Auf den ersten Blick ist die Idee verlockend, da der Arbeitgeber auf diese Weise die Bewerbenden besser kennenlernen kann. Das Vorgehen wirft jedoch einige Fragen auf: Ist das probeweise Arbeiten bezahlt? Wo und wie ist die Person versichert? Werden die Tage im Falle einer Einstellung an die Probezeit angerechnet oder nicht?
Das probeweise Arbeiten ist gesetzlich nicht geregelt, sodass es in der Praxis oft zu Missverständnissen oder sogar Rechtsstreitigkeiten kommt. Das gilt insbesondere dann, wenn der Bewerbende die Stelle nicht erhält. In diesem Zusammenhang lohnt es sich die Bestimmungen zur Entstehung eines Arbeitsvertrags in Erinnerung zu rufen. Gemäss Art. 320 Abs. 2 OR entsteht ein Arbeitsverhältnis auch dann, wenn der Arbeitgeber Arbeitsleistungen annimmt, die nur gegen Lohn zu erwarten sind (sog. «Vermutung der Entgeltlichkeit»). Wenn ein Bewerbender probeweise arbeitet, wird er ohne gegenteilige Vereinbarung davon ausgehen, dass er dafür entlohnt wird. Ist dies der Fall, greift die Vermutung der Entgeltlichkeit: Es wird von einem befristeten Arbeitsverhältnis ausgegangen und die Dauer der Probearbeit ist folglich zu bezahlen.
Die Arbeit auf Probe kann in der Praxis zwei verschiedene Formen annehmen, die es zu unterscheiden gilt. Im ersten Fall führt der Bewerbende keine Aufgaben aus, sondern beobachtet lediglich die Arbeitsweise des Unternehmens und die Arbeit, mit denen er bei einer Anstellung betraut wäre. Dies ermöglicht dem Arbeitgeber einen ersten Eindruck von der Persönlichkeit des Bewerbenden und dessen Interesse an der Stelle zu gewinnen. In diesem Fall sollte vorgängig schriftlich vereinbart werden, dass es sich um unbezahlte Probearbeit handelt und jegliche Vergütung ausgeschlossen ist. Auf diese Weise lassen sich potenzielle Rechtsstreitigkeiten von vornherein vermeiden.
Im zweiten Fall wird der Bewerbende in die Geschäftstätigkeit des Unternehmens eingebunden und erledigt bereits spezifische Aufgaben. In diesem Fall ist für gewöhnlich Lohn geschuldet. Eine unentgeltliche Probearbeit ist unserer Ansicht nach zulässig, wobei eine damit einhergehende Unentgeltlichkeits-vereinbarung nur innert den durch Art. 21 OR (Übervorteilung) gezogenen Grenzen möglich ist. So oder so ist es empfehlenswert, die Höhe des Entgelts in einer schriftlichen Vereinbarung festzulegen. Andernfalls riskiert der Arbeitgeber, dass der Bewerbende später einen Lohn einfordern könnte, der nach richterlichem Ermessen bestimmt wird. In der Praxis werden Bewerbende teilweise mit Geschenkgutscheinen «bezahlt». Davon raten wir ab, weil die sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Folgen umstritten sind.
Wenn der Arbeitgeber eine Person einstellt, die im Sinne des ersten Falles lediglich Einsicht in die Arbeitsweise nehmen konnte, hat dies keinen Einfluss auf die Probezeit. D.h. der Arbeitgeber kann im Arbeitsvertrag eine Probezeit über die vollen drei Monaten vorsehen. Pro Memoria: Ohne abweichende schriftliche Vereinbarung gilt bei einem unbefristeten Arbeitsvertrag nur der erste Monat als Probezeit (Art. 335b Abs. 1 und 2 OR).
Anderes muss gelten, wenn der Arbeitgeber eine Person einstellt, die während der Probearbeit in die Geschäftstätigkeit des Unternehmens eingebunden wurde und bereits spezifische Arbeiten verrichtete. Die Maximaldauer der Probezeit von drei Monaten bezweckt den Schutz beider Parteien in einer Situation der Unsicherheit. Mit der Probezeit kann das auf längere Dauer angelegte Arbeitsverhältnis erprobt und bei nicht erfüllten Erwartungen kurzfristig beendet werden. Eine Kündigung ist beidseitig innerhalb von sieben Tagen (oder weniger, sofern dies schriftlich im Arbeitsvertrag vorgesehen ist) auf einen beliebigen Termin hin möglich. Es käme einer Umgehung der gesetzlichen Maximaldauer gleich, wenn die vor dem Abschluss des Arbeitsvertrags geleistete Probearbeit nicht an die Probezeit angerechnet würde. Mit anderen Worten muss die Probezeit des Bewerbenden, der schliesslich eingestellt wird, um die zuvor geleisteten Probearbeitstage gekürzt werden.
Hinsichtlich der Sozialversicherungen ist zu beachten, dass bereits ab dem ersten Tag des Probearbeitens eine Unfallversicherung obligatorisch ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob das probeweise Arbeiten bezahlt ist oder nicht. Werden dabei acht Wochenstunden nicht überschritten, so beschränkt sich der Versicherungsschutz auf Berufsunfälle, wobei in diesem Fall auch Unfälle auf dem Arbeitsweg als solche gelten. Bei der unbezahlten Probearbeit ist in analoger Anwendung von Art. 23 Abs. 6 UVV für die Prämienberechnung von einem Tagesverdienst von mindestens 20% des Höchstbetrags des versicherten Tagesverdiensts auszugehen, sofern der Bewerbende das 20.
Altersjahr vollendet hat (CHF 148'200.- / 365 Tage = CHF 406.- x 20% = CHF 81.20).Vor dem vollendeten 20. Altersjahr sind es 10% des Höchstbetrages (CHF 40.60).
Bei unbezahlter Probearbeit ist es ratsam, die Person bei der Unfallversicherung anzumelden, damit diese die Prämie berechnen kann. Dies gibt den Parteien auch die Gewissheit, dass der Versicherungsschutz auf den Bewerbenden ausgedehnt wurde.
Sozialversicherungsbeiträge (AHV/IV/EO/ALV) sind nur geschuldet, wenn ein Entgelt vorgesehen ist. Dabei ist zu berücksichtigen, dass ein Lohn von bis zu CHF 2'300.- pro Kalenderjahr und Arbeitgeber von der Beitragspflicht befreit ist, sofern der Arbeitnehmende nichts anderes verlangt. Schliesslich besteht auch keine BVG-Pflicht, da die Probearbeit weniger als drei Monate dauert und nur zu einem geringen Einkommen führen dürfte.
Kommt es nach dem probeweisen Arbeiten zu einer Einstellung, ist das anlässlich dieser Tage bezahlte Entgelt zum Lohn im laufenden Kalenderjahr zu addieren. Sind die Voraussetzungen für die Sozialversicherungspflicht erfüllt, sind die entsprechenden Beiträge (nachträglich) geschuldet.
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass das Instrument der (unentgeltlichen) Arbeit auf Probe im Rahmen der Privatautonomie zulässig sein muss. Da die Probearbeit gesetzlich nicht geregelt ist, sind die Rahmenbedingungen vorgängig schriftlich zu klären. Das gilt insbesondere für den Fall der unentgeltlichen Probearbeit. Sobald die Probearbeit über das blosse Beobachten und Kennenlernen der Arbeitsweise hinausgeht und der Bewerbende spezifische Aufgaben verrichtet, ist ohne anderslautende Vereinbarung aufgrund der gesetzlichen Vermutung von Art. 320 Abs. 2 OR eine Bezahlung geschuldet.
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