Ausnahmen vom Zeitzuschlag bei Nachtarbeit

1. Oktober 2009

Ausnahmen vom Zeitzuschlag bei Nachtarbeit

Der Zeitzuschlag für dauernde oder regelmässig wiederkehrende Nachtarbeit ist nicht geschuldet, wenn ein Betrieb ein betriebliches Arbeitszeitsystem aufweist, dessen wöchentliche Arbeitszeit eine bestimmte Dauer nicht übersteigt. Das Bundesgericht kam im Entscheid 2C_308/2008 vom 5. März 2009 erfreulicherweise zum Schluss, dass ein Arbeitszeitsystem auch dann als betrieblich gilt, wenn sich das Arbeitszeitmodell nur auf die in der Nacht beschäftigten Arbeitnehmer bezieht und für die ausschliesslich am Tag beschäftigten Arbeitnehmer nicht anwendbar ist.

Grundsatz: Zeitzuschlag

Wer dauernd oder regelmässig wiederkehrend in der Nacht (zwischen 23 und 6 Uhr) arbeitet, d.h. in 25 oder mehr Nächten pro Kalenderjahr, erhält gemäss Arbeitsgesetz (ArG 17b/2) einen Zeitzuschlag von 10% auf den in der Nacht geleisteten Stunden. Von diesem Grundsatz gibt es Ausnahmen. Arbeitet ein Arbeitnehmer regelmässig höchstens eine Randstunde abends (23 bis 24 Uhr) oder morgens (5 bis 6 Uhr) in der Nachtzeit, kann der Zeitzuschlag von 10% auch als Lohnzuschlag von 10% ausbezahlt werden. Zudem ist insbesondere in folgenden Fällen kein Zeitzuschlag (und auch kein Ausgleich als Lohnzuschlag) geschuldet: Wenn ein Betrieb ein betriebliches Arbeitszeitsystem aufweist, dessen wöchentliche Arbeitszeit für einen vollzeitlich beschäftigten Arbeitnehmer folgende Dauer nicht übersteigt:

  • bei Schichtarbeit 35 Stunden inklusive Pausen, wenn die durchschnittliche Schichtdauer 7 Stunden nicht übersteigt;
  • bei einer betrieblichen Vier-Tage-Woche 36 Stunden exklusive Pausen (ArGV1 32/1).

Betrieblich ist ein Arbeitszeitsystem, wenn dieses für den ganzen Betrieb oder einen klar davon abgrenzbaren Betriebsteil integral Anwendung findet (ArGV1 32/2).

Ausnahme: Betriebliches Arbeitszeitsystem

Dem eingangs erwähnten Entscheid des Bundesgerichts lag folgender Sachverhalt zu Grunde: Eine privatrechtlich geführte Klinik hatte ein Nachtdienstmodell, das für ihre Arbeitnehmer des Nachtdienstes eine Vier-Tage-Woche vorsah. Die Klinik war der Ansicht, ihr Modell entspreche den gesetzlichen Vorgaben von ArG 17b/3b, es bestehe kein Wechselschichtbetrieb zwischen Tag- und Nachtdienst und die dauernd in der Nacht arbeitenden Arbeitnehmer würden höchstens in vier Nächten und während maximal 36 Stunden pro Woche beschäftigt, weshalb kein Zeitzuschlag zu gewähren sei. Sowohl das kantonale Amt für Wirtschaft und Arbeit als auch der Regierungsrat und das Verwaltungsgericht als Rechtsmittelinstanzen verneinten jedoch das Vorliegen eines betrieblichen Arbeitszeitsystems. Ihrer Auffassung nach gelte das Arbeitszeitmodell des Nachtdienst leistenden Pflegepersonals weder im ganzen Betrieb noch in einem klar abgrenzbaren Betriebsteil, weil das 100%-Pensum für das Pflegepersonal des Tagdienstes bei 40 Stunden – bei sechs Diensten auf sieben Tage – liege und in der Psychologie, der handlungsorientierten Therapie sowie in den übrigen Bereichen 42 Stunden bei einer Fünf-Tage-Woche gearbeitet werde. Sowohl örtlich als auch funktionell würden sich die Aufgaben des Pflegedienstes bei Tag und Nacht nicht in einem Masse unterscheiden, dass von einander abgrenzbaren Betriebsteilen gesprochen werden könne. Damit mangelte es gemäss den Vorinstanzen an einer gesetzlichen Voraussetzung für eine Ausnahme vom Zeitzuschlag.

