Arbeitsvertrag oder Auftrag?

1. April 2016

Arbeitsvertrag oder Auftrag?

Die Abgrenzung zwischen Arbeitsvertrag und Auftrag ist in der Praxis alles andere als einfach und gibt immer wieder zu Diskussionen Anlass. Die charakteristischen Elemente eines Arbeitsvertrags sind das Erbringen einer Arbeitsleistung, die Eingliederung in eine fremde Arbeitsorganisation (so genanntes Subordinationsverhältnis), das Vorliegen eines Dauerschuldverhältnisses und die Entgeltlichkeit. Dabei ist gemäss Bundesgericht zu beachten, dass einzelne Befugnisse aus dem Arbeitsvertrag auch delegiert werden können, z.B. von einer Tochtergesellschaft an die Muttergesellschaft. Ob die Muttergesellschaft in einem Konzern ein Weisungsrecht gegenüber einem Arbeitnehmer einer Tochtergesellschaft hat, ist im konkreten Einzelfall anhand der Ausgestaltung des Arbeitsvertrags zu bestimmen.

Unterschied zwischen Arbeitsvertrag und Auftrag

Durch den Einzelarbeitsvertrag verpflichtet sich der Arbeitnehmer auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Leistung von Arbeit im Dienst des Arbeitgebers und dieser zur Entrichtung eines Lohnes, der nach Zeitabschnitten (Zeitlohn) oder nach der geleisteten Arbeit (Akkordlohn) bemessen wird (OR 319/1). Der Auftrag hingegen besteht in der Besorgung eines bestimmten Geschäfts (oder mehrerer) unter Berücksichtigung des dafür notwendigen Zeitaufwandes. In der Regel ist der Beauftragte wirtschaftlich unabhängig vom Auftraggeber und trägt das Betriebsrisiko selber. Der Auftrag kann jederzeit gekündigt werden. Erfolgt die Kündigung zur Unzeit, kann dies allenfalls eine Schadenersatzzahlung zur Folge haben.

In der Praxis ist die Abgrenzung alles andere als einfach, aber bedeutungsvoll, können sich doch die Vertragsparteien nur auf die zahlreichen zwingenden Normen des Arbeitsverhältnisses (z.B. Freizeit- und Ferienregelung, Lohnfortzahlungspflicht bei Krankheit, Kündigungsfristen, etc.) berufen, wenn das Rechtsverhältnis auch tatsächlich ein Arbeitsvertrag ist. Zudem ist der Arbeitsvertrag Anknüpfungspunkt verschiedener Sozialversicherungen (z.B. obligatorische Unfallversicherung, berufliche Vorsorge und Arbeitslosenversicherung). Ferner gilt für arbeitsrechtliche Streitigkeiten bis zu einem Streitwert von 30 000 Franken ein vereinfachtes, vom ordentlichen Prozess abweichendes, Verfahren und es werden bei solchen Streitigkeiten grundsätzlich keine Gerichtskosten gesprochen.

