderen Gründen die Arbeitsbedingungen vieler oder sogar aller Arbeitnehmer neu gestalten, so sind die Regeln über die Massenentlassung (OR 335d-g) zu beachten.


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