Ziel der Anforderung „betrieblich“

Ziel der Anforderung, dass das Arbeitszeitsystem ein betriebliches sein muss, ist die Vermeidung der Umgehung der Schutzvorschriften von ArG 17b/2 durch individuelle Rechtsgestaltungen. Es soll namentlich verhindert werden, dass nur schwer durchschaubar ist, ob und in welchem Umfang die Personen, die wöchentlich jeweils weniger als fünf Tage und maximal 36 Stunden beschäftigt werden, als Teilzeit- oder Vollbeschäftigte gelten und inwiefern ihnen somit ein Zeitzuschlag zu gewähren ist oder nicht. Zudem sollen die Teilzeitangestellten nicht durch Vorenthaltung jeglicher Kompensation für Nachtarbeit benachteiligt werden, indem ihnen entgegengehalten wird, sie würden ohnehin nicht mehr als vier Tage und 36 Stunden arbeiten. Vielmehr sollen Teilzeitbeschäftigte bei einem Arbeitszeitsystem, das unter die Ausnahmebestimmung von ArG 17b/3b fällt, ihrem tieferen Anstellungspensum entsprechend nur einen Bruchteil von vier Tagen pro Woche arbeiten müssen (z.B. 3,2 Tage bei einem 80% Pensum). 

Diese Ziele können gemäss Bundesgericht erreicht werden, ohne dass die ausschliesslich am Tag beschäftigten Arbeitnehmer das gleiche Arbeitszeitmodell haben wie die dauernd oder regelmässig Nachtarbeit leistenden Betriebskollegen. Demnach gibt es auch keinen sachlichen Grund, bei der Anwendung von ArG 17b/3 danach zu unterscheiden, ob für die nur am Tag beschäftigten Arbeitnehmer des Betriebs das gleiche Arbeitszeitsystem wie für die Nachtarbeiter gilt. Die Begriffe des betrieblichen Arbeitszeitsystems und des klar abgrenzbaren Betriebsteils im Sinn von ArGV1 32/2 umfassen gemäss Bundesgericht nicht nur eine örtliche und funktionelle Komponente. Vielmehr ist ein Arbeitszeitsystem auch dann betrieblich, wenn es nur – aber immerhin – für alle regelmässig Nachtarbeit leistenden Arbeitnehmer eines Betriebs oder einer Funktion in diesem Betrieb bzw. in dem davon örtlich abgrenzbaren Betriebsteil gilt. Es muss nicht ebenfalls für das ausschliesslich am Tag beschäftigte Personal gelten. 

Vollzeitpensum

Die Vorinstanz hat keine Feststellungen darüber getroffen, ob das Arbeitszeitmodell der Vier-Tage-Woche à 36 Stunden tatsächlich für das gesamte Pflegepersonal gilt, das dauernd oder regelmässig Nachtarbeit leistet. Ebenfalls nicht geklärt hat sie die weitere Bedingung, damit der Zeitzuschlag nicht geschuldet ist, nämlich dass es sich beim erwähnten Arbeitszeitmodell um ein Vollzeitpensum handeln muss. Deshalb wurde die Angelegenheit zur Sachverhaltsfeststellung und zu neuem Entscheid an die Vorinstanz zurückgewiesen. Gemäss Bundesgericht wird die Vorinstanz bei der Frage, ob die Vier-Tage-Woche der dauernd oder regelmässig wiederkehrend Nachtarbeit leistenden Arbeitnehmer im Betrieb als Vollzeitstelle konzipiert ist, namentlich auf einen Lohnvergleich mit den Tagesarbeitern abzustellen haben. Damit der Nachtdienst bei einer Vier-Tage-Woche und 36 Arbeitsstunden als Vollzeitpensum gelten kann, müsste der Lohn bei vergleichbaren Aufgaben und Anforderungen gleich hoch ausfallen wie bei einer Vollzeitstelle – in casu mit höherer Stundenzahl – ausschliesslich im Tag- oder Abenddienst.

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