Urteil 4A_344/2015 des Bundesgerichts

Die A. AG (nachfolgend Arbeitgeberin genannt) mit Sitz in Baar gehört zu der C., die im Bereich der Bekleidungs- und Textilindustrie mit einem weiten Vertriebs- und Servicenetz in ganz Europa tätig ist. Die Administration und der Produktionsstandort der C. befinden sich bei der D. S.r.l. in Italien (Schwestergesellschaft der Arbeitgeberin). Die C. gehört zum indischen Konzern E. Die F. SA mit Sitz in Luxemburg ist eine 100%ige Tochtergesellschaft der E. und führt ihrerseits die C. als Muttergesellschaft. Mit Arbeitsvertrag ab Januar 1993 wurde B. (nachfolgend Arbeitnehmer genannt) von der damaligen Eigentümerin der C. als „President of the C. …“ angestellt. Gemäss diesem Arbeitsvertrag sollte der Arbeitnehmer für seine Dienstleistungen als Geschäftsführer der D. S.r.l. sowie für seine Dienstleistungen als Präsident einer weiteren C.-Gesellschaft sowie für die Erfüllung seiner Pflichten ausserhalb Italiens entschädigt werden. Die Auszahlung der Vergütung erfolgte teilweise durch die D. S.r.l. und teilweise durch die Arbeitgeberin. Im November 2002 erhielt der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin ein Schreiben mit dem Titel „Compensation package“. Darin wurde dem Arbeitnehmer die Auszahlung einer Abgangsentschädigung von 24 Monatslöhnen bei Kündigung ohne Grund in Aussicht gestellt. Im April 2009 kündigte die Arbeitgeberin dem Arbeitnehmer fristlos und führte dabei folgendes aus: „We refer to your employment agreement with A. AG dated November 11, 2002, as amended by letter of July 22, 2007 („Employment agreement“). We herewith terminate the Employment Agreement with immediate effect.“. In der Folge forderte der Arbeitnehmer von der Arbeitgeberin gestützt auf das Schreiben vom 11. November 2002 die Auszahlung einer Abgangsentschädigung im Umfang von 24 Monatslöhnen infolge Kündigung ohne Grund. Die Arbeitgeberin machte geltend, dass es sich beim geschlossenen Vertrag um einen Auftrag handle, womit OR 404/1 anzuwenden und die Klage mangels Anspruchsgrundlage abzuweisen sei, da die Vereinbarung einer Abgangsentschädigung das zwingende jederzeitige Widerrufsrecht nach OR 404/1 beschränke und daher ungültig sei.

Delegation des Weisungsrechts

Die Vorinstanz hat das Bestehen eines Arbeitsvertrags einzig deshalb verneint, weil ihrer Ansicht nach zwischen den Parteien kein Subordinationsverhältnis vorgelegen habe, da nicht die Arbeitgeberin Träger des Weisungsrechts war. Dies stimmt dem Grundsatz nach. Doch gemäss Bundesgericht ist zu beachten, dass einzelne Befugnisse aus dem Arbeitsvertrag auch delegiert werden können. Die Arbeitgeberin kann mithin das Weisungsrecht ganz oder teilweise an Dritte delegieren, ohne dass dadurch der weisungsberechtigte Dritte zur Arbeitgeberin wird. Ob in einem Konzern die Muttergesellschaft ein Weisungsrecht gegenüber einem Arbeitnehmer einer Tochtergesellschaft hat, ist anhand der Ausgestaltung des Arbeitsvertrags im Einzelfall zu bestimmen.

Gemäss Vorinstanz empfing der Arbeitnehmer zwar durchaus Weisungen, allerdings nicht von der Arbeitgeberin, sondern von deren Muttergesellschaft. Wie oben ausgeführt, ist eine Delegation des Weisungsrechts von der Arbeitgeberin an die Muttergesellschaft zulässig. Dass die Weisungsbefugnis der Muttergesellschaft gegenüber dem Arbeitnehmer auf einer anderen Rechtsgrundlage als auf dessen Vertrag mit der Arbeitgeberin beruhen würde, bringt diese nicht vor. Der Arbeitnehmer stand insofern in einem Subordinationsverhältnis mit der Muttergesellschaft der Arbeitgeberin. Dem vorinstanzlich festgestellten Sachverhalt lassen sich keine Tatsachen entnehmen, die trotz dieses Subordinationsverhältnisses zur Verneinung einer Eingliederung des Arbeitnehmers in die fremde Arbeitsorganisation führen müssten. Der zwischen den Parteien geschlossene Vertrag ist nach dem Gesagten als Arbeitsvertrag zu qualifizieren. Die Vorinstanz hat somit gemäss Bundesgericht kein Bundesrecht verletzt, indem sie OR 404/1 nicht angewendet und die Abfindungsvereinbarung folglich als gültig erachtet hat. 

Kommentar

Aus dem „Konzernrecht“ und namentlich aus der begriffsnotwendigen einheitlichen Führung des Konzerns allein ergibt sich keine vertragliche Verbindung zwischen der Konzernmutter und den leitenden Angestellten einer Tochtergesellschaft und folglich auch kein arbeitsvertragliches Weisungsrecht der Konzernspitze. Massgebend sind die vertraglichen Vereinbarungen.

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