Arbeitszeiterfassung

2. November 2015

Arbeitszeiterfassung

Der Bundesrat hat die Vorschriften zur Arbeitszeiterfassung in der Verordnung 1 zum Arbeitsgesetz (ArGV1) angepasst und per 1. Januar 2016 in Kraft gesetzt. Danach gibt es unter bestimmten strengen Voraussetzungen zwei Möglichkeiten, von der fortlaufenden detaillierten Dokumentation der Arbeitszeit gemäss ArGV1 73 abzuweichen: Der Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung und die vereinfachte Arbeitszeiterfassung, die sich auf die Erfassung der täglichen Arbeitszeit beschränkt. Generell ausgenommen von der Arbeitszeiterfassung bleiben nach wie vor die höheren leitenden Angestellten.

Höhere leitende Tätigkeit

Die gesetzliche Definition der höheren leitenden Tätigkeit in ArGV1 9 stellt hohe Anforderungen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts reicht dafür nicht aus, dass ein Arbeitnehmer eine Vertrauensstellung im Unternehmen inne hat. Einzelne Aspekte, die auf eine leitende Funktion hinweisen können wie Unterschrifts- oder Weisungsbefugnis oder die Höhe des Lohns sind für sich allein nicht ausschlaggebend. Wesentlich ist das Gesamtbild der wirklich ausgeübten Tätigkeit mit Blick auf die Unternehmensstruktur, ungeachtet der Funktionsbezeichnung oder der Ausbildung der betreff enden Person. Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls. Nach dem Sinn der für Arbeitnehmer mit höherer leitender Tätigkeit statuierten Ausnahme ist die Vorschrift eng auszulegen. Ausschlaggebend sind die Entscheidungsbefugnisse aufgrund der Stellung und Verantwortung im Betrieb, etwa mit Bezug auf Einstellung und Einsatz des Personals, die Einteilung der Arbeitszeiten im Unternehmen (nicht nur der eigenen und der unmittelbar unterstellten Mitarbeiter), die Lohnpolitik oder die Möglichkeit, selbständig die Jahresziele des Unternehmens oder eines Bereichs festzusetzen. Eine höhere leitende Tätigkeit setzt voraus, dass der Arbeitnehmer an der Spitze der Unternehmenshierarchie steht und unter dem Personal des Unternehmens über eine privilegierte Stellung verfügt. Blosse Kaderzugehörigkeit reicht jedenfalls nicht aus, um die Anwendung des Arbeitsgesetzes auszuschliessen (vgl. Urteile 2C_745/2014 und 4A_258/2010 des Bundesgerichts).

Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung (ArGV1 73a)

Die Möglichkeit des Verzichts auf die Erfassung und Dokumentation der Arbeitszeiten gemäss ArGV1 73/1 muss in einem Gesamtarbeitsvertrag (GAV) nach den allgemeinen Grundsätzen des GAV-Rechts vorgesehen sein. Der GAV muss von der Mehrheit der potenziell in Frage kommenden (d.h. repräsentativen) Arbeitnehmerorganisationen unterzeichnet sein. Inhaltlich muss der GAV besondere Massnahmen für den Gesundheitsschutz und für die Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Ruhezeiten vorsehen und die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Bezeichnung einer internen Anlaufstelle für Fragen zu den Arbeitszeiten.

Auf die Arbeitszeiterfassung verzichten können nur Arbeitnehmer, die bei ihrer Arbeit über eine grosse Autonomie verfügen und ihre Arbeitszeiten mehrheitlich (mindestens 50%) selber festsetzen können. Dabei sind positive Faktoren, wie keine zwingenden Präsenzzeiten oder Telearbeit ohne festgelegten Zeitplan, und negative Faktoren, wie obligatorische Sitzungen oder zwingende Blockzeiten, entsprechend zu berücksichtigen. Gleitende Arbeitszeiten zu haben, genügt aber alleine nicht. Diese Arbeitnehmer müssen zudem über ein Bruttojahreseinkommen, einschliesslich Boni, von mehr als 120 000 Franken verfügen, wobei sich dieser Betrag bei Teilzeitanstellung anteilsmässig reduziert. Die 120 000 Franken stehen in Bezug zum Höchstbetrag des versicherten Verdienstes nach dem UVG (148 200 Franken ab 1.1.2016) und folgen dessen Entwicklung.

