Was passiert, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber einen Schaden zufügt? Der Arbeitnehmer haftet für einen dem Arbeitgeber verursachten Schaden nur unter bestimmten Voraussetzungen und häufig in einem beschränkten Umfang. In diesem Beitrag finden Sie einen Überblick zu den Haftungsvoraussetzungen, illustriert durch Gerichtsurteile.
Der Arbeitnehmer ist für den Schaden verantwortlich, den er absichtlich oder fahrlässig dem Arbeitgeber zufügt (Art. 321e Abs. 1 OR).
Nicht erwähnt werden in der vorgenannten Bestimmung die weiteren Haftungsvoraussetzungen, nämlich dass ein Schaden vorliegen muss, welcher durch eine Vertragsverletzung des Arbeitnehmers adäquat kausal verursacht worden ist.
Haftungsvoraussetzungen sind daher: ein Vermögensschaden beim Arbeitgeber, eine Vertragsverletzung durch den Arbeitnehmer, ein adäquater Kausalzusammenhang zwischen Vertragsverletzung und Schaden und ein Verschulden des Arbeitnehmers durch fahrlässiges oder vorsätzliches Verhalten. Falls der Arbeitgeber die ersten drei Voraussetzungen nachweist, wird das Verschulden des Arbeitnehmers vermutet. Der Arbeitnehmer hat jedoch die Befreiungsmöglichkeit mittels dem sog. Exkulpationsbeweis. Fehlt es an einer der vier vorgenannten Voraussetzungen, so entfällt eine Haftung.
Das Mass der Sorgfalt, für die der Arbeitnehmer einzustehen hat, bestimmt sich nach dem einzelnen Arbeitsverhältnis, unter Berücksichtigung des Berufsrisikos, des Bildungsgrades oder der Fachkenntnisse, die zu der Arbeit verlangt werden, sowie der Fähigkeiten und Eigenschaften des Arbeitnehmers, die der Arbeitgeber gekannt hat oder hätte kennen sollen (Art. 321e Abs. 2 OR).
Die in Art. 321e Abs. 2 OR genannten Kriterien sind in einem ersten Schritt bei der Bestimmung des Verschuldens zu berücksichtigen. Folglich wird bei der Frage, ob ein Verschulden vorliegt, auf die individuellen Eigenschaften und Fähigkeiten des Arbeitnehmers und die weiteren konkreten Umstände abgestellt. Für den Fall, dass ein Verschulden gegeben ist, sind die Kriterien nach Art. 321e Abs. 2 OR in einem zweiten Schritt bei der Schadenersatzbemessung (erneut) zu berücksichtigen.
Nachfolgend beleuchten wir die Haftungsvoraussetzungen im Einzelnen:
1. Vermögensschaden
Ein Schaden kann direkt beim Arbeitgeber eintreten oder zunächst bei einem Dritten, gegenüber welchem der Arbeitgeber gemäss Art. 101 OR (bei Schädigung in Erfüllung einer vertraglichen Schuldpflicht) oder nach Art. 55 OR (bei ausservertraglicher Schädigung) für die Schädigung durch den Arbeitnehmer haftet und der Arbeitgeber insofern selbst geschädigt ist.
Ein Schaden im Rechtssinne setzt den Eintritt eines Vermögensschadens voraus. Dieser kann in einer Verminderung oder Nichtvermehrung der Aktiven, einer Vermehrung oder Nichtverminderung der Passiven oder in entgangenem Gewinn bestehen. Soweit eine Versicherung den Schaden deckt, bleibt der Arbeitgeber namentlich durch allfällige Selbstbehalte, Bonusverluste, Regressansprüche der Versicherung oder angefallenen Mietkosten für ein Ersatzfahrzeug geschädigt. Ein betragsmässig nicht nachweisbarer Schaden kann nach Ermessen des Gerichts geschätzt werden (Art. 42 Abs. 2 OR). Dabei hat der Arbeitgeber jedoch die Umstände hinsichtlich des Eintritts und der Abschätzung des Schadens, soweit möglich und zumutbar, zu behaupten und zu beweisen (BGE 4A_293/2007 E 8.1).
