Enden die Arbeitsverträge mit dem Konkurs des Arbeitgebers? Ist eine Kündigung – ordentlich oder fristlos – notwendig? Werden die Arbeitsverträge von der Konkursverwaltung übernommen? Das Bundesgericht hat im Entscheid 4C.239/2006 vom 5. Oktober 2006 zu diesen Fragen Stellung genommen.
Keine Vertragsauflösung von Gesetzes wegen
Das schweizerische Recht enthält keine allgemeine Bestimmung, gemäss der die Konkurseröffnung automatisch die Beendigung der Verträge mit dem Gemeinschuldner zur Folge hat, sondern lediglich einige besondere Bestimmungen, welche das Dahinfallen solcher Verträge vorsehen, sprich die Kündigungsmöglichkeit für die andere Partei, was SchKG 211/3 ausdrücklich vorbehält.
Der Bestand der Arbeitsverträge wird durch die Konkurseröffnung über den Arbeitgeber nicht unmittelbar betroffen. Mit anderen Worten, wird das Arbeitsverhältnis weder vom Arbeitnehmer noch vom Arbeitgeber bzw. von der in den Arbeitsvertrag eingetretenen Konkursverwaltung gekündigt, so besteht es unverändert weiter, und der Arbeitnehmer hat seine Forderungen gegen den konkursiten Arbeitgeber persönlich geltend zu machen.
Kündigungsrecht des Arbeitnehmers
Oft ist der Arbeitgeber mit der Zahlung von Lohnforderungen, die vor Konkurseröffnung entstanden sind, im Verzug. Wenn es sich dabei nicht um eine unbedeutende Differenz handelt, liegt ein wichtiger Grund vor, und der Arbeitnehmer ist berechtigt – auch ausserhalb des Konkurses des Arbeitgebers – nach erfolgter Abmahnung das Arbeitsverhältnis fristlos aufzulösen (OR 337), ohne das in OR 337a vorgesehene Sicherstellungsbegehren gestellt zu haben. Befindet sich der Arbeitgeber hingegen bereits im Konkurs, ist eine vorgängige Abmahnung grundsätzlich nicht erforderlich, es sei denn, die Konkursverwaltung als Vertreterin der Konkursmasse hat die erkennbare Absicht, nach SchKG 211/2 in den Arbeitsvertrag einzutreten und die rückständigen Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis sofort zu bezahlen.
Zudem kann der Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis fristlos auflösen, wenn der Arbeitgeber zahlungsunfähig wird und dem Arbeitnehmer für seine Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis nicht innert angemessener Frist Sicherheit leistet (OR 337a). Dazu bedarf es aber, dass der Arbeitnehmer tatsächlich von seinem Recht, Sicherstellung zu verlangen, Ge- brauch gemacht hat. Zahlungsunfähigkeit ist namentlich bei Konkurseröffnung offenkundig. Der Arbeitnehmer kann jedoch nur für zukünftige, d.h. für nach Konkurseröffnung entstehende Ansprüche Sicherheit verlangen, nicht aber für die bei Konkurseröffnung bereits fälligen. Als Sicherstellung kommen nach Wahl des Arbeitgebers z.B. Bankgarantie, Pfandbestellung, Sperrkonto, Bürgschaft, Hinterlegung von Wertschriften und Bardepot in Betracht. Wird fristgerecht genügend Sicherheit geleistet, kann der Arbeitnehmer wegen Forderungen, die nach Konkurseröffnung entstanden sind, nicht gemäss OR 337a kündigen. Befindet sich der Arbeitgeber bereits in Konkurs, hat die Fristansetzung für die Sicherstellung auch an die Konkursverwaltung zu erfolgen.
Kündigung durch die Konkursverwaltung
Da dem Gemeinschuldner mit der Konkurseröffnung die Verfügungs- macht über das Arbeitsverhältnis entzogen wurde, kann er das Arbeitsverhältnis nicht mehr kündigen. Für ihn kann nun die Konkursverwaltung das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist auflösen. Hingegen ermöglicht das Gesetz der Konkursverwaltung nicht, das Arbeitsverhältnis auf Grund des Konkurses fristlos aufzulösen, denn der Konkurs wird nicht als wichtiger Grund im Sinn von OR 337 angesehen.
Eintritt der Konkursverwaltung in die Arbeitsverträge?
Die Konkursverwaltung hat das Recht, nicht aber die Pflicht, in die bestehenden Arbeitsverträge einzutreten und sie zu erfüllen (SchKG 211/2). Ein Eintritt in die Arbeitsverträge muss nicht ausdrücklich erfolgen, sondern kann sich auch stillschweigend ergeben. Für den Arbeitnehmer ist es von besonderer Wichtigkeit, ob die Konkursverwaltung in seinen Arbeits- vertrag eingetreten ist, weil davon abhängt, wie die Lohnforderungen für die Zeit zwischen Konkurseröffnung und Auflösung des Arbeitsvertrages durch die Konkursverwaltung zu behandeln sind. Liegt tatsächlich ein Eintritt vor, werden damit sämtliche Forderungen des Arbeitnehmers, auch die nach Konkurseröffnung entstandenen, zu einer Masseschuld, und der Arbeitnehmer riskiert nicht, nicht bezahlt zu werden. Wenn hingegen kein Eintritt vorliegt, muss der Arbeitnehmer seine Lohnforderungen im Konkurs eingeben und riskiert, nicht oder nicht vollständig befriedigt zu werden. Unter dieser Annahme sind die Forderungen des Arbeitnehmers nicht als Masseschuld zu betrachten, sondern als Konkursforderung.
Gemäss Bundesgericht spricht beispielsweise die Tatsache, dass die Konkursmasse Sicherheit geleistet hat, für ihren Eintritt in den Arbeitsvertrag. Das Gleiche gilt, wenn die Konkursverwaltung einen Arbeitnehmer zur Arbeit bittet oder ihn sogar arbeiten lässt. In solchen Situationen werden sämtliche nach der Konkurseröffnung entstandenen Forderungen des Arbeitnehmers zu einer Masseschuld.
Fraglich ist, ob der Arbeitnehmer seinen Lohn fordern kann für die Zeit nach der Konkurseröffnung, obschon sein Vertrag nicht (oder noch nicht) von der Konkursverwaltung gekündigt worden ist und der Arbeitnehmer keine Arbeitsleistung mehr erbracht und diese auch nicht angeboten hat. Das Bundesgericht hat entschieden, dass ein solches Verhalten des Arbeitnehmers einem Verlassen der Arbeitsstelle gemäss OR 337d gleichzustellen ist und somit das Geltendmachen einer Gegenforderung ausschliesst (OR 82).
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