Schliesslich muss jeder betroffene Arbeitnehmer schriftlich individuell auf die Arbeitszeiterfassung verzichten. Der Verzicht auf die Arbeitszeiterfassung kann sowohl vom Arbeitgeber wie vom Arbeitnehmer jährlich per Ende Jahr widerrufen werden.

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, den GAV und die individuellen Verzichtsvereinbarungen den Vollzugs- und Aufsichtsorganen zur Verfügung zu halten. Zudem muss er ein Verzeichnis der Arbeitnehmer führen, die auf die Arbeitszeiterfassung verzichtet haben und bestätigen, dass sie die erforderliche Lohnhöhe überschreiten.

Vereinfachte Arbeitszeiterfassung (ArGV1 73b)

Die vereinfachte Arbeitszeiterfassung, wonach nur die täglich geleistete Arbeitszeit dokumentiert wird, bedarf einer Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmervertretung einer Branche oder eines Betriebs oder, wo eine solche nicht besteht, der Mehrheit der Arbeitnehmer eines Betriebs. Als Arbeitnehmervertretung kann beispielsweise die gewählte interne Personalkommission gemäss Mitwirkungsgesetz gelten. Trotz Vorliegen einer solchen Vereinbarung kann der einzelne Arbeitnehmer frei entscheiden, die Arbeitszeiten lückenlos zu dokumentieren. Der Arbeitgeber hat dafür ein geeignetes Instrument zur Verfügung zu stellen.

In Betrieben mit weniger als 50 Arbeitnehmern kann die vereinfachte Arbeitszeiterfassung auch individuell zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer schriftlich vereinbart werden. Es ist möglich, dies auch in elektronischer Form zu vereinbaren. In der Vereinbarung ist auf die geltenden Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen hinzuweisen. Zusätzlich muss jährlich ein Endjahresgespräch zur Arbeitsbelastung geführt und dokumentiert werden.

Diese Ausnahme kommt nur für Arbeitnehmer in Frage, die ihre Arbeitszeiten zu einem namhaften Teil (mindestens 25%) selber bestimmen können. Nur gleitende Arbeitszeiten zu haben, erfüllt dieses Kriterium nicht. Bei Nacht- und Sonntagsarbeit sind zusätzlich Anfang und Ende der Arbeitseinsätze zu dokumentieren.

Die Vereinbarung muss die Arbeitnehmerkategorien, für welche die vereinfachte Arbeitszeiterfassung gilt, festlegen. Zudem ist zu erläutern, mit welchen Massnahmen dafür gesorgt wird, dass die Arbeits- und Ruhezeitbestimmungen eingehalten werden. Im Weiteren ist ein paritätisches Verfahren festzulegen, mit dem die Einhaltung der Vereinbarung überprüft wird. Dabei muss zumindest sichergestellt sein, dass ein periodischer Austausch zwischen den betroffenen Arbeitnehmern bzw. deren Vertretung und dem Arbeitgeber zur Umsetzung der Vereinbarung stattfindet.

Für Betriebe, welche die bisher gültige Weisung des SECO bereits umgesetzt haben, gilt diese noch bis Ende 2016.

Kommentar

Die bereits im Anhörungsverfahren breit kritisierte Revision ist eine missratene Übung, die zulasten zahlreicher Unternehmen bloss einige bereits organisierte Branchen zufriedenstellt. Doch offenbar geht nun die Diskussion im Parlament weiter und es ist zu hoffen, dass sich eine Mehrheit für eine Lockerung des Arbeitsgesetzes entscheiden wird.

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