2. Vertragsverletzung
Als Verletzung des Arbeitsvertrages kommt eine Verletzung der Arbeitnehmerpflichten gemäss Art. 321–321d OR, insbesondere der Arbeits-, Treue- und der Sorgfaltspflicht, in Betracht. Der Arbeitnehmer haftet aber nur, sofern er seine Hauptpflicht (Arbeitspflicht) oder vertragliche Nebenpflichten verletzt hat und ihm diesbezüglich «Unsorgfalt» vorgeworfen werden kann. Unsorgfältig arbeitet ein Arbeitnehmer dann, wenn insbesondere die Arbeitsleistung nicht unter vollem Einsatz der körperlichen oder geistigen Kräfte erbracht wird. Die Sorgfaltspflicht, für die der Arbeitnehmer einzustehen hat, bestimmt sich nach den konkreten vertraglichen Abreden, den eingangs abgebildeten in Art. 321e Abs. 2 OR genannten, sowie nach weiteren Kriterien wie insbesondere der Dauer des Arbeitsverhältnisses, der Berufserfahrung in- und ausserhalb des Betriebes, der Funktion und der Stellung im Betrieb sowie der Lohnhöhe.
3. Kausalzusammenhang
Adäquat kausal ist ein Kausalzusammenhang, wenn die Vertragsverletzung nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge und der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet ist, den Schaden zu bewirken.
Rechtsprechung: Kein adäquater Kausalzusammenhang konnte in einem Fall nachgewiesen werden, in welchem die Arbeitgeberin den Personalchef für eine Zahlung, welche die Arbeitgeberin einer anderen Mitarbeiterin wegen Persönlichkeitsverletzung leisten musste, zur Haftung ziehen wollte.
Sachverhalt: Vom Personalchef wurde gegen eine Mitarbeiterin eine Untersuchung wegen des Verdachts auf einen Diebstahl geführt; der Verdacht erhärtete sich offenbar nicht. Dessen ungeachtet wurde aber gleichwohl der betroffenen Mitarbeiterin gekündigt. Die Arbeitgeberin wurde in der Folge zu einer Strafzahlung wegen widerrechtlicher Persönlichkeitsverletzung gemäss Art. 49 OR verurteilt: Die Mitarbeiterin erlitt eine Depression, weil sie die interne Untersuchung als nicht ausreichend objektiv empfand und zudem die Verdächtigungen nicht vertraulich behandelt worden waren. Das Bundesgericht sah den Nachweis, dass dies auf die Fehler des Personalchefs in der Untersuchung zurückzuführen war, nicht als erstellt an. Mangels Kausalität lehnte es die Haftung des Personalchefs gemäss Art. 321e OR ab (BGE 4A_238/2015).
4. Verschulden
Damit eine an sich schadensbegründende arbeitsvertragliche Pflichtverletzung auch eine Schadenersatzpflicht des Arbeitnehmers zur Folge hat, muss diesem ein Verschulden angelastet werden können. Wie eingangs erwähnt wird dieses bei Vorliegen der übrigen Haftungsvoraussetzungen vermutet, womit es dem Arbeitnehmer obliegt den Exkulpationsbeweis zu führen.
Zu beachten ist, dass Sorgfalt und Verschulden zwar eng miteinander verbunden, aber nicht deckungsgleich sind: Ein Verschulden liegt nur dann vor, wenn die (auf Unsorgfalt beruhende) Verletzung der Arbeitnehmerpflichten vorsätzlich oder (grob-, mittel- oder leicht-)fahrlässig erfolgt. Das Verschulden des Arbeitnehmers ist insofern, wie weiter vorne bereits erwähnt, ebenfalls nach dem Sorgfaltsmassstab gemäss Art. 321e Abs. 2 OR zu beurteilen.
Die in Art. 321e Abs. 2 OR genannten Kriterien können aber nur dann zur Anwendung gelangen, wenn der Arbeitnehmer fahrlässig gehandelt hat: Handelt der Arbeitnehmer vorsätzlich, kommen die Kriterien nicht zum Tragen. Der Arbeitnehmer haftet in diesem Fall in vollem Umfang. Ähnlich verhält es sich, wenn der Arbeitnehmer grob fahrlässig gehandelt hat. Denn ein Arbeitnehmer soll dann nicht entlastet werden, wenn Schadensfälle seinem krassen Fehlverhalten zuzuschreiben sind. Gleichwohl sind die Kriterien nach Art. 321e Abs. 2 OR grundsätzlich auch bei grober Fahrlässigkeit schadenersatzbeeinflussend zu berücksichtigen. Auch wenn der Arbeitnehmer grundsätzlich für jedes Verschulden und damit auch bei leichter Fahrlässigkeit haftet, wird die Schadenersatzpflicht aber bei nur leichter Fahrlässigkeit regelmässig sehr deutlich reduziert.
Rechtsprechung: In einem Fall betreffend öffentliches Personalrecht, war eine Haftung des Angestellten im Grundsatz erstellt. Die Schadenersatzbemessung war nach Art. 321e Abs. 2 OR und ergänzend nach Art. 99 Abs. 3 OR in Verbindung mit Art. 43 und 44 OR vorzunehmen. Da ein vorsätzliches oder zumindest grobfahrlässiges Verhalten des Angestellten erstellt war, war eine Ermässigung der Ersatzpflicht gestützt auf den Grad des Verschuldens gemäss Bundesgericht ausgeschlossen. Es wurde aber geprüft, ob ein Selbstverschulden der Arbeitgeberin nach Art. 44 Abs. 1 OR vorgelegen habe.
Sachverhalt: Ein Kassier einer Anstalt der römisch-katholischen Kirche des Kantons Luzern zahlte sich, zusätzlich zu seinem ordentlichen Gehalt, selbst über mehrere Jahre hinweg Vergütungen im Umfang von über Fr. 200'000.- aus (Büromiete und Stundenvergütungen sowie Auto- und Projektspesen). Es stellte sich weiter heraus, dass er seine Tochter angestellt und regelmässig Lohnzahlungen für diese auf sein eigenes Konto ausgelöst hatte. Diese Entschädigungen beliefen sich nochmals auf über Fr. 200'000.- (Gehalt und Spesen).
Die Vorinstanz (Obergericht Kt. Luzern) führte aus, die Anstalt als Arbeitgeberin habe zwar grundsätzlich davon ausgehen dürfen, dass der Angestellte seinen Aufgaben und Pflichten ordnungsgemäss nachkomme. Da dieser aber über sehr weitreichenden Kompetenzen verfügt hatte, hätte die Arbeitgeberin dessen Arbeitstätigkeit aber zumindest im Rahmen einer gewöhnlichen Betriebsüberwachung kontrollieren müssen. Da die Buchhaltung über Jahre hinweg nie im Detail geprüft worden war, die Lohn- und Spesenbezüge des Angestellten und von dessen Tochter aber aus den Buchhaltungsunterlagen ersichtlich gewesen wären, und die Organe der Anstalt es versäumt hatten, die Lohnlisten der Anstalt überprüfen, sei die Anstalt ihren Überwachungspflichten nicht hinreichend nachgekommen. Deshalb sei ihr ein Selbstverschulden zuzurechnen. Ein Selbstverschulden der Anstalt wurde auch deshalb bejaht, weil weder ein schriftlicher Arbeitsvertrag abgeschlossen noch seine Pflichten, Aufgabenbereiche und Kompetenzen als Kassier schriftlich definiert worden waren. Weiter habe die Anstalt es unterlassen, die im Entschädigungsreglement für den Kassier eigentlich vorgesehene speziellen Regelung hinsichtlich der Spesen und Vergütungen aufzustellen.
Im Ergebnis wurde aber auch festgehalten, das Selbstverschulden der Arbeitgeberin wiege nicht derart schwer, als dass es als die wahrscheinlichste und unmittelbarste Ursache des eingetretenen Schadens erscheinen würde und den adäquaten Kausalzusammenhang, zwischen den vom Angestellten begangenen Vertragsverletzungen und dem eingetretenen Schaden zu unterbrechen vermöge. Es rechtfertige sich daher eine Reduktion der Ersatzpflicht des Angestellten infolge Selbstverschulden der Arbeitgeberin von gesamthaft 20%. Das Bundesgericht erwog, dadurch dass die Vorinstanz in Anbetracht des schweren Verschuldens des Angestellten und des beschriebenen Selbstverschuldens der Anstalt eine Reduktion der Ersatzpflicht um 20% als angemessen erachtet habe, sei sie nicht in Willkür verfallen (BGE 8C_255/2020).
Wird dem Arbeitgeber durch den Arbeitnehmer ein Schaden zugefügt, so ist der Arbeitgeber gut beraten, die Haftungsvoraussetzungen umfassend und gründlich zu prüfen. Sind diese gegeben, ist insbesondere hinsichtlich des vermuteten Verschuldens zu beachten, dass der Arbeitnehmer grundsätzlich für jedes Verschulden und damit auch bei leichter Fahrlässigkeit haftet: Die Schadenersatzpflicht bzw. -Beteiligung wird jedoch sehr deutlich reduziert sein.
Aber auch das Verhalten des Arbeitgebers kann, im Rahmen eines möglichen Selbstverschuldens, von Bedeutung sein. Dies, indem es mitunter zu einer Reduktion des vom Arbeitnehmer zu bezahlenden Schadenersatzes führen kann. Der Arbeitgeber tut daher gut daran, wenn er den Arbeitnehmer bei der Arbeitsausführung hinreichend kontrolliert und instruiert, dessen Aufgabenbereiche und Kompetenzen klar definiert, klare Verhältnisse schafft und den Betrieb regelmässig überprüft.
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